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Landgericht Bremen Aus der Bitte um Unterstützung wird Mord

Ein 24-Jähriger ermordet in Bremen seine Schwester. Um seine Ehre zu retten, wie er sagt. Doch was sind die Hintergründe der Tat? Am Landgericht sagt hierzu die Schwester von Täter und Opfer aus.
07.05.2024, 18:33 Uhr
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Aus der Bitte um Unterstützung wird Mord
Von Ralf Michel

Seine Schwester habe versucht, wie eine Schlampe zu leben, schrieb der Angeklagte nach dem Mord in einem Brief, den die Polizei in seiner Wohnung fand. Deshalb habe er sie umgebracht – um seine Ehre zu retten. Vor Gericht allerdings schweigt der 24-Jährige auch am zweiten Prozesstag. Die Kammer versucht deshalb am Dienstag, mithilfe von Zeugen herauszufinden, was genau es war, was ihn am 9. Dezember vergangenen Jahres zu der Tat führte.

Das ist an diesem Prozesstag vor allem die Schwester von Opfer und Täter, die mit der Ermordeten zusammen wohnte. Sie ringt mit sich bei den ersten Fragen, knetet ihre Hände. Als direkte Angehörige müsste sie nicht aussagen und eigentlich will sie das auch nicht. "Ich bin nicht in der Lage zu sprechen", sagt sie. Antwortet dann aber doch auf die behutsamen Fragen der Vorsitzenden Richterin. Am Ende wird ihre Vernehmung über zweieinhalb Stunden dauern.

Zeugin fühlte sich verantwortlich für ihre Schwester

Lange sei alles in Ordnung gewesen mit ihrer Schwester, erzählt sie. Dann aber habe sie während ihrer Ausbildung im Krankenhaus einige Mädels kennengelernt, die sehr viel Kontakt zu Männern hatten, sei viel weg gewesen und manchmal abends nicht mehr nach Hause gekommen.

Sie habe sich verantwortlich für ihre sechs Jahre jüngere Schwester gefühlt, sagt die 29-Jährige. Und sie deshalb auch auf ihr Verhalten angesprochen. Ihre Schwester habe ihr daraufhin versprochen, nichts mehr zu tun, was Probleme bereite, sich dann aber nicht daran gehalten. Immer wieder sei sie von anderen auf das Verhalten ihrer Schwester angesprochen worden. Zuletzt von deren besten Freundin, die sich am Telefon bitterlich beklagte, dass sie versuche, ihr ihren Freund auszuspannen. Und dies alles noch dazu vor dem Hintergrund, dass ihre jüngere Schwester sich eigentlich ein halbes Jahr später mit einem Mann aus Hamburg verloben sollte.

Ein verhängnisvoller Anruf

Da sie zu diesem Zeitpunkt selbst sehr viele Probleme hatte, sei ihr dies alles irgendwann zu viel geworden, berichtet die 29-Jährige. Deshalb habe sie ihren Bruder angerufen und ihm die gesamte Situation geschildert. Der ist zwar deutlich jünger als sie, sei als einziger Mann aber verantwortlich für die gesamte Familie. Ihre Mutter sei drei Jahre zuvor gestorben, zum Vater habe man keinen Kontakt mehr. Der lebe mit einer anderen Familie in Österreich.

An dieser Stelle beginnt die junge Frau zu weinen. Sie ahnt, dass der Anruf bei ihrem Bruder einen Tag vor dem Mord der Auslöser für die Tat gewesen sein könnte. "Dass ich ihm diese Informationen gegeben habe..."

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"Sie wollten, dass er sie unterstützt, haben aber nicht gedacht, dass er sie töten wird", hilft die Vorsitzende Richterin der Zeugin. Die nickt. Ihr Bruder sei immer gut zu allen gewesen, habe seine Schwestern geliebt. "Und wir ihn." Ihre Schwester zu töten sei falsch gewesen, antwortet die Frau auf die entsprechende Frage der Richterin. Für jedes Problem sollte es eigentlich eine Lösung geben. "Aber ich weiß nicht, was mit ihm los war an diesem Tag. Eigentlich ist er nicht so."

Schwester bemerkt die Tat erst nach Eintreffen der Polizei

Den Mord selbst hat die Frau nicht gesehen, sie befand sich zum Tatzeitpunkt zusammen mit ihrem Verlobten und ihren zwei Kindern in einem anderen Zimmer der großen Wohnung, weit vom Schlafzimmer ihrer Schwester entfernt. Nur Türengeklapper habe sie gehört und einmal kurz einen Aufschrei ihrer Schwester. Sie habe sich nichts weiter dabei gedacht. "So ist sie auch, wenn sie mit ihren Freundinnen telefoniert." Was geschehen war, habe sie erst bemerkt, als die Polizei schon in der Wohnung war. Ihr Bruder hatte direkt nach der Tat bei der Polizei angerufen und die Tat gestanden.

Der Prozess wird am 22. Mai fortgesetzt. Voraussichtlich werde sich sein Mandant an diesem Tag äußern, kündigte der Verteidiger des 24-Jährigen an.

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