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Justizvollzugsanstalt Bremen Internet für Gefangene

Gefangenen der Bremer Justizvollzugsanstalt soll während ihrer Haft der Zugang zum Internet ermöglicht werden. Grenzenloses Surfen wird aber nicht möglich sein. Vor allem eine beliebte Nutzung ist tabu.
19.09.2023, 05:00 Uhr
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Internet für Gefangene
Von Ralf Michel

„Internetzugang für alle Gefangenen“ lautet ein im Koalitionsvertrag festgelegtes Ziel. SPD, Grüne und Linke wollen, dass bei der Sanierung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen dafür in den Hafträumen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Gefahr, dass Gefangene damit künftig von der Zelle aus kriminellen Geschäften nachgehen oder Bilder aus der JVA posten, besteht laut Justizbehörde aber nicht. Es gehe um beschränkte und kontrollierte digitale Teilhabe im Sinne der Resozialisierung, „betreutes Surfen“ sozusagen. Wie das funktionieren könnte, zeigen mehrere Berliner Gefängnisse.

„Resozialisierung bedeutet heute selbstverständlich auch die Vermittlung digitaler Kompetenzen“, erläutert Elke Gundel, Pressesprecherin der Justizbehörde, den Vorstoß der Regierungskoalition. Im Grundsatz handele es sich dabei um eine notwendig zu beherrschende Kulturtechnik, vergleichbar mit einer abgeschlossenen Alphabetisierung oder dem Erlernen der deutschen Sprache. 

Bei der Nutzung des Internets durch Strafgefangene seien viele Anwendungsbereiche denkbar und wünschenswert, betont Gundel. Im Rahmen ihrer Entlassungsvorbereitung könnten Gefangene zum Beispiel die Stellenangebote des Jobcenters aufrufen. Vorstellbar sei auch, dass Gefangene in ihrem Haftraum lernen oder Qualifizierungsprogramme nutzen können. Dass Gefangene in ihrer freien Zeit E-Learning-Angebote nutzen, könnte entsprechend positiv honoriert werden.

Welche Internetseiten beziehungsweise Programme nach und nach tatsächlich zur Verfügung stehen werden, sei aber auch eine Frage der Abstimmung zwischen Bund und Ländern, um möglichst einheitliche Standards zu entwickeln, erklärt die Justizsprecherin. Für Bremens Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) könne die Stoßrichtung dabei aber nur lauten, möglichst viele Angebote zugänglich zu machen, „um das Instrument Internet im Sinne der Entwicklung individueller Kompetenzen der Gefangenen so optimal wie möglich einzusetzen“.

In Berlin schon seit 2022

Im Berliner Frauengefängnis Lichtenberg wurde der Internetzugang für Strafgefangene im Rahmen eines Pilotprojekts bereits im vergangenen Jahr eingerichtet. 70 Zellen erhielten einen Internetzugang, im offiziellen Behördendeutsch „Haftraummediensystem“ genannt. Für die damalige Justizsenatorin Lena Kreck (Die Linke) erfüllt dieses Projekt das Grundrecht auf Resozialisierung – der Internetzugang sollte die Gefangenen bei der Vorbereitung auf das Leben außerhalb der Gefängnismauern unterstützen. 

Das Angebot in Berlin beschränkt sich auf vordefinierte Dienste wie berufliche Bildungsangebote, Onlinebüchereien oder das digitale Antragssystem der Justiz. Soziale Medien oder Youtube sind tabu, Nachrichtenseiten dagegen erlaubt, ebenso bestimmte Spiele oder Rätsel wie Sudoku. Seit dem Start 2022 wurde das Projekt ausgeweitet, inzwischen gibt es in drei der sieben Berliner JVA Internet für Gefangene. 790 der insgesamt 3580 Insassen haben darauf Zugriff.

Digital statt analog

Ziel von Claudia Schilling ist es, alles das, was die Gefangenen derzeit unter „analogen“ Bedingungen an Kommunikationsmitteln nutzen können – Briefe, Telefonate, Fernseher –, im Rahmen von angeordneten Beschränkungen "zeitnah" auch in digitaler Form zu organisieren. Was unter "zeitnah" zu verstehen ist, muss sich zeigen. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass spätestens zum Ende der Legislaturperiode ein Plan vorliegen soll, "wie die bisherige klassische Haftraumtelefonie und TV-Versorgung in ein internetbasiertes, kundenfinanziertes Angebot" umgewandelt werden könnte.

Unabhängig davon testet Bremen bereits heute in begrenztem Rahmen den Einsatz von Informationsterminals für die Kommunikation innerhalb der JVA. So sollen Anträge zum Beispiel für die Anmeldung von Besuchen oder zum Sport auf diesem Wege erledigt werden können. Angestrebtes Ziel hierbei: irgendwann bei der internen schriftlichen Kommunikation zwischen Anstalt und Gefangenen komplett auf Papier verzichten zu können. 

E-Learning auch in Niedersachsen

In Niedersachsen wird Gefangenen außerhalb des Haftraums Internet durch die besonders gesicherte Plattform „elis“ (E-Learning im Strafvollzug) ermöglicht. Unter dieser Bezeichnung hat sich Niedersachsen in einem Verbund mit 13 Bundesländern zusammengeschlossen, zu dem auch Bremen gehört. Über diese Plattform können ausgewählte Webseiten und Programme zur überwachten Nutzung freigeschaltet werden, erläutert Verena Brinkmann, Pressesprecherin des Justizministeriums. „So ist zum Beispiel auch ein Studium an der Fernuniversität in Hagen möglich.“

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