Kleidung, Bücher, Kosmetik – immer mehr Menschen bestellen Waren im Internet. Schon jetzt liefern Boten in Deutschland jährlich mehr als 3,5 Milliarden Pakete aus – Tendenz steigend. Bis 2022 rechnet die Branche mit 4,3 Milliarden Sendungen im Jahr, 40 000 zusätzliche Fahrer dürfte die Branche dafür brauchen. Aber die Zustelldienste finden schon jetzt kaum noch Fahrer, auch weil die Löhne oft gering und die Arbeitsbedingungen hart sind. Nun hat sich die Große Koalition auf einen Gesetzesplan geeinigt, der Paketboten vor Ausbeutung schützen soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum sind Paketboten von Ausbeutung bedroht?
Große Versandunternehmen arbeiten nicht nur mit eigenen Zustellern. Sie lassen einen Teil ihrer Pakete oder sogar alle von Zustellern ausliefern, die bei Subunternehmen angestellt sind. Und die stehen in der Kritik, teils schlecht zu bezahlen oder gegen das Arbeitsrecht zu verstoßen, etwa indem sie keine Sozialabgaben zahlen. Das betrifft nach Gewerkschaftsangaben vor allem Fahrer aus dem Ausland – etwa Ukrainer oder Weißrussen.
Was soll sich durch das geplante Gesetz für die Fahrer ändern?
Das Gesetz soll Versandunternehmen verpflichten, Sozialbeiträge an die Paketboten nachzuzahlen, wenn der Subunternehmer es nicht macht. Es greift bei Gesetzesverstößen. Nachunternehmerhaftung heißt das im Fachjargon. Die gibt es schon in der Bau- und Fleischbranche. Damit sorge die Koalition „für Beitragsehrlichkeit, die soziale Absicherung aller Paketzusteller und zugleich für einen fairen Wettbewerb“, heißt es in einem Papier.
Was ändert sich damit für die Unternehmen?
Die großen Lieferunternehmen müssen dann kontrollieren, ob ihre Subunternehmer die gesetzlichen Bedingungen einhalten. Das bedeutet einen höheren bürokratischen Aufwand. Umgehen können die Unternehmen die Haftung nur, wenn ihre Subunternehmen vorab besonders geprüft sind.
Nicht alle Paketdienste setzen auf Subunternehmer: Marktführer DHL lässt nach eigenen Angaben 98 Prozent seiner Pakete durch eigene Zusteller ausliefern, auch UPS beschäftigt viele eigene Boten. DPD hingegen beschäftigt gar keine eigenen Zusteller, alle sind bei Subunternehmern beschäftigt.
Ein DPD-Sprecher erwartet praktisch ausschließlich formale Änderungen, also andere Nachweise, Vertragsklauseln oder Kontrollen. Denn die Gesetzesverstöße, mit denen das Gesetz begründet werde, gebe es bei den Vertragspartnern von DPD ohnehin nicht, sagte der Sprecher.
Sind die Arbeitsbedingungen der Paketboten wirklich so schlecht?
„Es gibt erhebliche Belege für massiven Missbrauch, also Schwarzgeldzahlungen und Sozialversicherungsbetrug durch Subunternehmer-Konstruktionen“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der die Gesetzespläne angeregt hatte. Laut Verdi-Chef Frank Bsirske werden Stundenlöhne von 4,50 Euro oder sechs Euro gezahlt bei Arbeitszeiten von zwölf oder sogar 16 Stunden pro Tag. Tatsächlich gab es nach einer Zoll-Razzia Anfang Februar Hinweise, dass jeder sechste Arbeitsplatz mindestens fragwürdig ist. Außerdem ist das mittlere Bruttomonatsentgelt der Zusteller in den vergangenen zehn Jahren um 13,3 Prozent auf 2478 Euro gesunken.
Was sagen die Paketdienste?
Sie weisen den Vorwurf zurück, die Löhne durch den Einsatz der Subunternehmer bewusst zu drücken. Der Branchenverband BIEK erklärte, die Unternehmen verpflichteten ihre Vertragspartner zur Zahlung des Mindestlohns und zur Aufzeichnung der Arbeitszeit. Im Gegensatz zu Verdi sieht er die Zoll-Razzia aus dem Februar als Beleg dafür, wie gut es läuft: 13 000 Fahrer seien kontrolliert worden, nur bei einem sehr kleinen Teil seien Verfahren eröffnet worden.
„Jeder Verstoß ist einer zu viel – jedoch sollte bei einem Anteil von 0,2 Prozent der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden“, heißt es in einer Stellungnahme. Hinter den Plänen stehe ein „Generalverdacht“ gegen die gesamte Branche. Positiver reagiert Hermes: Das Unternehmen begrüßt das Ziel des Gesetzes und behauptet, die Subunternehmen, mit denen man arbeite, schon seit 2012 zu kontrollieren.
Werden Pakete bald teurer?
Ja. Aber das liegt nicht an den neuen Gesetzesplänen. Mit teureren Paketen müssten Verbraucher ohnehin rechnen, sagen DPD und Hermes. Ein Grund: die gestiegenen Kosten beim Paketversand.