Sechs Hubschrauber, 25 Schiffe, zwei Spezialflugzeuge, Taucher und ein Tauchroboter haben nach der Frachter-Kollision vor Helgoland am Dienstagmorgen nach vier vermissten Seeleuten gesucht. Ohne Erfolg, die Rettungsaktion wurde in der Nacht zu Mittwoch eingestellt. Für die Vermissten der gesunkenen "Verity" gebe es keine Hoffnung mehr, sagte der Leiter des Havariekommandos, Robby Renner. Auf dem Frachter befanden sich sieben Seemänner, einer war bereits tot geborgen worden. "Wir haben es mit vereinten Kräften geschafft, zwei Menschenleben zu retten, das ist die positive Quintessenz", betonte Renner. Den 22 Besatzungsmitgliedern der "Polesie", die aus eigener Kraft Cuxhaven anlaufen konnte, gehe es körperlich soweit gut, sie würden psychologisch betreut.
Die Fäden für die Rettungsaktion liefen beim Havariekommando als Gesamteinsatzleitung und der Bremer Zentrale der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) zusammen. Diese war mit mehreren Seenotrettungskreuzern vor Ort. Etwa 2000-Mal im Jahr rücken die 60 DGzRS-Kreuzer und -Boote von den insgesamt 55 Stationen an Nord- und Ostsee aus. Im vergangenen Jahr erreichte die Hilfe knapp 3300 Menschen, fast 400 wurden aus höchster Not gerettet. "Trotz aller Maßnahmen kommt es auch vor, dass Vermisste nicht gefunden werden können", sagt DGzRS-Sprecher Patrick Testa-Kreitz. So, wie bei der "Verity". Eine Statistik, wie viele Menschen nach Unglücken in der Berufs- oder Freizeitschifffahrt weiterhin vermisst sind, werde nicht geführt.
Wie haben die Seenotretter nach Vermissten gesucht?
„Die klassische Maßnahme ist, dass die Schiffe Suchtracks bilden“, erklärt der DGzRS-Sprecher. Mit Scheinwerfern und Ferngläsern würden die Wellenkronen abgesucht. „Bei der aktuellen Suche war es so, dass durch die widrigen Wetterbedingungen die Sichtverhältnisse sehr schwierig waren, die Kontraste zwischen Himmel und Wasseroberfläche verschwammen“, schildert Testa-Kreitz. Parallel würden per Computersoftware Strömungsberechnungen angestellt, um einschätzen zu können, in welche Richtung Personen abgetrieben sein könnten. Anhand dieser Berechnungen würden die Suchtracks gefahren. Aus der Luft könne zusätzlich mit Scheinwerfern und Wärmebildgeräten gesucht werden.
Da die Retter es bei der „Verity“ in Betracht zogen, dass die Vermissten in dem in etwa 30 Meter Tiefe liegenden Wrack eingeschlossen sein könnten, wurde ein Tauchroboter eingesetzt. „Das war eine Chance, eine vage Chance, die wir nicht ungenutzt lassen wollten“, sagte der Leiter des Havariekommandos. Zuvor hatten Taucher schon Versuche unternommen.
Wie groß ist das Zeitfenster?
Bei zwölf Grad kaltem Wasser unter optimalen Bedingungen liege das Zeitfenster nach Erfahrungswerten bei „maximal 20 Stunden“, so die Seenotretter. Die Wetterbedingungen hätten sich zunehmend verschlechtert, das Gebiet sei in der Nacht trotzdem ein weiteres Mal durchkämmt worden. Kann es noch Hoffnung geben, sollten sich die Vermissten in dem Wrack befinden? „Wer in einem solchen Wrack bei den Bedingungen eingeschlossen ist, hat objektiv gesehen keine Chance mehr“, sagte Renner. „Irgendwann macht die Suche keinen Sinn mehr, weil ein Zeitpunkt erreicht ist, an dem es je nach Situation keine Überlebenschancen mehr gibt“, so DGzRS-Sprecher Testa-Kreitz.
Was sind die größten Risiken für Schiffbrüchige, die im Wasser treiben?
Neben anderen Verletzungen sei dies vor allem Unterkühlung. „Für die Überlebenschancen spielt es auch eine Rolle, ob die Person etwa einen kältesicheren Überlebensanzug trägt – wobei diesem Grenzen gesetzt sind“, so der Sprecher. „Oder auch eine ohnmachtssichere Rettungsweste, die verhindert, dass der Kopf unter Wasser gerät.“ Nicht immer bleibe Zeit, diese anzulegen. Der Körper unterkühle schnell im Wasser. 37 Grad Körper- und zwölf Grad Wassertemperatur sei eine extreme Differenz. „Das Blut sammelt sich in der Körpermitte, um die Organe zu versorgen, sodass bald auch Strampeln und Winken nicht mehr möglich sind.“
Was passiert mit dem Wrack der "Verity"?
Das Wrack sei zwar nicht auseinandergebrochen, aber es gebe eine Schadstelle, schilderte Renner. Die „Verity“ hatte den Angaben zufolge rund 127 Kubikmeter Diesel geladen, bislang seien etwa 90 Liter Treibstoff an die Oberfläche gelangt, diese trieben aber weder in Richtung Helgoland noch zur Küste. Das Havariekommando arbeite an einer Bergungsverfügung für das Wrack. „Die Behörden weisen den Eigner, den Besitzer, an, für Abhilfe zu sorgen“, sagte Renner. Die Ursache der Kollision ist noch unklar. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg hat Ermittlungen aufgenommen.