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Bundestagswahl Wie Bremer Schüler Politik auf Instagram und Tiktok erleben

Vor der Bundestagswahl sprechen Bremer Schüler aus Gröpelingen und Vegesack über ihre Erfahrungen und Eindrücke über die politische Wahrnehmung auf Instagram und Tiktok.
19.02.2025, 05:00 Uhr
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Wie Bremer Schüler Politik auf Instagram und Tiktok erleben
Von Raffael Hackmann

Instagram und Tiktok sind als politische Informationsquelle nicht mehr wegzudenken. Der Stellenwert Sozialer Medien ist gerade bei Jugendlichen extrem hoch. Doch wie nehmen die jungen Menschen Politik auf den einschlägigen Kanälen überhaupt wahr? Einige Schüler der Neuen Oberschule Gröpelingen sowie des Gymnasiums Vegesack erzählen von ihren Eindrücken kurz vor der Bundestagswahl.

Unterschiedliche Prioritäten

Angesprochen auf die politischen Themen, mit denen sie auf den Sozialen Medien hauptsächlich konfrontiert würden, erklären die Schüler, dass es sich größtenteils um Steuern und den Klimawandel drehe. Für die Jugendlichen aus Gröpelingen seien aber gerade diese Themen nicht ausschlaggebend. "Sicherheit", sagt Leroy von der Neuen Oberschule. "Zu 100 Prozent Sicherheit." Seine Mitschüler stimmen ihm zu, und Leroy erklärt seine Meinung: "Wir sind jetzt in einem Alter, in dem wir auch viel rausgehen. Und am Hauptbahnhof sehen wir, wie Leute ausgeraubt werden oder Schlimmeres." Für die Vegesacker Gymnasiasten ist die Sicherheit auch ein wichtiges Thema, doch sehen die meisten von ihnen den Klimaschutz auf Platz eins der Themen, die die künftige Regierung priorisieren müsse.

Auf Social Media nehmen die Jugendlichen beider Schulen fast nur von der AfD eine Auseinandersetzung mit dem Thema Sicherheit wahr. "Die machen das richtig schlau, weil die einfach die krassesten Themen haben", erkennt Salih Arda Ecevit. "Die erreichen ihr Ziel." Das Ziel, wissen die Schüler, sei eine Interaktion mit den Beiträgen: liken, teilen, kommentieren. "Die AfD ist für uns 'ne Lachnummer", sagt Leroy. "Aber sie kriegen ihre Aufmerksamkeit." Das bestätigt auch die Vegesackerin Malou. "Eigentlich bin ich auf Social Media in einer Bubble der Linken und Grünen, doch ich bekomme viel über die AfD reingespielt."

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Das wichtigste Kriterium

Eine Lachnummer im positiven Sinn ist für die Gröpelinger Jugendlichen Dariush Hassanpour von den Linken. Auch die Vegesacker Schüler sind begeistert von seinen Beiträgen. Die Social-Media-Videos empfanden alle befragten Schüler in beiden Stadtteilen als sehr witzig und sympathisch. Und auch beim Politik-Speeddating in der Bremischen Bürgerschaft konnte der 28-jährige Hassanpour bei den Gröpelingern punkten. "Er hat mit uns geredet, als wären wir Freunde", lobt Ecevit die Unterhaltung auf Augenhöhe. Sie erwarteten eine gewisse Nahbarkeit von den Volksvertretern – auf Social Media und in der realen Welt.

Dass die Schüler tatsächlich Accounts von Politikern folgen, ist eher die Ausnahme. "Markus Söder", sagt Lennart aus Vegesack. "Der präsentiert sich dort sehr gut. Und auch Andreas Bovenschulte wirkt sehr nahbar." Damit ist Lennart aber eine der Ausnahmen. Die meisten Schüler folgen eher Medienhäusern als Politikern. Deswegen sei es weniger Wahlwerbung, die ihnen in ihren Algorithmus gespielt werde, als viel mehr politische Meinungen. Es seien in der Regel eher Kommentare und Videos über Politiker, nicht von Politikern. Insbesondere negative Beiträge über die AfD seien sehr präsent, sagt Gymnasiastin Vendi. Ihr Lehrer Baki Nalincioglu erklärt seinen Schülern dazu: "Es gibt keine schlechte PR."

Medienkompetenz fördern

Laut mehreren Wissenschaftlern sei tatsächlich zu beobachten, dass Inhalte, die negative Gefühle auslösen, vermehrt geteilt und geliket würden, erläutert Patricia Brandt, Pressesprecherin der Senatorin für Kinder und Bildung. Sie weist auch darauf hin, dass der Landesverfassungsschutz auch vor der Verbreitung gefälschter Schlagzeilen durch ausländische Dienste gewarnt habe. "Entsprechend braucht es eine in Schulen fest verankerte politische Bildung und Bildung zur Medienkompetenz", fordert sie.

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Nalincioglu sieht das ähnlich und seine Schülerin Pia betont: "Im Politikunterricht lernen wir, welchen Quellen wir vertrauen können und welchen nicht." Doch es sei zu viel, um über alles aufzuklären, erklärt der Gymnasiallehrer. Auf Instagram und Tiktok würden Nutzer schlichtweg bombardiert mit Posts, Informationen oder Videoschnipseln aus beispielsweise dem TV-Duell zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz. Nicht jeden Inhalt, den sie sehe, könne sie auf seinen Wahrheitsgehalt oder seine Echtheit prüfen, sagt auch Vendi unter zustimmendem Nicken ihrer Mitschüler.

Einig sind sich alle Schüler in einem Punkt: Sie möchten eine strengere Regulierung der Sozialen Medien. Gerade von KI generierte Videos seien heutzutage täuschend echt, erklären Pia und Malou. Und auch die Kommentarspalten sollten etwas mehr reguliert werden, sagt Lennart. Die bestünden seiner Meinung nach zu oft ausschließlich aus Hass und Hetze.

Die Schüler beider Schulen wirkten sehr reflektiert, wenn sie über die Sozialen Medien sprächen, bestätigen ihre Lehrer. Die Jugendlichen stehen ihren eigenen Angaben zufolge in stetigem Austausch über das aktuelle politische Geschehen mit ihren Lehrern, Eltern und Mitschülern. Und sie scheinen die Inhalte auf den Online-Plattformen wesentlich bewusster zu konsumieren, als ihnen vielerorts nachgesagt wird.

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