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Haushaltspolitik So eng sind Bremens finanzielle Spielräume 2024

Die Bremer Koalition steht bei der Aufstellung eines Etats für 2024/25 unter Druck. Es sind Haushaltslöcher zu stopfen, gleichzeitig gibt es Mehrbedarfe auf wichtigen Feldern. Eine Einigung wird schwierig.
07.01.2024, 07:30 Uhr
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So eng sind Bremens finanzielle Spielräume 2024
Von Jürgen Theiner

So schwierig wie dieses Mal war es noch nie – ein Satz, den man in diesen Tagen von vielen Finanz- und Fachpolitikern der rot-grün-roten Koalition hört. Egal, mit wem man spricht. Gemeint ist die Aufstellung eines Haushaltes für 2024/25. Idealerweise wäre diese Arbeit schon vor Jahresende erledigt gewesen. Denn ohne einen vom Parlament beschlossenen Etat dürfen die senatorischen Behörden seit dem 1. Januar nur die unabweisbar notwendigen, rechtlich gebundenen  Ausgaben leisten. Neue Projekte liegen auf Eis, außerdem gilt in weiten Teilen der Verwaltung ein Einstellungsstopp. Das ist so, weil dem Budgetrecht der Bürgerschaft nicht vorgegriffen werden darf.

Enden wird diese Situation wahrscheinlich erst im Sommer mit einem Parlamentsbeschluss über den Etat 2024/25. Doch so weit ist man noch lange nicht. Aktuell ist der Senat am Zuge. Gemeinsam mit seinen Ressortkollegen und im engen Austausch mit den Haushaltspolitikern von SPD, Grünen und Linken versucht Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) gerade, einen ersten Entwurf für das Zahlenwerk aufzustellen. Er wird die Beratungsgrundlage für die parlamentarischen Gremien sein.

Warum nun gestaltet sich die Aufgabe diesmal so schwierig? Finster wurde es am Horizont bereits im Frühjahr 2023. Die sogenannte Mai-Steuerschätzung bildet stets die Grundlage für die Haushaltsaufstellung im Folgejahr, und die Zahlen waren ziemlich ernüchternd. Zwar steigen die Steuereinnahmen zumindest 2024 noch geringfügig an. Aufgrund der allgemeinen Inflation, deutlich höherer Personalkosten und der enormen Kostensteigerungen insbesondere bei Bauprojekten lässt sich mit dem zur Verfügung stehenden Geld jedoch faktisch weniger bewirken als im vergangenen Jahr.

Zudem wirken einzelne negative Faktoren auf die Etats von Land und Stadt ein, die die Spielräume weiter einschränken. Einige Beispiele:

Soziales

Als größter Kostenblock neben Schulen/Kitas kennen die Sozialausgaben seit vielen Jahren nur eine Richtung: nach oben, und zwar in der Regel deutlich stärker als die Steigerungsraten des Gesamthaushaltes. 2016 durchbrach der Einzeletat Soziales erstmals die Milliardengrenze, 2024 wird Bremen wohl ungefähr 1,3 Milliarden Euro für dieses Aufgabenfeld bereitstellen müssen. 

Städtische Kliniken

Der kommunale Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) gilt seit Langem als eine der größten Belastungen für den städtischen Haushalt. Die vier Häuser sind im laufenden Betrieb chronisch defizitär, hinzu kommen immer wieder Sonderbedarfe für Restrukturierungen. Aktuell ist von einem Betrag von rund 45 Millionen Euro auszugehen, der für die Abdeckung des Geno-Defizits aus 2023 benötigt wird.

Bremer Straßenbahn AG (BSAG)

Die BSAG hat sich 2023 zum Sorgenkind Nummer eins entwickelt. Anfang September schockte die Nachricht von einem 100-Millionen-Euro-Defizit des Verkehrsbetriebs die Finanzpolitiker der Koalition. Inzwischen scheint es gelungen zu sein, das Loch ein wenig zu verkleinern. Trotzdem wird mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag zu rechnen sein, der aus dem städtischen Haushalt für die Stabilisierung der BSAG aufzubringen ist.

Umweltbetrieb Bremen (UBB)

Der UBB tauchte erst vor Kurzem so richtig auf dem Radar der Finanzpolitiker auf. Der kommunale Eigenbetrieb kümmert sich vor allem um die Pflege des städtischen Grüns. Dort sind inzwischen die Kosten aus dem Ruder gelaufen, auch weil es immer mehr leer stehende Flächen auf städtischen Friedhöfen gibt, für die zwar keine Nutzungsgebühren mehr gezahlt werden, die aber trotzdem gepflegt werden müssen. Zudem gibt es bei der überalterten IT-Struktur des UBB umfangreichen Erneuerungsbedarf. Insgesamt ist von einem Zuschussbedarf von rund 15 Millionen Euro die Rede.

Diesen und weiteren Negativfaktoren stehen erhöhte Bedarfe in vielen Bereichen gegenüber – sowohl im konsumtiven Bereich, also beispielsweise für die laufende Verwaltung, Gehälter und Gebäudebewirtschaftung, als auch bei den Investitionen. Es gilt, Teile der Häfeninfrastruktur zu erneuern und auszubauen (Stichwort Energy-Port Bremerhaven), die Geno zukunftsfest aufzustellen, die Hochschullandschaft attraktiv zu halten, den öffentlichen Nahverkehr auszuweiten und, und, und. Die Aufzählung ließe sich noch ein gutes Stück fortsetzen.

Wie das alles in den regulären Haushalten von Land und Stadt Bremen auch nur ansatzweise untergebracht werden soll, weiß gerade niemand. Das Volumen beträgt dort für 2024/25 jeweils 5,9 und 6,1 Milliarden (Land) beziehungsweise 3,6 und 3,7 Milliarden Euro (Stadt).

Noch im Spätherbst 2023 sah sich die Koalition halbwegs auf der sicheren Seite. Schließlich stand ein drei Milliarden Euro umfassender, kreditfinanzierter Sonderfonds zur Verfügung, beschlossen von der Bürgerschaft. Aus diesem Topf sollten bis 2027 insbesondere klimarelevante Projekte bezahlt werden können. Doch dann schlug wie ein Blitz das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November ein.

Eigentlich auf den Bund abzielend, entzog der Richterspruch auch Bremen die rechtliche Grundlage für mehrjährige Kredittöpfe. Die grundsätzliche Möglichkeit, per Parlamentsbeschluss eine Notsituation zu erklären, damit die Schuldenbremse auszusetzen und so Kredite aufzunehmen, gibt es zwar auch weiterhin. Sie ist aber auf das jeweilige Haushaltsjahr begrenzt und muss präzise begründet sein.

An einer neuerlichen Aussetzung der Schuldenbremse wird Bremen angesichts der gewaltigen Herausforderungen 2024 kaum herumkommen. So sehen es inzwischen die tonangebenden Leute in der Koalition, auch wenn es öffentlich bisher kaum einer sagen mag. SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör war vor wenigen Wochen mit einer entsprechenden Ankündigung vorgeprescht. "Wir werden für 2024 erneut eine Notlage im Zeichen der Klimakrise erklären", kündigte er am 11. Dezember in einem Interview mit dem WESER-KURIER an.

Damit zog er sich allerdings den Unmut von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zu. Nicht, dass dieser wüsste, wie man all die anstehenden Aufgaben ohne neue Schulden stemmt. Doch es sollte nicht so aussehen, als seien die Würfel schon gefallen.

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Man darf nun gespannt sein, wie das Regierungsbündnis versucht, in den nächsten Monaten die Kurve zu kriegen. Es wird wohl eine Mischung aus neuerlicher Aussetzung der Schuldenbremse und unvermeidlichen Sparanstrengungen geben.

Spannungen zwischen den Bündnispartnern und Proteste von außen dürften nicht ausbleiben. Von dem Gedanken, kostenträchtige Projekte aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, hat man sich innerlich längst verabschiedet. Ein Koalitionär bringt es auf den Punkt: "Wenn das Haus kaputt ist, muss man sich über ein neues Sofa keine Gedanken machen."

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