Müssen Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Altersarmut fürchten? Dieser Gedanke scheint zumindest einige von ihnen umzutreiben, sonst stünde das Thema Altersversorgung an diesem Freitag nicht auf der Tagesordnung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses (VGO) des Parlaments. In den Reihen der Parlamentarier sorgt man sich um die Erträge der kapitalgedeckten Alterssicherung, die die Bürgerschaft 2011 aus freien Stücken beschlossen hatte.
Damals wurde die Gesamtvergütung für die Abgeordnetentätigkeit neu geordnet. Um für mehr Transparenz zu sorgen, fasste man die Grunddiäten und verschiedene Pauschalen zu einer einheitlichen monatlichen Gesamtentschädigung zusammen. Sie ist steuerpflichtig und beträgt derzeit 5698,45 Euro. Separat wird ein zweckgebundener Betrag gezahlt. Er fließt in eine kapitalgedeckte Rentenversicherung, aktuell sind es 932,54 Euro. Das Problem: Parallel zur Reform setzte am Kapitalmarkt eine lang anhaltende Niedrigzinsphase ein. Die Rentenprodukte der privatwirtschaftlichen Anbieter warfen also wenig Ertrag ab. Für vier Jahre Mitgliedschaft im Parlament entstehen derzeit Rentenanwartschaften von etwa 120 bis 130 Euro – zu wenig, wie manche Abgeordnete meinen.
Es bahnt sich deshalb eine neuerliche Reform an. Diskussionsgrundlage ist ein Gutachten, das die Bürgerschaftskanzlei bei dem Staatsrechtler Philipp Austermann in Auftrag gegeben hatte. Er schlägt eine Rückkehr zum beamtenrechtsähnlichen Pensionssystem vor, wie es vor 2011 bestand. Auf Grundlage seiner Empfehlungen wäre nach zwölf Jahren ein Anspruch von knapp einem Viertel der monatlichen Diäten erreicht. Legt man deren aktuelle Höhe zugrunde, betrüge der Versorgungsanspruch im Alter 1367,62 Euro.
Das ist natürlich eine ganz andere Hausnummer. Und es wäre – ganz nebenbei – ein höherer Ruhegeldanspruch, als ihn ein normaler Rentner (West) mit seinem kompletten Arbeitsleben erwirbt. Dessen Durchschnittsbezüge liegen derzeit bei 1212 Euro monatlich. Bei Frauen sind es nur 737 Euro.
Auf ein solches Niveau, das tatsächlich Altersarmut bedeutet, rutscht ein Bremer Abgeordneter allerdings auch bei der gegenwärtigen Regelung nicht ab. Denn die Bürgerschaft versteht sich ja ausdrücklich als Halbtagsparlament. Die Mandatsträger sind gehalten, weiterhin einen Beruf auszuüben. Rechnet man deshalb auf die 120 bis 130 Euro Rentenanspruch pro Wahlperiode noch mal den gleichen Betrag drauf und unterstellt vier Jahrzehnte Lebensarbeitszeit, dann kommt man auf rund 2500 Euro Rente pro Monat. Mit solchen Altersbezügen muss man wahrlich nicht bei der Tafel anstehen.
Wenn trotzdem über einen neuerlichen Systemwechsel bei der Alterssicherung nachgedacht wird, zeigt das nur, wie ausgeprägt das Anspruchsdenken bei einigen Akteuren in den Fraktionen ist. Ignoriert wird zudem, dass Millionen von Arbeitnehmern, die berufsständische Zusatzversicherungen fürs Alter abgeschlossen haben, in den vergangenen Jahren ebenfalls der Zinsflaute am Kapitalmarkt ausgesetzt waren. Die Erträge werden auch dort niedriger ausfallen, als ursprünglich erwartet. Einfach aussteigen können die Betroffenen aber nicht.
Irgendwie passen die Reformpläne für die Alterssicherung der Abgeordneten zur Selbstbedienungsmentalität, die Teile des Bremer Politikbetriebs erfasst hat. Es stört dort kaum jemanden, dass die Kosten des Parlaments in den vergangenen fünf Jahren sehr viel stärker gestiegen sind als das Haushaltsvolumen des Stadtstaates. Man vermehrte das Personal, gönnte sich drei zusätzliche Mandate, entschloss sich zur Anmietung eines weiteren Bürokomplexes und erhöhte die Fraktionsmittel Mitte 2023 mal eben um 15 Prozent. Das hat Folgen. Gab die Bürgerschaft für Personal, Sachkosten und Investitionen 2019 noch insgesamt etwa 24,2 Millionen Euro aus, so werden es in diesem Jahr voraussichtlich 34,3 Millionen sein. Ein Plus von mehr als 40 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Wer das für angemessen hält, glaubt wahrscheinlich auch, sich endlich vor bitterer Not im Alter schützen zu müssen.