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Bundesvergleich Ärzte kritisieren niedrige HPV-Impfquoten in Bremen

In Bremen sind besonders wenige Mädchen und Jungen gegen Humane Papillomviren (HPV) geimpft: Dabei schützt die Impfung vor bestimmten Krebserkrankungen im späteren Leben. Wie die Quote gesteigert werden soll.
07.08.2023, 17:00 Uhr
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Ärzte kritisieren niedrige HPV-Impfquoten in Bremen
Von Sabine Doll

Kinderärzte und Gynäkologen dringen darauf, die Quoten bei Impfungen gegen Humane Papillomviren (HPV) zu steigern. Die Impfung schützt insbesondere vor Gebärmutterhalskrebs, aber auch vor Penis- und Analkrebs sowie Mundhöhlen- und Rachenkrebs. Seit 2007 wird die HPV-Impfung Mädchen, seit 2018 auch Jungen empfohlen. Doch nur wenige Kinder und Jugendliche sind geimpft – Bremen schneidet besonders schlecht ab.

„Die Zahlen für Bremen sehen im nationalen und internationalen Vergleich wirklich nicht gut aus“, sagt der Sprecher der Kinder- und Jugendärzte in Bremen, Marco Heuerding. Laut aktuellen Ergebnissen des Robert Koch-Instituts (RKI) war im Jahr 2021 in Bremen knapp weniger als jedes zweite 15-jährige Mädchen vollständig geimpft (45,8 Prozent), ein schlechteres Ergebnis erzielte nur Baden-Württemberg mit 42,4 Prozent. Niedersachsen liegt mit einer Impfquote von 57,4 Prozent knapp unter dem Bundesschnitt (57,5 Prozent).

Noch schlechter sieht es bei den Jungen aus: Bundesweit ist etwas weniger als jeder dritte 15-Jährige (29,3 Prozent) vollständig gegen HPV geimpft. Schlusslichter sind ebenfalls Baden-Württemberg (18,8 Prozent) und Bremen, wo gerade einmal knapp jeder Fünfte (19,8 Prozent) geimpft ist. In Niedersachsen sind es 28,7 Prozent. Auffällig: Wie bei anderen Kinderimpfungen liegen die ostdeutschen Länder insgesamt deutlich über dem Schnitt.

„Dennoch ist die Lage in Deutschland insgesamt erschreckend“, sagt die Hannoveraner Gynäkologin Katrin Fronhoff. „Vor allem angesichts der Tatsache, dass wir hier tatsächlich eine Impfung haben, die vor bestimmten Krebserkrankungen schützt, das ist in Studien nachgewiesen.“ Die Ärztin sieht mehrere Ursachen: Zum einen gebe es offenbar immer noch eine verbreitete Skepsis gegenüber Impfungen. Hinzu komme ein Informationsdefizit, insbesondere, was Jungen betreffe. „Wenn ich Eltern oder Mütter als Patientinnen darauf anspreche, ob ihr Sohn geimpft ist, sind sie häufig erstaunt. Weil sie glauben, dass HPV nur etwas mit Mädchen und Frauen zu tun hat.“

In Deutschland erkranken jährlich laut RKI etwa 6250 Frauen und 1600 Männer an Krebs durch HPV. Den größten Anteil macht Gebärmutterhalskrebs mit jährlich 4500 Neuerkrankungen aus, pro Jahr sterben etwa 1500 Frauen daran. „Die Impfung senkt nicht nur deutlich das individuelle Risiko für eine spätere Erkrankung, sondern verhindert auch indirekt Infektionen bei zukünftigen Sexualpartnerinnen und -partnern“, teilt die Nationale Lenkungsgruppe Impfen mit.

HP-Viren gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Viren und sind weltweit verbreitet. Deshalb wird die zweifache Impfung im Alter von neun bis 14 Jahren empfohlen, vor dem ersten Sexualkontakt. Bei Nachholimpfungen ab einem Alter von 15 Jahren sind drei Impfungen erforderlich. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen.

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Experten verweisen auf Länder wie Portugal, Norwegen, Island, Schweden oder Großbritannien mit HPV-Impfquoten über 80 Prozent. „Diese Länder setzen vor allem auf nationale HPV-Impfprogramme, wobei auch Schulen für die Verbreitung von Informationen sowie für die tatsächliche Impfung genutzt wurden und werden“, sagte Julia Löffler, Wissenschaftlerin an der Berliner Charité, der Fachzeitschrift „Medical Tribune“. Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit, dem medizinische Fachgesellschaften angehören, hat im Juli Empfehlungen vorgestellt: Neben Impfprogrammen in Schulen und Aufklärungskampagnen schlagen die Experten ein Erinnerungssystem mit Einladungsschreiben vor. „EU-Länder mit hohen HPV-Impfraten von über 70 Prozent haben alle ein öffentliches Erinnerungssystem“, heißt es in dem Papier.

Jugendliche seien für die Kinder- und Jugendärzte im Allgemeinen schlechter erreichbar, sagt der Vorsitzende des Bremer Verbands. „Die Quote bei der Vorsorgeuntersuchung J1 im Alter von zwölf bis 13 Jahren liegt nur noch bei etwa 40 bis 50 Prozent, bei der U9 werden dagegen noch 95 Prozent der Kinder von den Eltern vorgestellt“, so Heuerding. Informationen in Schulen und soziale Medien seien wünschenswert, um Jugendliche zu überzeugen, ihren Arzt oder Ärztin zur Impfung aufzusuchen.

In Bremen bietet das Gesundheitsamt seit Längerem HPV-Impfungen an Schulen an, erklärt Behördensprecher Lukas Fuhrmann. Im vergangenen Schuljahr seien 1634 Impfungen vorgenommen worden. Eine breit angelegte Aufklärungs- und Impfkampagne könnte folgen: Bremen ist an einer RKI-Studie zur Steigerung der HPV-Impfquoten beteiligt. Darin sollen die Ursachen für die bundesweit niedrige Impfbereitschaft erforscht und gegengesteuert werden. Im Fokus sind laut einer Mitteilung etwa Schulungen von Ärzten und medizinischen Fachangestellten, um Eltern aufzuklären sowie die Einführung von Erinnerungssystemen.

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