Mit langsam sinkenden Pegelständen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beginnt eine Debatte darüber, ob der Katastrophen- und Hochwasserschutz in Deutschland ausreichend organisiert ist. Zuständig sind Länder und Kommunen.
In Bremen sei Hochwasser das Katastrophenschutzthema Nummer eins, sagt Karl-Heinz Knorr. Er hat jüngst das neue Referat „Katastrophen- und Zivilschutz“ beim Senator für Inneres übernommen. Um den Schutz der Bevölkerung zu verbessern, sollen ihm zufolge in Bremen wieder Sirenensysteme aufgebaut werden. Dafür habe der Bund 820.000 Euro zugesagt. Der Vorteil des lauten Tonsignals etwa gegenüber einer Warn-App sei eindeutig: Es lasse sich nicht wie ein Handy abschalten und weglegen.
Dass eine Evakuierung Bremens wegen Hochwassers nötig werden könnte, sieht Knorr nicht. Selbst wenn es zu einem Deichbruch – zuletzt war dies im März 1981 der Fall – kommen sollte, sei keine Sturzflut zu erwarten. Er gehe davon aus, dass nur eine Weserseite betroffen wäre, die andere wäre durch den Abfluss entlastet. „Demnach würden wir dann in das Stadtgebiet evakuieren, das nicht betroffen ist: nach Bremen-Nord, weil es hochwassergeschützt ist auf der Düne, oder auf die andere Stadtseite.“
Das Land Niedersachsen hat laut Umweltministerium 75,8 Millionen Euro zwischen 2017 und 2020 in den Hochwasserschutz investiert. Dafür wurden unter anderem Deiche, Dämme, Talsperren und Schöpfwerke erneuert, erweitert oder instandgesetzt. Auch in den Abriss von Deichen wurde Geld investiert, um Überschwemmungsgebiete zu schaffen.
„Der technische Hochwasserschutz befindet sich in Niedersachsen auf hohem Niveau“, teilt der niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz mit. Allerdings bleiben große Flutkatastrophen eine Herausforderung. „Wir sind davor nicht gefeit“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Allein auf der Elbe hat es in den 2000er-Jahren vier sogenannte Jahrhundert-Hochwasser gegeben. Weil kritisiert, dass sich Auf- und Ausbau von Infrastruktur immer wieder in langwierigen Verfahren „verhedderten“. Er fordert: „Der Bundesgesetzgeber muss in der nächsten Legislaturperiode zwingend klarstellen, dass bestimmte Belange Vorrang haben. Klimaschutz und der Schutz vor Hochwasser gehören unbedingt dazu.“
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) betont die Bedeutung von Prävention. „Die Ereignisse in NRW und im Südwesten Deutschlands zeigen, wie wichtig die Prognosefähigkeit ist. Die Frage, ob solche Gefahren früh genug erkannt werden können, kann am Ende über Menschenleben entscheiden.“ Dafür soll in Niedersachsen die Hochwasservorhersage-Zentrale sorgen. Sie wurde 2009 in Hildesheim eingerichtet. Einen Hochwasserwarndienst gibt es unter anderem für Weser, Aller und Leine.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte zu der Debatte um die Zuständigkeit von Ländern und Kommunen beim Katastrophenschutz im vom Hochwasser betroffenen Euskirchen: „Zentralismus verbessert gar nichts.“ Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster, sagte, dies sei nicht der richtige Zeitpunkt für Kritik: „Wir helfen jetzt.“
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hatte in einem "Spiegel"-Interview mehr Verantwortung für den Bund gefordert, da sich Notsituationen wie die aktuelle Flut oder Waldbrände häuften. Die englische Wissenschaftlerin Hannah Cloke, die am Aufbau des Europäisches Hochwasseraufklärungssystems beteiligt war, hatte kritisiert, dass die Hinweise aus diesem System vier Tage vor der Flut offenbar nicht bei der Bevölkerung angekommen seien.