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Leitbild Schwammstadt Wie sich Bremen besser gegen Starkregen und Hitze wappnen will

Bei Starkregen gibt es zu viel davon, in Hitzeperioden zu wenig: Wasser. Bremen will die Stadt klimasicherer machen. Ein neues Leitbild soll festlegen, wie das geht – und was künftig nicht mehr möglich ist.
30.05.2024, 05:00 Uhr
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Wie sich Bremen besser gegen Starkregen und Hitze wappnen will
Von Marc Hagedorn

Kaum Grün an diesem Ort. Ein paar Bäume, das ja, aber sonst? Kein Hochbeet, nicht mal ein Blumentopf. Stattdessen Asphalt und Beton, Stahl und Stein. Wenn es regnet, versickern hier nur wenige Tropfen, die vom Himmel fallen, im Erdreich. Stattdessen muss die Kanalisation jeden einzelnen Liter Niederschlag schlucken, der an der Haltestelle Gröpelingen am BSAG-Depot fällt.

Jetzt liegt es in der Natur der Sache, dass dort, wo vier Bahn- und acht Buslinien zusammenlaufen, wo auch noch zwei Regionalbus- und zwei Nachtlinien verkehren, dass dort, wo jeden Tag 24.000 Fahrgäste aus- und einsteigen, Funktionalität die Hauptrolle spielt. Aber müssen zwangsläufig 3200 Quadratmeter Asphaltfahrbahn, 200 Meter Betonfahrbahn und 7500 Quadratmeter Fuß- und Radweg im Umfeld des Depots den Boden versiegeln? Erst aus der Vogelperspektive lässt sich erkennen, dass die Dächer auf der Werkstatt, dem Parkdeck und dem angegliederten Polizeigebäude begrünt sind. Aber reicht das?

Ralph Saxe hat so seine Zweifel. „Wir müssen uns vermehrt auf Stürme, Hitze und Starkregen einstellen“, sagt der umweltpolitische Sprecher der Grünen. Deshalb will sich Bremen besser als bisher dagegen wappnen. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und den Linken heißt es: „Wir wollen Bremen zu einer ,Schwammstadt‘ machen, die auch bei Starkregenereignissen Wasser aufnehmen und zurückhalten und in trockenen Phasen wieder abgeben kann.“ Ein Antrag der Regierungskoalition, ein Leitbild Schwammstadt zu entwickeln, soll jetzt für mehr Tempo bei der Umsetzung sorgen.

Bremen muss beim Bauen Prinzipien der Schwammstadt mitdenken

„Das wird kein Leitbild für den Aktenschrank“, sagt Bithja Menzel, bau- und stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen. Konkret bedeutet das nämlich: Überall dort, wo in Bremen gebaut und erneuert wird, beim Straßenbau, beim Kanalbau, aber auch bei allen anderen Bauvorhaben sollen künftig die Prinzipien der Schwammstadt zur Anwendung kommen.

An eigenen Stellen ist dies schon geschehen. Im Klimaquartier Ellener Hof zum Beispiel ist der Großteil des alten Baumbestandes erhalten geblieben, weil man von Anfang an mit dem bestehenden Grün geplant hatte. Beispiel Tabakquartier. Dort zieht sich eine Parkanlage als „Grüne Mitte“ auf 20.000 Quadratmetern durch das Gelände, auch hier wurden Bestandsbäume in die Planungen integriert.

An anderer Stelle ist das weniger gut gelungen, und das hatte zuletzt Anlass zur Selbstkritik auch bei den Grünen gegeben, die seit 17 Jahren Regierungsverantwortung tragen. „Architektonisch ist der neue Busbahnhof durchaus gelungen“, sagt Saxe, aber dass die versiegelte Fläche am Ende so gut wie gar keinen Platz für Grün ließ, gefällt ihm heute nicht mehr. Oder die Fahrradroute am Wall. „Finde ich natürlich super, aber die Grüngestaltung ist nicht mitgedacht. Das darf uns nicht mehr passieren.“

Zumal an anderer Stelle die Regeln verschärft worden sind. Das neue Ortsgesetz zur Begrünung sieht beispielsweise vor, dass Schottergärten bis 2026 wieder entsiegelt und begrünt werden müssen. Die Neufassung verpflichtet Eigentümer außerdem, Dachflächen ab einer Größe von 50 Quadratmetern bei Neubauten zu begrünen.

Das Umweltressort arbeitet schon länger an einem Gesamtkonzept Schwammstadt, das bis Mitte 2026 vorliegen soll. Es geht dabei um ein Zusammenspiel vieler Beteiligter. Welche Flächen in der Stadt eignen sich zum Entsiegeln und Begrünen? Wie werden Kaltluftschneisen freigehalten? Wo lassen sich Rasengitter anlegen, in welchen Wohngebieten Wassertankstellen einrichten? Welche Materialien heizen sich weniger stark auf als aktuell verwendete? Das Amt für Straßen und Verkehr zum Beispiel oder Stadtgrün, Gewoba oder Brebau sind gefragte Akteure.

„Auch wir werden und wollen bei dem Thema Schwammstadt eine Rolle spielen“, sagt Florian Franz, Geschäftsführer von Hansewasser, das sich in der Stadt um die Abwasserentsorgung kümmert. Eine große Aufgabe ist es, Regen- und brauchbares Abwasser zu speichern, um es dann verfügbar zu machen, wenn es benötigt wird. „Wir scannen Bremen“, sagt Franz, „wir schauen, wo wir bestehende Infrastruktur umnutzen können, zum Beispiel als Zisterne.“ In Findorff hat Hansewasser einen großen Abwasserkanal vom Netz abgekoppelt und nutzt ihn jetzt als Speicher zum Einsparen von Trinkwasser für die Kanalreinigung. Unter dem Firmengelände in der Überseestadt verläuft ein System aus unterirdischen Zisternen und Schächten.

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Die Holländer machen es vor

Eine Idee, die Umweltpolitiker Saxe besonders gut gefällt, weil sie zeigt, wie jeder im Kleinen seinen Beitrag leisten kann, kommt aus den Niederlanden. Dort gibt es seit 2020 einen Entsiegelungswettbewerb, das sogenannte Tegelwippen. Jedes Jahr zwischen März und Oktober versuchen Gemeinden und Städte im ganzen Land möglichst viele Pflastersteine und Fliesen durch Grünflächen zu ersetzen. Der Sieger bekommt die „Goldene Fliese“. Laut Organisatoren sind im vergangenen Jahr 4,5 Millionen Pflastersteine, davon allein 460.000 in der Stadt Arnheim, durch Blumenbeete, Rasenflächen, Bäume oder Pflanzen an Fassaden ersetzt worden.

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