Die geplante Verbotszone für Alkohol- und Drogenkonsum im Bereich des Hauptbahnhofs soll rasch kommen. Die Innenbehörde hat ihre entsprechenden Vorstellungen konkretisiert, die Bürgerschaft könnte die Regelung bereits in der kommenden Woche beschließen. Das ist zumindest das Ziel von Senator Ulrich Mäurer (SPD). Ihm geht es darum, Verwahrlosung, Gewalt und Kleinkriminalität rund um die zentrale Verkehrsdrehscheibe weiter zurückzudrängen – nicht nur, aber auch mit ordnungsrechtlichen Mitteln.
An entsprechenden Versuchen hat es in der Vergangenheit nicht gemangelt. So wurde mit dem 2018 beschlossenen "Sicherheitsprogramm Bremer Hauptbahnhof" eine flächendeckende Videoüberwachung eingeführt. Landes- und Bundespolizei bezogen eine gemeinsame Wache, am Gustav-Deetjen-Tunnel entstand ein "Szenetreff". Inzwischen existieren an der Friedrich-Rauers-Straße auch ein Drogenkonsumraum, der vor allem von Crack-Süchtigen aufgesucht wird, und eine Aufenthaltsfläche.
Durchgreifend gebessert hat sich die Situation im Bahnhofsumfeld allerdings nicht. In einer Senatsvorlage zu dem Gesetz, das die Verbotszone in Kraft setzen soll, werden die Missstände unverblümt beschrieben. So mieden manche Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs die Straßenbahn- und Bushaltestelle am City-Gate, und manche Fahrer der BSAG weigerten sich, ihren Dienst dort zu beginnen oder zu beenden, heißt es darin. Mehr noch: Reinigungskräfte, die an den Haltestellen aufräumen, verlangten Polizeischutz, weil sie von Alkohol- oder Drogenabhängigen beleidigt oder attackiert würden. Auch bitten laut Innenressort immer wieder Gewerbetreibende und andere Bahnhofsanrainer um Hilfe, weil vor und sogar in ihren Immobilien Drogen konsumiert werden. Auch die Hinterlassenschaften der Süchtigen sorgen für Ärger. Die Misere habe "ein nicht hinnehmbares Ausmaß angenommen", heißt es wörtlich in dem Papier aus dem Innenressort.
Alkohol- und Drogenverbot am Bahnhof soll auch Dealer vertreiben
Mit dem Alkohol- und Drogenverbot für das Bahnhofsumfeld soll nun gegengesteuert werden. In der Innenbehörde ist man überzeugt: "Wenn sich dort weniger betäubungsmittelkonsumierende Personen aufhalten, wird der Bereich auch für Betäubungsmittelhändlerinnen und -händler (auch Kleinsthandel) unattraktiv." Anders als in Hamburg, wo bald ein Alkohol- und Drogenverbot für größere zusammenhängende Flächen rund um den Hauptbahnhof gelten soll, wird es in Bremen indes eher einen Flickenteppich geben. Der Geltungsbereich des Gesetzes wird mehrere Haltestellen sowie das "unmittelbare Umfeld der Ein- und Ausgänge, Treppen sowie sonstigen Funktionsbereiche des öffentlichen Personenverkehrs" umfassen. Aber welche Ausdehnung hat dieses "unmittelbare Umfeld"? Und weshalb schließt das Konsumverbot beispielsweise nicht den Grünbereich vor dem Überseemuseum ein, wo sich viele Süchtige tummeln? Auch bei der Durchsetzung des Gesetzes stellen sich noch Fragen. Ein Praktiker, mit dem der WESER-KURIER sprach, machte auf Massenveranstaltungen wie Werder-Heimspiele aufmerksam. Das Gesetz biete zwar eine geeignete Handhabe für den Umgang mit einzelnen Süchtigen. Doch wie solle die Polizei reagieren, wenn der Bahnhofsvorplatz gesteckt voll ist mit Fußballfans, die Bier trinken?
Es gibt also durchaus noch Klärungsbedarf im Detail. Senatssprecher Christian Dohle geht gleichwohl davon aus, dass die offenen Punkte in den nächsten Tagen ausgeräumt werden. Einem Bürgerschaftsbeschluss in der kommenden Woche "steht damit dann nichts im Wege", so Dohle.
Ulrich Mäurer ist sich darüber im Klaren, dass man allein mit Repression die Situation am Hauptbahnhof nicht in den Griff bekommen wird. Das Gesetz könne nur "Baustein einer Gesamtstrategie" sein, heißt es in der Senatsvorlage aus seinem Haus. In einem vertraulichen Schreiben an die Ressorts für Umwelt, Bau, Gesundheit und Soziales bittet der Innensenator deshalb um Unterstützung. Ordnungsrechtliche Maßnahmen allein beendeten keine Suchtkarrieren, macht Mäurer in seinem Brief deutlich. Es bedürfe daher eines abgestimmten Konzepts, das ambulante Hilfen in Einrichtungen vorsieht, die rund um die Uhr geöffnet sind – allerdings nur für in Bremen gemeldete Personen. Mit einer solchen Eingrenzung auf vor Ort gemeldete Personen hat man bei der Suchthilfe in Zürich offenbar gute Erfahrungen gemacht. Mäurer fordert in seinem Brief auch verstärkte Anstrengungen im Kampf gegen Obdachlosigkeit. Sie verstärke die Probleme Alkohol- und Drogenabhängiger zusätzlich.
In dem Schreiben wird zugleich eingeräumt, dass das verschärfte Vorgehen gegen die Szene am Hauptbahnhof Konsequenzen für andere Stadtteile hat. Denn klar ist: Sie löst sich durch räumlich begrenzte Konsumverbote nicht auf, sondern verlagert sich. Gezeigt hat sich das zuletzt etwa am Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt und im Umfeld des Vegesacker Szenetreffs am Aumunder Heerweg. Auch in den Stadtteilen müsse es deshalb dezentrale Hilfsangebote geben, ist Mäurer überzeugt.