Wenn es darum geht, die Lage am Bremer Hauptbahnhof und die zuletzt ausufernde Straßenkriminalität besser in den Griff zu bekommen, ist Ulrich Mäurer (SPD) verhalten optimistisch. Er setzt dabei auf das neue, Anfang Oktober in Kraft tretende Gesetz, das Alkohol- und Drogenkonsum an den Haltestellen verbietet, und der Polizei damit insbesondere im Bereich des Hauptbahnhofes bessere Handhabe zum Einschreiten bietet. Und er setzt auf die neu gegründete "Sonderkommission junge Räuber" der Polizei, die ihren Fokus auf Kinder, Jugendliche und Heranwachsende richtet, die zuletzt für einen sprunghaften Anstieg der Zahl der Raubüberfälle sorgten.
Gänzlich desillusioniert zeigte sich Bremens Innensenator dagegen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zur Sicherheitslage in der Innenstadt, was die Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern angeht. Hier könne Bremen nur auf ein Abkommen der Bundesregierung mit den entsprechenden Heimatländern der Täter setzen. Seine Hoffnung in dieser Hinsicht sei aber "bei nahezu null". Über dieses Thema werde seit Jahren geredet, doch als Ergebnis stünde kaum etwas zu Buche, das über heiße Luft hinausginge. Was Bremen tun könne und worauf man sich weiterhin bei der Polizei konzentrieren werde, sei, die Täter mit Haftbefehlen zumindest von der Straße zu bekommen.
Ein Beispiel aus der Praxis belegt, was Mäurer meint: Dass viele Drogenhändler am Hauptbahnhof aus Guinea stammen, ist lange bekannt. Die Polizei führt hierzu eine Liste mit rund 60 Namen. Es dürfte inzwischen aus dieser Gruppe keine Wohnung mehr geben, die die Polizei nicht durchsucht hat, so Mäurer. Und dabei seien auch durchaus Drogen gefunden worden. Aber keine Ausweispapiere – die entscheidende Hürde für eine Abschiebung. Die Drogendealer werden festgenommen, doch zu glauben, dass sie deshalb auch das Land verlassen, sei eine Illusion. Es habe zahlreiche Versuche gegeben, doch abgeschoben habe man letztlich nur zwei der straffällig gewordenen Männer aus Guinea. Mäurers ernüchterndes Fazit: Solange am System insgesamt nichts geändert wird, gelte: "Wer einmal hier ist, hat hohe Chancen zu bleiben."
Im Zentrum der Pressekonferenz am Mittwoch stand allerdings nicht der Drogenhandel, sondern der sprunghafte Anstieg der Raubüberfälle im Bereich Bremen-Mitte und im Viertel. 91 Delikte waren es 2020, ein Jahr später 119 und 167 im vergangenen Jahr, berichtete Petra van Anken, Chefin der Kriminalpolizei. In diesem Jahr waren es bis zum 25. September bereits 172 Taten. 49 davon wurden laut van Anken aufgeklärt, 55 Tatverdächtige konnten ermittelt werden, davon waren 60 Prozent Kinder, Jugendliche und Heranwachsende.
Räuber immer häufiger gewalttätig
Auffallend seien Veränderungen im Verhalten der Täter. Die würden zuletzt nicht mehr einzeln, sondern meist in Gruppen von zwei bis sechs Personen auftreten, und zunehmend auch gewalttätig auftreten, selbst wenn die Opfer sich nicht wehrten. Um hiergegen effektiver vorgehen zu können, bildet die Polizei eine "Sonderkommission junge Räuber". Ein Zusammenschluss von Ermittlungseinheiten, Spezialisten und operativen Kräften unter ständiger Einbindung der Jugendkoordinatorin, erläuterte Polizeipräsident Dirk Fasse. Aus durchschnittlich 25 Mitarbeitenden soll die Sondergruppe bestehen. Anlassbezogen könne sie sogar bis auf 40 Kräfte aufwachsen. Seine Behörde stehe für "qualifizierte Festnahmen", was dann mit den Tätern geschehe, liege nicht in der Hand der Polizei, nahm Fasse den Faden des Innensenators auf. "Abschiebung ist sicher ein Pferd, auf das man setzen muss, aber die Zügel hierfür haben andere in der Hand."
Der Anstieg der Raubüberfälle spiele sich vor dem Hintergrund insgesamt "explodierender Einsatzzahlen" ab, erläuterte Fasse. Für Mai und Juni standen rund 10.000 über den Notruf 110 ausgelöste Einsätze zu Buche. Schon dies sei ein nie da gewesener Rekordwert. Im Juni waren es dann 11.000, im August 12.000 Einsätze.
Zum Geschehen am Hauptbahnhof gab der stellvertretende Leiter der Direktion Einsatz, Andreas Löwe, einen Überblick, indem er die Aktivitäten der seit November 2022 bestehenden Sondereinheit "Quartier" der Polizei auflistete (Artikel unten). Sein Fazit angesichts 1389 sogenannter Schwerpunktmaßnahmen: "Die Situation hat sich gebessert, zufrieden sind wir trotzdem nicht."
Auch Innensenator Mäurer meint, am Hauptbahnhof dank des umfangreichen Polizeieinsatzes "unübersehbar gewisse Fortschritte" erreicht zu haben, auch wenn die Situation dort trotzdem keineswegs gut sei. Er schob den Ball dann aber ins Feld der Ressorts für Soziales und Gesundheit: Bremen habe nach wie vor erhebliche Defizite, was die Alternativen für Drogen- und Alkoholabhängige angehe. "Hier müssen mehr Angebote gemacht werden. Sonst haben wir nur mehr Verdrängung, aber keine Lösungen."