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Innenstadt Einbahnstraße am Wall wird zum Streitfall 

Hitzige Diskussion in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Die Einbahnstraße am Wall in der Bremer Innenstadt wird zum Streitfall. Die FDP-Fraktion wirft dem Verkehrsressort Versagen vor.
14.09.2021, 19:46 Uhr
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Einbahnstraße am Wall wird zum Streitfall 
Von Pascal Faltermann

Verkehrspolitik ist ein emotionales Thema. In der Aktuellen Stunde der Stadtbürgerschaft am Dienstag zur Einbahnstraße am Wall ging es dementsprechend hoch her. Von einer „Operation am offenen Herzen“ war die Rede. Am schärfsten war die Kritik der FDP-Fraktion, die das Thema auf die Agenda gesetzt hatte. Seit vergangener Woche können Autos am Wall nur noch vom Herdentor in Richtung Ostertorstraße fahren, die andere Autospur ist für Radfahrer reserviert. FDP-Verkehrspolitiker Thore Schäck warf dem Verkehrsressort Chaos und Versagen vor. Die Diskussion entwickelte sich aber mehr zu einer generellen Debatte über die Stadtentwicklung und den Klimawandel, als dass sie sich nur um die Situation am Wall drehte. Ein Überblick über die Positionen. 

Thore Schäck (FDP) 

„Die Politik sollte ein Interesse haben, mit den Händlern vor Ort, die sich massiv übergangen fühlen, zu sprechen“, sagte Schäck. Es gebe unterschiedliche Ansichten darüber, wie mit den Betroffenen kommuniziert wurde. Klar sei aber, dass man früher mit den Anliegern am Wall hätte reden müssen. Stattdessen sei die Maßnahme in einer Nacht-und-Nebel-Aktion umgesetzt worden. „Die FDP lehnt eine Einbahnstraße vollumfänglich ab“, sagte Schäck. Stattdessen hätte man überlegen können, wie die Wallanlagen besser an den Wall angeschlossen werden können und wie diese Maßnahme die Verkehrsströme beeinflusst. Er fragte, was es bringe, dass ein zweiter Fahrradweg neben einem bestehenden eingerichtet worden sei. „Der Außengastronomie ist damit nicht geholfen. Sie haben sich für die falsche Straßenseite entschieden“, sagte Schäck. Er kritisierte die rot-grün-rote Regierungskoalition für ihr Handeln und zahlreiche Streitthemen (Wall, Martinistraße, Domsheide, Bordell), die in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Senatorin Schaefer warf er vor, dass sie den Menschen mit ihrer Verkehrspolitik vors Schienbein trete, versage und Chaos anrichte. „Die Stadt hat mehr verdient, als eine Senatorin, die den Verkehr hier zugrunde richtet“, so Schäck.

Ralph Saxe (Grüne) 

Der Grünen-Verkehrspolitiker Saxe erinnerte daran, dass in der Koalitionsvereinbarung steht, dass der Wall und die Martinistraße autoarm, die Innenstadt autofrei gestaltet werden sollen. „Es geht um das Gesamtprojekt, Sie reden aber nur über 700 Meter Einbahnstraße“, sagte Saxe zur Opposition. Der Wallring werde zu 80 Prozent vom Umweltbundesamt gefördert, weil dieses Projekt als vorbildhafte eingestuft sei. „Wir werden darüber irgendwann froh sein“, so Saxe. Er verwies auf Untersuchungen, die aufzeigen, wie positiv sich Innenstadt entwickeln, wenn sie fußgänger- und fahrradfreundlich sind. „Weniger Lärm, weniger Abgase, mehr Passanten durch Rad und Fuß - das ist etwas, was die Innenstadt attraktiver machen wird“, sagte Saxe. Man sei sich doch einig, dass Autofreiheit und Autoarmut dem Standort nütze. Die Mieten seien in den Fußgängerzonen am teuersten, weil dort die Geschäftsleute am meisten Umsatz machen. 

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Ralf Schumann (Linke) 

„Innenstädte, die prosperieren, haben den Autoverkehr rausgenommen“, sagte Schumann. Der FDP warf er vor, dass sie sich hinter den Kaufleuten verstecke, um zu verbergen, dass sie doch die Autofahrerpartei sind. „Selbst die Hamburger haben den Jungfernstieg dichtgemacht, weil sie wussten, dass es gut ist, den Autoverkehr rauszunehmen“, so Schumann. In den 60er-, 70er-Jahren hätten die Verkehrsplaner gute Arbeit für das Auto geleistet, nun komme man um Veränderungen nicht mehr drumherum. „Ich kann es nicht verstehen, dass hier so ein riesiger Aufstand gemacht wird“, so Schumann. Die Maßnahme sei uralt, in der alten Koalition beschlossen und mit dem Beirat abgesprochen worden. „Es ist eine wichtige Maßnahme für die autofreie Innenstadt."  

Falk Wagner (SPD) 

„Alles, was wir hier in der Innenstadt machen, ist eine Operation am offenen Herzen“, sagte Wagner. Der SPD-Sprecher für Stadtentwicklung betonte, dass die Frage sein müsse, was die Verkehrspolitik für die Innenstadt tun könne. Denn die City stehe vor einem fundamentalen Strukturwandel. Es brauche eine gute Aufenthaltsqualität, deswegen müsse der Konflikt zwischen Verkehr und Aufenthaltsqualität immer wieder austariert werden. „Die Radpremiumroute am Wall muss gut querbar sein“, forderte Wagner. Es helfe wenig, wenn man mit den Autos eine zerschneidende Verkehrsart herausnehme und dafür eine andere mit einem Radschnellweg hinsetze. Wichtig sei zudem, die Fußwege zu verbreitern und einen Boulevard zu schaffen. 

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Jens Eckhoff (CDU)

CDU-Politiker Eckhoff setzte zu einer Generalkritik an. Er kritisierte das Handeln der Regierungsfraktion bei zahlreichen Punkten. „Sie setzen die falschen Prioritäten wie bei dem überflüssigen Verkehrsversuch in der Martinistraße“, sagte Eckhoff. Mit den 1,3 Millionen Euro für die Martinistraße hätte man viele Radwege in den Stadtteilen reparieren können. Zum Wall sagte er: „Lassen Sie den Verkehr am Wall zweispurig bis Weihnachten und wir machen uns gemeinsam Gedanken, wie wir die Innenstadt entwickeln können.“ Eckhoff monierte, dass die Regierung ein Umsetzungsproblem habe, zahlreiche Projekte aus dem Verkehrsentwicklungsplan habe man nicht bearbeitet. „Sie müssen mehr Tempo reinbekommen“, so Eckhoff. So behindere man nur die langfristige Umgestaltung der Innenstadt. 

Senatorin Maike Schaefer (Grüne) 

Die Verkehrssenatorin wehrte sich gegen die Kritikpunkte. Sie verwies auf Städte wie Kopenhagen, Wien, Paris, Gent oder Amsterdam, denen es gut gehe, wo der Handel besser laufe, nachdem man den Autoverkehr herausgenommen habe. In Bremen gebe es allerdings einen großen Aufstand, wenn man eine Autospur entferne. Sie zitierte Passagen aus dem Koalitionsvertrag, aus dem Verkehrsentwicklungsplan, einer Machbarkeitsstudie und aus einem Positionspapier der CDU - in allen ging es um weniger Verkehr und Autofreiheit am Wall und in der Innenstadt. „Es steht da drin und wir liefern nun, das war also alles keine Überraschung“, so Schaefer. Was diese Stadt nicht gebrauchen könne, sei Stillstand. Es gebe aber einige, die wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Eigentlich sei es der Plan gewesen, eine Flaniermeile zu entwickeln, doch die Geschäftsleute wollten ihre Parkplätze vor den Türen behalten. Darauf habe man Rücksicht genommen. „Die Gastronomie am Wall leidet aber unter den vorbeirauschenden Autos“, so Schaefer. 

Zur Sache

Wirtschaftsrat Bremen fordert Aufklärung 

Jörg Müller-Arnecke, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates Bremen, kritisiert die seiner Meinung nach aus wahlkampftaktischen Gründen vorgezogene und überstürzte Einbahnstraßenregelung am Wall. "Durch den neuerlichen Aktionismus zeigt Senatorin Maike Schäfer wieder einmal, wie egal ihr die Anliegen der Bürger, der Wirtschaft und nun auch der Inneren Sicherheit sind“, so Müller-Arnecke. „Die Einbahnstraße ist nicht nur sinnlos, da die Fahrradfahrer bereits einen Fahrradweg haben, sondern auch schlecht umgesetzt." Die Baustellenbarken würden ein "abscheuliches Stadtbild" abgeben, die Fahrradspur sei im Verkehrsfluss nicht zu erreichen, und die Polizei und deren Einsatzrouten seien gar nicht erst berücksichtigt worden, so Müller-Arnecke. 

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