Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Studie zu klimaschädlichen Subventionen "Man kann dem Umweltbundesamt dankbar sein"

André Heinemann ist Finanzwissenschaftler an der Uni Bremen und erklärt im Interview, warum ein sofortiger Abbau aller umweltschädlichen Subventionen nicht sinnvoll ist.
31.10.2021, 22:54 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Patricia Friedek

Herr Heinemann, die Bundesregierung veröffentlicht alle zwei Jahre den Subventionsbericht. Das Umweltbundesamt hat gerade eine Studie herausgebracht, der zufolge mindestens 65,4 Milliarden Euro im Jahr 2018 für klimaschädliche Subventionen ausgegeben wurden. Warum sind die Zahlen des Umweltbundesamtes so bemerkenswert?

André Heinemann: Zunächst einmal wäre es mir wichtig, den Begriff Subventionen in diesem Zusammenhang zu erläutern. Das Umweltbundesamt verwendet einen weiteren Begriff für Subventionen als beispielsweise die Bundesregierung. Daher kommt das Umweltbundesamt in seiner Studie auch auf eine höhere Summe. Der Begriff der Bundesregierung beinhaltet immer einen deutlichen Unternehmensbezug, das ist beim Umweltbundesamt nicht bei allen finanzpolitischen Aktivitäten der Fall, die es in seiner Studie berücksichtigt.

Lesen Sie auch

Nennen Sie ein Beispiel.

Bei der Pendlerpauschale (Entfernungspauschale) etwa, ist dieser Unternehmensbezug nicht direkt gegeben – sondern einfach nur die Berücksichtigung von Werbungskosten, die der Arbeitnehmer selbst absetzen kann. Das Umweltbundesamt hebt, meiner Meinung nach zurecht, den negativen Nebeneffekt hervor: Wir fördern damit das Pendeln und zwar auf eine nicht-klimaverträgliche Art und Weise. Und an diesem Beispiel wird deutlich, dass wir uns nach dem engen Subventionsbegriff der Bundesregierung nicht kritisch mit der Entfernungspauschale beschäftigen würden.

Warum ist die Studie noch wichtig?

Man kann dem Umweltbundesamt dankbar sein, dass es eine systematische Zusammenführung von vielen Tatbeständen vorgenommen hat – da findet sich der Verkehrsbereich, die Landwirtschaft, der Wohnungsbau. In Anlehnung daran kann man nun in der Diskussion ins Detail gehen, sei es in der Politik, der Wissenschaft, der Gesellschaft. Sodass man begreift: Das ist tatsächlich etwas, was wir angehen müssen. Vor Jahrzehnten konnte man diese Aktivitäten in der Finanzpolitik vielleicht noch gut begründen, vieles davon ist heute nicht mehr angesagt. Und durch die Studie haben wir sogar einigermaßen eine Quantifizierung, was eine Abschaffung bringen würde.

An welcher Stelle würden Sie die Studie des Umweltbundesamtes kritisieren?

Die ganzen Verbindungen, die die einzelnen Bereiche haben, greift das Umweltbundesamt noch nicht ausreichend auf. Man kann nicht alle Punkte isoliert voneinander betrachten. Deshalb sehe ich den Bericht als wirklich gute Arbeitsgrundlage, bei der man in jeden einzelnen Punkt hineingehen kann und aufgrund der Verknüpfungen entscheiden kann, ob es Sinn ergibt, diese jeweilige finanzpolitische Maßnahme zu beseitigen oder nicht.

Das Umweltbundesamt fordert einen klaren Umbau der Systeme. Sollten alle klimaschädlichen Subventionen abgebaut werden?

In § 12 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967 wird definiert, was Subventionen eigentlich sein sollen. Und dort heißt es auch, dass diese Bundesmittel so gewährt werden sollen, dass es dem Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht widerspricht. Sowohl die Gesellschaft als auch die Wissenschaft sind sich seit Jahren einig, dass Klima in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen sollte. Es wäre doch etwas für die neue Bundesregierung, im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in § 1 den Zusatz zu formulieren: "...und zum Klimaschutz beitragen". Dann wäre auch definiert, was in diesem Sinne eine Subvention ist, die eben nicht zum Klimaschutz beiträgt.

Lesen Sie auch

Was spricht dagegen, die Subventionen schnellstmöglich abzubauen?

Eine Grunderkenntnis der Finanzwissenschaft lautet: Subventionen sind schnell eingeführt, aber lassen sich sehr schwer wieder zurückfahren. Ist aber der politische Wille vorhanden, dann bekommen sie theoretisch ein Gesetzgebungsverfahren in ganz kurzer Zeit hin. Nur: Unternehmen und Haushalte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich über einen langen Zeitraum darauf eingestellt, etwa auf die Entfernungspauschale. Aber die neuen Anpassungen, die Sie bewirken wollen, die kriegen Sie nicht so schnell hin. Damit auch die Menschen draußen mitziehen und sich anpassen können, sollte die neue Bundesregierung schnellstmöglich verbindliche Zeitpläne für den Umbau und sinnvolle Kompensationskonzepte entwickeln, die über die Legislaturperiode hinausblicken.

Zur Person

André Heinemann ist im März 2013 auf die Professur "Bundesstaatliche und regionale Finanzbeziehungen" berufen worden und leitet gleichzeitig die Abteilung Regionalentwicklung und Finanzpolitik am Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)