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Meyer-Werft will keinen Aufsichtsrat "Es ist einfacher, wenn ich allein herrsche"

Die Meyer-Werft ist so etwas wie der letzte Stolz der deutschen Schiffbau-Industrie. Aus einer Kleinstadt stammen Traumschiffe für die ganze Welt. Wenig traumhaft: Der Betrieb will sich einem zweiten Exportschlager entziehen - der Mitbestimmung.
01.07.2015, 00:00 Uhr
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Von Kristina Läsker

Die Meyer-Werft ist so etwas wie der letzte Stolz der deutschen Schiffbau-Industrie. Nachdem der Containerfrachterbau abgewandert ist, haben hierzulande nur einige Betriebe – wie etwa Lürssen aus Bremen – überlebt. In Papenburg aber baut die 1795 gegründete Meyer-Werft erfolgreich Kreuzfahrtschiffe. Wie die Luxusliner von Aida mit dem roten Kussmund am Bug. Aus einer Kleinstadt im Emsland stammen die Traumschiffe für die ganze Welt.

Doch was nun geschieht, ist wenig traumhaft. Denn der Betrieb will sich einem zweiten Exportschlager entziehen: der Mitbestimmung. Genauer gesagt haben die Eigner – Bernard Meyer und Sohn Jan – den Sitz ihrer Holding von Rostock nach Luxemburg verlegt. Offizieller Grund: Sie wollen einen Aufsichtsrat verhindern.

Jetzt wird die Familie von einer Welle des Protests überrollt. Für Mittwochvormittag hat Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies zum Gespräch nach Emden gebeten. Die Einladung ist keine Bitte, sie ist eine Ansage, geladen sind Bernard Meyer, weitere Manager und Vertreter der IG Metall. Mit ihnen will SPD-Politiker Lies die Verlagerung besprechen, und er ist ziemlich sauer. Er verstehe den Schritt nicht, sagt er. „Ohne, dass man miteinander redet, werden einfach Fakten geschaffen.“

Es geht um Jobs, Subventionen und Steuern: Seit 2010 hat die Werft kräftig aus den Töpfen von Bund und Land geschöpft. Insgesamt erhielt sie knapp 73 Millionen Euro aus dem Schiffbau-Innovationsprogramm. Zudem trägt der Bund die Kosten, wenn die Ems wie bisher regelmäßig ausgebaggert wird. Grund: Die Werft liegt im Inland, und die Kreuzfahrtschiffe müssen durch den Fluss zur Nordsee gelangen. Das verschlang in den vergangenen zehn Jahren mindestens 188 Millionen Euro Steuergeld. Da das Ausbaggern nicht reicht, wird der Fluss mithilfe des Emssperrwerks gestaut. Das kostete das Land etwa eine viertel Milliarde Euro und wurde gegen Proteste von Umweltschützern durchgesetzt.

Die Familie Meyer – ihr gehört das Unternehmen in siebter Generation – sorgt dafür für Arbeitsplätze an den drei Standorten Papenburg, Rostock und Turku (Finnland). Zur Stammbelegschaft in Papenburg gehören gut 3100 Mitarbeiter, dazu kommen 290 Leiharbeiter und etwa 1500 Werkvertragsarbeitnehmer. In der Region sorgt die Firma für etwa weitere 15 000 Stellen.

Was auffällt: Trotz dieser Größe gibt es nur einen Betriebsrat und keine erweiterte Mitbestimmung. Laut Gesetz müssen Firmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern aber einen Aufsichtsrat haben, der zur Hälfte mit Arbeitnehmern besetzt ist. Das gilt auch für eine GmbH, die Mutter-Holding der Werften-Gruppe (Meyer Neptun GmbH) hat diese Rechtsform. Die Meyer-Werft müsste also ein sechsköpfiges Gremium mit einem Arbeitgeber-Vertreter an der Spitze haben. Doch das ist nicht der Fall, weil die Arbeitnehmer das nie eingefordert hätten, sagt Olaf Kunz von der IG Metall Küste. „Wenn es keiner verlangt, dann gibt es eben keinen Aufsichtsrat.“

Jetzt ist es zu spät: Denn für eine GmbH in Luxemburg gilt diese Vorschrift nicht. Man wolle erreichen, dass die Werftengruppe auch künftig keinen Aufsichtsrat habe, bestätigt ein Firmensprecher. Die Werft sei schließlich seit 220 Jahren ohne Aufsichtsrat erfolgreich gewesen.

Ein Einzelfall ist der Schiffbauer nicht: 2011 hat die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung ermittelt, dass die Zahl der hiesigen Firmen mit ausländischer Rechtsform wächst. Auch, um der erweiterten Mitbestimmung zu entgehen. Die Drogeriekette Müller gehört ebenso dazu wie Air Berlin, H&M und Kühne+Nagel. Möglich gemacht hat das der Europäische Gerichtshof. Er erlaubte, dass deutsche Unternehmer heimische Aktivitäten unter das Dach ausländischer Firmen stellen dürfen.

"Natürlich ist es einfacher, wenn ich allein herrsche"

Doch was würde sich bei der Werft überhaupt ändern, wenn ein Aufsichtsrat installiert würde? Es gebe mehr „Transparenz, Kontrolle und Diskussionen“, meint IG-Metall-Jurist Kunz, der lange selbst in Aufsichtsräten gesessen hat. Durch das Gremium könnten Arbeitnehmer ihre Interessen stärker einbringen. Das bringe Gutes und „eine andere Sicht auf Dinge“. Doch vielleicht befürchte die Familie Meyer genau das, so Kunz: „Natürlich ist es einfacher, wenn ich allein herrsche.“

Aus Konzernsicht, so erklärt es der Werftsprecher, sei ein Aufsichtsrat jedenfalls hinderlich beim Ringen um die wichtigen Großaufträge von internationalen Reedereien. „Ein großer Vorteil unserer Unternehmen ist, schnell und flexibel entscheiden zu können. Dieses lässt ein Aufsichtsrat nicht zu.“ Wirtschaftsminister Lies kann das nicht nachvollziehen: „Ich bin in einer Reihe von Aufsichtsräten und dort gibt es viele Möglichkeiten der Beschleunigung von Prozessen.“

Doch ist die Debatte um den Aufsichtsrat nur vorgeschoben? Minister Lies will am Mittwoch klären, ob die Werft ihre Steuern weiterhin in Deutschland zahlt. Er will verhindern, dass sich Luxemburg als Steuersparmodell entpuppt. Die Werft bestreitet das, die Holding im Großherzogtum solle nur für den gemeinsamen Einkauf genutzt werden, heißt es. Minister Lies beruhigt das kaum: „Ich verbinde Luxemburg vor allem damit, Steuern zu sparen.“ Die Gesprächspartner, so sagt er, müssten ihm jetzt erst einmal erklären, wie man weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten könne.

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