Fast jedes zweite Grundschulkind im Land Bremen hat einen Sprachförderbedarf. Zu diesem Schluss kommt das Bremer Schulqualitäts-Institut IQHB, das die Ergebnisse der Primo-Sprachtests bei Erstklässlern ausgewertet hat. In der Stadt Bremen wurden bei 43,5 Prozent der Erstklässler Sprachprobleme im Deutschen festgestellt, in Bremerhaven lag ihr Anteil bei 44,5 Prozent. Die Kinder wurden im Herbst 2023 getestet. In Bremen sollen möglichst alle Kinder zweimal einen Sprachtest machen: zunächst ein Jahr vor der Einschulung und dann in der ersten Klasse.
„Die Sprache ist grundlegend für die Zukunft der Kinder“, sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). „Ob Kita-Brückenjahr, ob Willkommensschule oder Vorklasse – die Wege sind unterschiedlich, das Ziel einer möglichst frühen und verbindlichen Sprachförderung bleibt gleich.“ Bremen müsse angesichts der Herausforderungen „alle Wege nutzen, den Kindern eine gute Grundlage zu geben“. In Bremen sollen seit 2022 alle Kinder, bei denen im Vorschultest Sprachförderbedarf festgestellt wird, in die Kita gehen. Das soll die Sprache fördern.
Sprachförderung wirkt nur bedingt
Doch die bisherigen Sprachfördermaßnahmen wirken nur bedingt, stellte das IQHB bereits in einem Bericht im Januar fest: Knapp zwei Drittel der Kinder, die im Vorschultest Sprachförderbedarf hatten, hätten auch in der ersten Klasse einen nicht altersadäquaten Sprachstand.
Das Qualitätsinstitut verweist in seiner aktuellen Auswertung auch auf die Zuwanderung: 51 Prozent der Erstklässler in der Stadt hätten derzeit eine andere Herkunftssprache als Deutsch. 2013 lag der Anteil noch bei 37 Prozent.
Zu beachten sei auch, dass jetzt an einigen Schulen in gut situierten Stadtgebieten (Sozialindikator 2) überdurchschnittliche Sprachförderquoten vorkämen. Jeder Bremer Schule wird ein Sozialindikator von 1 bis 5 zugeordnet. Wohlhabende Stadtteile wie Oberneuland oder die Östliche Vorstadt haben den Indikator 1, ärmere Gebiete wie Gröpelingen oder Huchting Indikator 5. In den Zahlen des IQHB zeigt sich, dass auch in mittleren Gebieten (Sozialindikator 3) die meisten Schulen Förderquoten von mehr als 40 Prozent haben.
CDU: Nicht nur Migrationsfamilien betroffen
„Es ist tatsächlich so, dass unser System an dieser Stelle zu kippen droht, wenn man da nicht endlich handelt“, sagt CDU-Bildungspolitikerin Yvonne Averwerser. „Wir haben es jetzt nicht nur mit Migrationsfamilien zu tun, bei denen wir Sprachförderbedarf haben.“ Betroffen seien auch Kinder aus nicht zugewanderten Familien in bürgerlichen Quartieren. „Das hat sicherlich etwas mit der starken Nutzung digitaler Medien zu tun, und sicher auch damit, inwiefern Eltern bereit sind, ihren Kindern etwas vorzulesen.“
Die Bildungsbehörde verweist auch auf ein neues Sprachförderformat. Seit einem Jahr gebe es nun an fünf Schulen und im Gröpelinger Kita-Einstiegshaus sogenannte Einstiegskurse für jeweils bis zu zehn Kinder, sagt Behördensprecherin Patricia Brandt. Die Kurse sollen eine spielerische Sprachförderung bieten und sind zum Beispiel für Kinder gedacht, die keinen Kitaplatz bekommen haben. Der Standort Grundschule habe sich „als sehr gewinnbringend herausgestellt“, so die Sprecherin. Den teilnehmenden Kindern falle der Schulstart deutlich leichter, da sie an die Schulstrukturen bereits gewöhnt seien.