Für Supermarktkunden soll der Einkauf bunter werden, damit sie gesündere Lebensmittel in den Regalen leichter erkennen. Dafür soll der neue Nutri-Score sorgen. Auf freiwilliger Basis wollen Hersteller die neue Farbskala plus Buchstaben auf die Packungen möglichst vieler Fertigprodukte drucken. Ein Streifzug durch Bremens Supermärkte hat gezeigt: In den Geschäften ist es zwar bunt, aber nicht wegen des Nutri-Scores. Den müssen die Verbraucher nämlich lange suchen, bis sie ihn finden.
So war es zumindest beim Stopp im Kaufland in Bremen-Sebaldsbrück. Beim Gang entlang der Tiefkühltheke tauchten Produkte zweier Firmen auf: zum einen die Tiefkühlpizza von Wagner und zum anderen Tiefkühlprodukte des Herstellers Iglo. Iglo ist Teil des Lebensmittelkonzerns Unilever und hatte bereits in einem frühen Stadium angekündigt, sich am Nutri-Score zu beteiligen. Wagner wiederum gehört mit zum Nestlé-Konzern. Von dort hieß es, man wolle die neue Lebensmittelkennzeichnung zügig umsetzen.
Bei der Wagner-Pizza gibt es unterschiedliche Kennzeichnungen. So trägt die Hähnchen-Pizza ein „B“ auf der Verpackung, während die Pizza Speciale mit einem „C“ abschneidet. Sie steht also in der Gesamtbewertung von Zucker, Salz, gesättigten Fettsäuren, Energiegehalt und Ballaststoffen schlechter da als die Geflügelversion. Bei den Iglo-Produkten ein Regal weiter die gleiche Erkenntnis: Das Fischfilet Grünes Gemüse schneidet mit „A“ ab, das Fischfilet Bordelaise hat ein „B“. Spinat, etwas Brokkoli sowie Erbsenschoten machen offenbar den Unterschied.
Tatsächlich enthält die Gemüse-Version pro 100 Gramm 86 Kalorien und 2,9 Gramm Fett, während die Semmelbrösel-Variante pro 100 Gramm 175 Kalorien hat und zehn Gramm Fett. Im Tiefkühlregal liegen übrigens auch Produkte von Wagner und Iglo noch ohne Nutri-Score. Es scheint sich um ältere Chargen zu handeln – natürlich trotzdem mit weit reichendem Mindesthaltbarkeitsdatum. Kaufland will übrigens den Nutri-Score bei den Eigenmarken bisher nur auf Veggie- und Bioprodukte drucken.
Es geht um den Mix der Inhaltsstoffe
Weiter geht es zum Regal mit Frühstückscerealien. Dort ist die Zahl der Nestlé-Produkte mit Nutri-Score ebenfalls überschaubar. Die Vollkornhaferflocken „Fitness Nutricous Energy“ haben ein A, die Produktschwester mit Joghurt klingt zwar gesünder, hat aber nur ein „C“. Letztere enthält mehr Zucker, mehr gesättigte Fettsäuren und weniger Ballaststoffe. Sonja Pannenbecker, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Bremen, sagt dazu: „Hier sieht man, dass ähnlich anmutende Produkte einen unterschiedlichen Nutri-Score entsprechend der Zusammensetzung haben. Dafür soll der Nutri-Score ja auch gut sein. Dann kann sich der Verbraucher am Supermarktregal damit auseinandersetzen und greift am Ende vielleicht zum gesünderen Produkt.“ Bei der Kennzeichnung geht es laut Pannenbecker nicht allein um Zucker, sondern um die Zusammensetzung insgesamt – also um den Mix der Inhaltsstoffe.
Von Kaufland geht es zu Netto in Bremen-Osterholz am Schweizer Eck. Hier sind Pommes Frites der Marke McCain mit einem Nutri-Score versehen. Und da kommt der Verbraucher ins Staunen: Die „1-2-3-Frites Original“ haben ein „A“ erhalten, also die beste Einstufung. 100 Gramm haben 144 Kalorien. Vom vier Gramm enthaltenem Fett besteht ein Zehntel aus gesättigtem Fett, der Rest sind einfach und mehrfach gesättigte Fettsäuren, die als gesünder gelten.
Sind Fritten gesünder als Tiefkühlfisch mit Semmelbröseln? Das ist ein Punkt, an dem der Geschäftsführer des Tiefkühlherstellers Frosta aus Bremerhaven einhakt. Felix Ahlers ist skeptisch: „Wir finden, der Nutri-Score sollte auch enthaltene Zusatzstoffe, also Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Aromen und weitere Zutaten dieser Art bewerten. Dann wäre es eine gute Orientierung. Zusatzstoffe sind aus unserer Sicht mindestens ebenso ungesund wie zu viel Zucker oder Fett.“ Wenn das der Fall wäre, könnte sich auch Frosta mit dem Nutri-Score anfreunden. Das Unternehmen verzichtet bei seinen Produkten seit Jahren auf Geschmacksverstärker und andere Zusatzstoffe.
Weiter geht es auf der Shoppingtour zu Aldi und Lidl. Eigentlich haben Aldi Nord und Aldi Süd angekündigt, den Nutri-Score auf den Eigenmarken anzubringen. Allerdings war die Auszeichnung bei dieser Stichprobe dort nirgends auszumachen. Das Gleiche bei Lidl. Bei beiden Discountern war ein Nutri-Score nur auf den erwähnten Pizza- und Fisch-Markenprodukten zu sehen.
Mit hochwertigen Zutaten
Nestlé wiederum hat angekündigt, dass der Lebensmittelkonzern den Nutri-Score auch auf Produkte packen wolle, die schlechter abschneiden. Der Blick in den Rewe-Markt im Schweizer Eck zeigt tatsächlich ein Beispiel. Der Nescafé Gold Typ Cappuccino ist mit einem „D“ versehen. Durch den Nutri-Score stellt der Verbraucher ab jetzt aber auch fest: Auch die Variante „weniger süß“ hat nur ein „D“ erhalten. Dieser Instant-Cappuccino hat mit 27 Kalorien pro 100 Milliliter lediglich eine Kalorie weniger als die Variante „cremig zart“. Spätestens bei der Bezeichnung „mit hochwertigen Zutaten“ trifft der Verbraucher auf Werbesprech: Damit meint Nestlé Zucker, Magermilchpulver und Glukosesirup.
Die Erkenntnis dieser Supermarkttour lautet: Der Nutri-Score bietet eine schnellere Orientierung – vielleicht auch den Verbrauchern, die bisher nicht so sehr auf die Zusammensetzung der Produkte beim Einkauf geschaut haben. Allerdings darf die Einstufung „A“ nicht automatisch mit gesund gleichgesetzt werden.