Bremen will bis 2038 klimaneutral sein, es verfolgt damit das ehrgeizigste Ziel aller Bundesländer. Wer sich selbst einen solchen Kurs verordnet, sollte wissen, wo er aktuell steht, um gegebenenfalls nachjustieren zu können. Doch genau diese Standortbestimmung ist aktuell nicht möglich, es fehlen schlicht die Daten. Über die Gründe und mögliche Versäumnisse des Senats wurde am Dienstag im Klima-Controllingausschuss der Bürgerschaft gestritten. Auch innerhalb der Koalition waren Meinungsunterschiede nicht zu übersehen.
Eigentlich sind die rechtlichen Vorgaben klar. Im Februar 2023 hatte die Bürgerschaft das Bremische Klimaschutz- und Energiegesetz geändert und darin bestimmte Berichtspflichten zum Stand der Treibhausgasemissionen verankert. So soll es vorläufige Fassungen der Energie- und Kohlendioxidbilanzen spätestens 15 Monate nach Ende des jeweiligen Berichtsjahres geben, endgültige nach 24 Monaten. Als zuständige Behörde nennt das Gesetz ausdrücklich das Statistische Landesamt (Stala), das der Innenbehörde unterstellt ist.
Laut Innenbehörde sechs Planstellen notwendig
Für das erste Berichtsjahr 2023 ist also Ende März eine vorläufige Bilanz fällig – doch die wird das Stala nicht liefern können. So viel ist jetzt schon klar. Für die Sammlung und Aufbereitung der notwendigen Daten brauche es nämlich nach Darstellung von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sechs Planstellen. Und die sind im Landeshaushalt nicht finanziert, weshalb sie auch nicht besetzt wurden. Die Verantwortung dafür wies Mäurer von sich. „Geschäftsgrundlage“ des geänderten Klimaschutz- und Energiegesetzes sei es gewesen, „dass das Stala die Aufgabe übernehmen kann, wenn man ihm das Personal dafür gibt“, sagte Mäurer auf Befragen des Ausschussvorsitzenden Martin Michalik (CDU). Die notwendigen Mittel seien von der Bürgerschaft im Haushalt nicht bereitgestellt worden. Anders gesagt: Kein Geld, deshalb keine Planstellen und in der Folge auch kein detaillierter Treibhausgasbericht.
Diese Haltung des Innensenators brachte die Opposition richtig auf die Palme. Mäurers Position laufe auf eine Weigerung hinaus, gesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen. „Ich bin nicht nur erstaunt, ich finde das peinlich“, warf Eckhoff dem Senator vor. Die Bürgerschaft habe 2023 beschlossen, die Entwicklung des Treibhausgasausstoßes präzis zu überwachen. Offenbar rücke der Senat inzwischen vom Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2038 ab und wolle deshalb auch nicht, dass Daten den mangelnden Fortschritt belegen. Kritische Töne in Richtung des Innensenators kamen auch von der Grünen-Abgeordneten Franziska Tell. Sie erwarte „hohes Tempo“ bei der Klärung der Frage, wie und wann der gesetzlich geforderte, detaillierte Klimareport vorgelegt werde. Nach der Sitzung legte Tell in einem schriftlichen Statement nach: „Der Innensenator ist in der Pflicht, das Bremer Klimaschutzgesetz jetzt umzusetzen."
Externe Vergabe vorgeschlagen
Der SPD-Klimapolitiker Arno Gottschalk versuchte, eine Brücke zu bauen. Ein Teil der gewünschten Daten lasse sich doch aus anderen Quellen beschaffen. Was zum Beispiel Bremens größte CO2-Quelle Arcelor-Mittal angehe, könne auf Zahlen aus dem Emissionsrechtehandel zurückgegriffen werden. Beim Fahrzeugverkehr auf die Entwicklung der Kfz-Zulassungszahlen und der Anmeldungen von Elektroautos. Für einen Kernbestand zusätzlicher Daten brauche man nicht unbedingt sechs Planstellen.
Der Leiter des Statistischen Landesamtes, Andreas Cors, trat Gottschalk jedoch klar entgegen. In der Qualität und Auflösung, wie sie das 2023 beschlossene Gesetz verlange, sei eine entsprechende personelle Ausstattung seiner Behörde unabdingbar. Um den ersten, bald fälligen Klimadatenreport zumindest mit einer noch akzeptablen Verspätung vorlegen zu können, schlug Cors vor, sich externer Hilfe zu bedienen. Konkret habe sein Haus bereits beim Statistischen Amt des Saarlandes und bei der Energie Umwelt Strategie GmbH anfragt, die ähnliche Bilanzen für das Land Mecklenburg-Vorpommern erstellt. Grundsätzliche Bereitschaft existiert dort offenbar. Auch ein Institut in Leipzig komme infrage. Cors schätzte die Kosten für eine solche Fremdvergabe mit allem Vorbehalt auf einen „niedrigen bis mittleren fünfstelligen Betrag".
Ob man nun so verfahren will, blieb am Ende der Sitzung allerdings offen. Beschlüsse wurden nicht gefasst, und letztlich blieb nur allgemeiner Verdruss. Franziska Tell forderte für die März-Sitzung des Klima-Controllingausschusses Klarheit, wie es denn nun weitergehen solle.