Die Bremer Glocke hat etliche Pfunde, mit denen sie wuchern kann. Allen voran ist das der große Konzertsaal mit seiner allseits gerühmten Akustik. Die Inneneinrichtung im Art-Déco-Stil hat ebenfalls ihre Reize. Und dann ist da noch die Verkehrsanbindung – besser geht es nicht direkt am Knotenpunkt Domsheide. Das bringt zwar Nachteile durch den Lärm der Straßenbahnen und die Erschütterungen. Mit den neuen Flüstergleisen, die angekündigt sind, dürfte das aber deutlich besser werden.
Die Voraussetzungen sind also einmalig gut – und doch muss dringend etwas getan werden, um das Konzerthaus in die neue Zeit zu führen. Baulich, technisch und inhaltlich. So wie bisher geht es einfach nicht weiter. Wer Gelegenheit hat, sich hinter den Kulissen umzusehen, wird das sofort bestätigen. Die Verhältnisse sind für das Hauspersonal und die Künstlerinnen und Künstler eine Zumutung. Treffend ausgedrückt hat das ein Behördenvertreter: auf der Bühne Champions League, dahinter Kreisliga.
Mehr Offenheit und Vielfalt
Gut deshalb, wenn der Senat am Dienstag die Sanierung auf den Weg bringt. Richtig, dass er vorsichtig ist und abwarten will, was sich im Laufe der Planung als möglich erweist und was im Reich der Wünsche bleiben muss. Gleichzeitig sollte aber auch eine gehörige Portion Mut dabei sein. Die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder, der Glocke sozusagen einen anderen Klang zu entlocken. Sie nicht nur zu modernisieren, sondern auch zu programmieren – hin zu mehr Offenheit bei der Kunst- und Kulturvermittlung, zu mehr Vielfalt bei Angebot und Publikum. Das große Haus an der Domsheide soll nicht nur am Abend erstrahlen, wenn herausragende Orchester auftreten, sondern möglichst den ganzen Tag über ein attraktiver und spannender Ort sein.
Dass viel dafür spricht, bei dem Projekt nicht zu klein zu denken, hat auch mit Geld zu tun. Der Bund winkt für das geplante Musikzentrum mit 40 Millionen Euro. Den vollen Betrag bekommt Bremen aber nur, wenn es die gleiche Summe aufbringt. Aus dem öffentlichen Haushalt wird das sicher nicht zu stemmen sein. Der Senat spekuliert auf Sponsoren, und er liegt nicht falsch damit. Die Stadt hat in der Vergangenheit immer wieder Mäzene gefunden. Ein Einsatz, der sich für die Glocke mindestens genauso lohnen würde.