Eine gleichmäßigere Verteilung von ambulanter Medizin im Stadtgebiet und ein verbessertes Beratungsangebot zu gesundheitlichen Fragen: Dieses Ziel verfolgt die Bürgerschaftsfraktion der Linken. In einem Strategiepapier, das Fraktionschef Nelson Janßen am Mittwoch vorstellte, wird vor allem der Aufbau sogenannter Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) gefordert. In unternehmerischer Trägerschaft der Kommune könnten angestellte Ärzte in solchen Einrichtungen ambulante Leistungen anbieten. In Bremen gibt es solche Strukturen bisher nicht. Die Linken wollen mit dem Instrument des MVZ die Versorgung insbesondere in bisher unterversorgten Stadtteilen voranbringen.
Was ist die Ausgangslage?
Die niedergelassene Ärzteschaft verteilt sich in den Stadtgebieten von Bremen und Bremerhaven sehr ungleich. Während es beispielsweise in Gröpelingen eine einzige psychotherapeutische Praxis für Erwachsene gibt, zählt Schwachhausen rund 150. Auch bei anderen Arztgruppen lassen sich deutliche Ungleichgewichte beobachten. So bieten in Schwachhausen 20 Kinder- und Jugendärzte ihre Dienste an, in Gröpelingen vier. Für viele arme und weniger mobile Familien besteht deshalb aus Sicht der Linken nur ein erschwerter Zugang zu ärztlicher Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) habe es in der Vergangenheit nicht geschafft, solche Missverhältnisse zu beseitigen – auch weil sie die Stadtgebiete von Bremen und Bremerhaven nicht in kleinere Versorgungsbezirke unterteilt, wodurch mehr Einfluss auf die Verteilung der Ärzteschaft genommen werden könnte.
Was wird konkret vorgeschlagen?
Medizinische Versorgungszentren wären nach Einschätzung der Linken ein geeignetes Instrument, um mehr ambulante Behandlungsangebote in bisher schwach versorgte Quartiere zu bringen. Neu ist diese Forderung nicht. Der Aufbau von MVZ wurde bereits im rot-grün-roten Koalitionsvertrag von 2019 angekündigt. Auch in den aktuellen Bündnisvertrag vom Sommer vergangenen Jahres fand das Bekenntnis zu Versorgungszentren wieder Eingang. Praktisch getan hat sich seither allerdings nichts. Das liegt auch daran, dass die Politik für ein solches Projekt die Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) braucht. Sie ist das Selbstverwaltungsorgan der niedergelassenen Ärzteschaft. "In ein MVZ müssten Kassenarztsitze eingebracht werden", erläutert Nelson Janßen. Er setzt darauf, dass sich Gesundheitsbehörde und KV in naher Zukunft auf ein Pilotprojekt verständigen könnten. Starten könnte es in Walle/Gröpelingen oder in Obervieland, wo das Klinikum Links der Weser mittelfristig abzieht.
Wie reagiert die KV?
Die Kassenärztliche Vereinigung steht dem Thema MVZ durchaus offen gegenüber, sieht in solchen Modellen allerdings kein Allheilmittel. "Es müsste sich um Mediziner handeln, die nicht schon anderweitig in Bremen tätig sind, sonst ist das unter dem Strich kein Gewinn für die Versorgung", sagt KV-Sprecher Christoph Fox. Die Erfahrung aus anderen Kommunen lehre zudem, dass sich MVZ wirtschaftlich oft nicht tragen. Aus Sicht der KV gibt es einen ganzen Katalog anderer Maßnahmen, die die Politik auch auf Bundesebene zur Unterstützung des ambulanten Sektors ergreifen könnte. Beispiel: Die Einführung einer sogenannten "qualifizierten Überweisung" zum Facharzt, die das Arzt-Hopping mancher Patienten unterbindet und die ungesteuerte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen eindämmt. Manche Patienten kommen nach der Erfahrung der KV mit Problemen in die Praxen, die eher sozialer als gesundheitlicher Natur sind. Hierfür müssten kommunale Beratungsangebote an der Schnittstelle von ambulanter Versorgung und Sozialarbeit geschaffen werden.
Was schlägt die Linke darüber hinaus vor?
In der Problembeschreibung sind Linke und KV gar nicht so weit auseinander. Auch die Linke sieht die Notwendigkeit, über medizinische Behandlungsangebote hinaus Gesundheits-, Sozial- und Rechtsberatung sowie Prävention und Selbsthilfeangebote in den Stadtteilen zugänglich zu machen. In sogenannten Quartiersgesundheitszentren könnten solche kommunalen Dienstleistungen gebündelt werden. Als Vorbild gilt das Gesundheitszentrum Liga West in Gröpelingen. Dass solche Modelle bisher keine größere Verbreitung gefunden haben, liegt nach Einschätzung der Linken nicht zuletzt daran, dass es bisher keinen regulären Rechtsrahmen und keine Finanzierungsinstrumente des Bundes für solche Zentren gibt. Sie seien deshalb auf Fördermittel der Kommune angewiesen. "Wir fordern hier auf Bundesebene eine Verbesserung der Rahmenbedingungen", heißt es in dem Strategiepapier.