Die Entscheidung der Bremer Bildungsbehörde, den sogenannten pädagogischen Happen zu streichen, sorgt weiter für Diskussionen. Wie berichtet, können Beschäftigte an Bremer Ganztagsgrundschulen seit dem Herbst nicht mehr kostenlos eine Kleinigkeit mitessen, wenn sie die Schüler und Schülerinnen als Aufsicht in die Mensa begleiten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die das Ende des Angebots beklagt, führt ihre Kritik nach einem ersten Bericht des WESER-KURIER weiter aus. Wichtig ist es der GEW dabei auch, eine Neiddebatte zu vermeiden.
Landesgeschäftsführer Andreas Staets betont, dass es weniger um Lehrer und Lehrerinnen gehe, sondern fast ausschließlich Erzieher und Erzieherinnen betroffen seien. Für diese sei das gemeinsame Mittagessen "keine Pause, sondern ein Teil der Arbeit" und "ein Arbeitsmittel wie Knete oder Buntstifte". Erzieher und Erzieherinnen seien oft in Teilzeit angestellt und finanziell "nicht auf Rosen gebettet". Staets fragt: "Sollen sie dann wirklich noch für Arbeitsmittel bezahlen?"
Er verweist erneut auf die Vorbildfunktion der Erwachsenen, die mit den Kindern gemeinsam essen. "Geben wir den Kolleginnen, denen wir unsere Kinder anvertrauen, die Möglichkeit, pädagogisch zu arbeiten, oder stutzen wir sie zu Wächtern zurecht?", fragt der GEW-Vertreter weiter. Das gemeinsame Essen sei wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl in Gruppen – und somit auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. "Man kann leider nicht davon ausgehen, dass das außerhalb der Bildungseinrichtungen immer gelernt wird", sagt Staets.
Keine Zeit zum Essen
Inwiefern die Erzieher und Erzieherinnen im Einzelfall überhaupt zum Essen kommen, ist Staets zufolge fraglich. "Wer immer wieder 40 und mehr Grundschulkinder beim Essen beaufsichtigen muss – und solche Fälle kennen wir – wird ohnehin keinen Happen herunterkriegen", betont er.
Die Bremer Debatte über den kostenlosen Happen ist derweil auch außerhalb der Landesgrenzen angekommen. Eva Reiter, Bundesvorsitzende des Ganztagsschulverbands, fordert "die Bremer Bildungsbehörde, aber auch alle anderen Bundesländer, die mit ähnlichen Gedanken spielen, auf, ihre falschen Einsparpläne zu überdenken und zu korrigieren“. Die Mittagspause dürfe "kein Abfallprodukt der Stunden- und Alltagsplanung sein".
Wie die GEW sieht der Verband das gemeinsame Mittagessen als Arbeitszeit an und betont dessen Bedeutung. Erwachsene könnten "Vorbild gesunder Ernährung sein, zum Probieren auch unbekannter Speisen motivieren, aber auch gute Tisch- und Esskultur vorleben". Es geht laut Reiter auch um die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. "Eine gute Beziehung stellt die Basis für Lernerfolg dar. Das wissen alle an Schulen Tätigen. Nur die Behörde offensichtlich nicht", sagt Reiter. Sie verweist auf Studien, die die "Bedeutung des Treffpunkts Mensa" belegten.
Die Bremer Grünen fordern vom Bildungsressort eine differenzierte Betrachtung. "Mittagessen ist nicht gleich Mittagessen", sagt Franziska Tell, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Sie betont ebenfalls den pädagogischen Aspekt des gemeinsamen Essens, der von einer persönlichen Mittagspause mit "Zeit und Ruhe" unterschieden werden müsse. "Wir erwarten, dass die Bildungsbehörde sich aktuelle Kostenstrukturen genau anschaut und sie so gestaltet, dass sie für alle nachvollziehbar und gerecht bleiben", sagt Tell.