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Bremische Wirtschaftsvertreter Harsche Kritik an Mindestlohn

Bremen. Seit September gilt in Bremen das Landesmindestlohngesetz. Aus Sicht Bremischer Wirtschafstvertreter hat sich gezeigt, dass es negative Folgen für den Standort Bremen und vor allem für Existenzgründer hat.
08.12.2012, 05:00 Uhr
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Harsche Kritik an Mindestlohn
Von Silke Hellwig

Bremen. Seit September gilt in Bremen das Landesmindestlohngesetz. Aus Sicht der Handelskammer, der Unternehmensverbände und der Bürgschaftsbank hat sich gezeigt, dass es negative Folgen für den Standort Bremen und vor allem für Existenzgründer hat. Es handele sich um ein "Klientelgesetz", das allein der Symbolik diene und obendrein "handwerklich schlecht gemacht" sei.

Das Land hat die Nase vorn – als erstes Bundesland verabschiedete die Bremische Bürgerschaft ein Landesmindestlohngesetz. Danach gilt ein Stundenlohn von 8,50 Euro für alle Arbeitsverträge, auf die das Land Einfluss hat. Es dient laut rot-grüner Regierung dazu, dass Arbeit "menschenwürdig bezahlt" wird.

Gegen das Ziel ist aus Sicht der Handelskammer, der Unternehmensverbände und der Bürgschaftsbank nichts einzuwenden. Aber gegen das Instrument: Schon nach drei Monaten zeige sich, dass das Gesetz dem Land Standortnachteile verschaffe. Außerdem verhindere es, dass Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen würden. Die Regelung entspringe purer Symbolik und sei ein "Klientelgesetz".

Sowohl die Handelskammer und die Unternehmensverbände als auch die Bürgschaftsbank haben sich an den Wirtschaftssenator gewandt und gefordert, "das Gesetz unverzüglich auf den Prüfstand zu stellen". Vor allem die Vorschriften für sogenannte geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bedürften dringend einer Korrektur.

Schon vor der Verabschiedung des Gesetzes, sagt Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, sei auf die Folgen hingewiesen worden. Der Appell sei ungehört geblieben. Nun hätten sich die Bedenken bewahrheitet: In den wenigen Wochen seit Inkrafttreten des Gesetzes mussten laut Thomas Meyer-Vierow, Verwaltungsratsvorsitzender der Bürgschaftsbank Bremen, elf Anträge mit einem Kreditvolumen von 2,6 bis drei Millionen Euro abgelehnt werden, weil der Mindestlohn nicht garantiert werden konnte.

Betroffen davon seien rund 300 bis 400 Arbeitsplätze, die mit Hilfe der Kredite gesichert oder geschaffen werden sollten. Und zwar bei den "schwächsten Glieder in der Kette", wie Einzelhändlern, Existenzgründern und kleineren Betrieben, die auf die Kredite angewiesen seien. Die Folge: Die Antragsteller versuchten Förderkredite da zu bekommen, wo das Mindestlohngesetz nicht gelte – bestenfalls bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Oder aber sie beantragten niedersächsische Fördermittel und gründeten ihre Existenzen mithin womöglich auch im Umland. Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen: "Das Landesmindestlohngesetz hat nicht nur sozialpolitische, sondern auch wirtschaftspolitische und standortpolitische Folgen." Darüber hinaus verursache das Gesetz "einen gigantischen Verwaltungsaufwand", schon allein in Form von "Nachweis-Bürokratie", die nicht nur die öffentliche Hand betreffe, sondern auch Dritte – wie die Kreditwirtschaft samt aller Antragsteller.

Einig sind sich die Unternehmervertreter mit der rot-grünen Regierung, dass Arbeit angemessen bezahlt werden müsse. Allerdings sei dabei "mit Augenmaß und branchenspezifisch nach der Wertschöpfung" vorzugehen. Tarifabschlüsse einzelner Branchen zeigten, dass nicht überall 8,50Euro pro Stunde gezahlt werden könnten. Fonger: "Hier werden Äpfel mit Birnen gleichgesetzt." Zumal Minijobber meist nebenberuflich beschäftigt seien. Bei diesen 400-Euro-Jobs entspreche der Brutto- dem Nettoverdienst. Das wiederum berge Ungerechtigkeiten, denn werde die Stammbelegschaft ebenfalls mit 8,50Euro bezahlt, bleibe ihr netto deutlich weniger Lohn pro Stunde übrig als einer geringfügig beschäftigten Aushilfe.

Bislang, so Fonger, habe sich die Tarifautonomie bewährt – ohne staatliche Eingriffe. Neumann-Redlin befürchtet, dass mit dem Eingriff durch das Landesmindestlohngesetz ein Damm gebrochen sei und auch in Zukunft "auf dem politischen Basar über Löhne entschieden wird". Es sei beispielsweise damit zu rechnen, dass insbesondere in Wahljahren der Mindestlohn weiter steige.

Die Kritik erstaunt den Sprecher des Wirtschaftssenators, Holger Bruns, nicht: Es liege in der Natur der Sache, dass das Gesetz "unterschiedlich wahrgenommen" werde: "Wenn man den Sinn des Gesetzes nicht teilt, dann muss man es kritisieren." Eine Frist von drei Monaten sei zu kurz, um eine seriöse Bilanz zu ziehen. Dem Ressort seien die Fälle bekannt, in denen die Bürgschaftsbank Anträge ablehnen musste: Bei dem Gros der Stellen habe es sich um 400-Euro-Jobs gehandelt. Und es sei der ausdrückliche Wille der Regierung, dass Minijobber nicht weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienten.

Einen Kommentar zum Thema finden Sie in der Samstagsausgabe des WESER-KURIER.

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