Eigentlich sollte eine Rentenerhöhung eine gute Nachricht sein. Doch bei der Mutter von Peter Benner sorgt das Plus bei der Rente seit diesem Monat für deutlich weniger Geld. Unterm Strich fehlen der alten Dame nun über 200 Euro im Monat. Es ist eine vermutlich seltene, aber eben mögliche Verkettung von Umständen im Sozialsystem, die diesen Effekt bewirken.
"Eigentlich gehört meine Mutter ja zu den wirklich gut versorgten Älteren", erzählt Peter Benner. Bei der 90-Jährigen summieren sich Rente, Witwenrente sowie Bezüge aus betrieblichen Altersversorgungen auf die stattliche Summe von knapp 2600 Euro netto pro Monat. Bis März dieses Jahres sicherte dass für die weitgehend selbstständige Dame einen zumindest finanziell recht sorglosen Alltag. Dann stürzte sie schwer. Diagnose: Oberschenkelhalsbruch. In der Folge bedeutet das trotz relativ guten Heilungsverlaufs das Ende der eigenen vier Wände. Sie musste in ein Pflegeheim umsiedeln, die Mietwohnung aufgeben. Der Eigenanteil von über 2800 Euro überstieg ihre Altersbezüge, sie beantragte Hilfe zur Pflege und bekam auch den notwendigen Zuschuss des Sozialamtes, um die Lücke zwischen Rente und Pflegeheimkosten zu schließen.
Dann kam in diesem Monat die Rentenerhöhung. Sie war bei ihren ohnehin guten Bezügen mit über 4,5 Prozent hoch genug, um die alte Dame über eine Einkommensgrenze zu heben, hinter der sie keine Hilfe zur Pflege mehr benötigt. Sie wurde gewissermaßen vom Sozialfall zur Selbstzahlerin. Das aber hat Auswirkungen auf den Eigenanteil im Heim, denn für private Zahler liegen Teile dieser Zuzahlungen deutlich höher als für diejenigen, die Hilfe zur Pflege beziehen. "Bislang verblieben ihr persönlich noch knapp 200 Euro im Monat als Taschen- und Kleidergeld, jetzt ist kein Cent mehr übrig", berichtet der Sohn. Und nicht nur das: Erneut übersteigen die Kosten ihre Rente, diesmal um 65 Euro im Monat, für die nun Hilfe zur Pflege nicht mehr infrage kommt. Die Sozialbehörde empfiehlt, einen Wohngeldantrag zu prüfen. "Ich denke, das kann nicht der Zweck einer Rentenerhöhung sein", kommentiert Peter Benner.
Um zu verstehen, wie es zu diesem Effekt kommt, muss man wissen, wie sich auf der einen Seite der Eigenanteil für das Pflegeheim zusammensetzt und auf der anderen Seite die Hilfe der Behörde berechnet.
Die Logik von Zuzahlungen und amtlichen Zuschüssen
Die Zuzahlung setzt sich aus drei großen Komponenten zusammen. Das sind die Pflegekosten, die noch verbleiben, nachdem die Pflegeversicherung ihren Teil bezahlt hat. Dazu kommen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die sogenannten Investitionskosten. Letztere entsprechen in etwa der Kaltmiete einer Wohnung, die Kosten der Unterkunft sind dann die Nebenkosten.
Weil Hilfe zur Pflege eine Prüfung der Bedürftigkeit voraussetzt, wird der Anspruch auf einen Zuschuss für jeden dieser drei Bestandteile nach unterschiedlichen Regularien aus dem Sozialgesetzbuch geprüft. Dahinter steckt die Überlegung, dass Kosten und Nebenkosten für eine Wohnung sowie die täglichen Mahlzeiten ja auch ohne Pflegebedürftigkeit bewältigt werden müssten. Im Prinzip werden für diese Anteile der Zuzahlung daher ähnliche Maßstäbe angelegt, wie bei jedem anderen Bürgergeldempfänger. In dem geschilderten Fall bedeutet das angesichts der guten Rente erwartungsgemäß gar keinen Zuschuss.
Breite Spanne bei Investitionskosten
Bei den reinen Pflegekosten berechnet die Behörde aktuell 1126 Euro als verbleibenden Regelbedarf der Betroffenen. Das Einkommen, dass über diesem Betrag liegt, muss vollständig für die Pflegekosten verwendet werden. Nur die verbleibende Lücke übernimmt das Sozialamt. Da liegt zugleich einer der besonderen Umstände des Falles: Eher selten sind die Renten so hoch, dass nach der aktuellen Erhöhung keine Lücke mehr verbleibt, man also vollständig zum Selbstzahler wird.
Dass damit zugleich auch die zu zahlenden Investitionskosten steigen, ist eine verbreitete Besonderheit in der stationären Pflege. Denn die Behörde deckelt den Betrag, wenn sie Hilfe zur Pflege gewährt. Die Folge: Viele Heimbetreiber fordern bei den Selbstzahlern höhere Summen, damit aus ihrer Sicht die Rechnung unterm Strich wieder stimmt. Zudem gibt es eine breite Spanne, die Bremer Heimbetreiber für die Investitionskosten aufrufen. Sie reicht je nach Haus aktuell von 290 bis knapp 800 Euro Zuzahlung. Gut möglich, dass die Betroffene in einer anderen Einrichtung mit anderen Gewichtungen der Zuzahlung also wieder Hilfe zur Pflege kriegen würde oder auch ohne noch Geld übrig hätte.