Sie alle wollen am 23. Februar zum ersten Mal ihre Stimme bei einer Bundestagswahl abgeben: 16 junge Menschen aus dem Politik- und Wirtschaftsleistungskurs im 13. Jahrgang am Gymnasium Lilienthal berichten, was sie so kurz vor der Wahl bewegt. Welche Themen sind für sie relevant? Wie informieren sie sich über Politik? Welche Parteien werden ihrer Meinung nach Regierungsverantwortung übernehmen?

Frieda Blumberg findet den Rechtsruck in der Gesellschaft bedenklich.
Frieda Blumberg findet den Rechtsruck in der Gesellschaft bedenklich. "Weil man das nicht verhindern kann", sagt die 19-jährige Bremerin. "Es macht mir Angst, dass sich die CDU an die AfD annähert." Die Christdemokraten seien mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig ein Teil der Regierung – gemeinsam mit den Sozialdemokraten, vermutet die Schülerin. Mit Einigkeit in der zukünftigen Regierung rechnet Frieda Blumberg nicht. "Ich glaube, dass das auch zukünftig viel Konfliktpotenzial bietet – das hat man im TV-Duell gesehen, wie unterschiedlich die Meinungen sind." Die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und Friedrich Merz seien sich oft uneinig – "da hat man Sorge, wie das in einer Regierung sein wird. Das verbindet man wieder mit Unruhe im Land." Dass die AfD in die Regierungskoalition kommen könnte, vermutet Blumberg nicht. "Das kann man ja wohl noch ausschließen – noch", betont sie.
Liam Cole-Schroeter kritisiert, dass in der derzeitigen politischen Debatte "zu viel rechter Populismus präsent ist." Das sei negativ – es werde über Problematiken geredet, die nicht wirklich existieren. Der Fokus sollte auf der Integration von Menschen liegen – "nicht auf deren Ausgrenzung – gerade bei unserer schrumpfenden Bevölkerung. Wir brauchen ja mehr Fachkräfte aus dem Ausland", sagt Cole-Schroeter. Der Klimawandel werde die Zuwanderung eher verstärken. "Man sollte Menschen, die dann Hilfe brauchen, aufnehmen." Generell seien "soziale Themen" für den Zusammenhalt einer Gesellschaft von Bedeutung. "Ich bin queer und wünsche mir eine Regierung, die mich nicht als ein Feindbild sieht."

Claudio Keuenhof wünscht sich einen ”Transformationsfond”.
Claudio Keuenhof stellt fest, "dass die Migrationspolitik ordentlich gegen die Wand gefahren ist." Der 20-Jährige fordert einen Bürokratie-Abbau, um Menschen schneller einbürgern zu können. "Damit wir einen besseren Arbeitsmarkt schaffen." Es sei wichtig, um die wirtschaftliche Lage im Land zu verbessern. Nur wenn man "guten Wohlstand in der Wirtschaft" habe, könne man "die Überschüsse für soziale Projekte wie für Klimaschutz – der sehr wichtig ist – ausgeben." Um Menschen mit kleineren Einkommen reicher zu machen, brauche es "mehr Wohlstand in der ganzen Gesellschaft". Er sehe die Wirtschaft in Gefahr, sagt Claudio Keuenhof. Viele Unternehmen würden zurzeit Stellen abbauen. Die Besteuerung der Unternehmen sei zu hoch, Deutschland sei kein attraktiver Standort mehr – auch nicht für kleinere Gewerbe. Die Politik solle deshalb Rahmenbedingungen schaffen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu machen. "Damit wir wieder konkurrenzfähig sind." Er wünsche sich einen "Transformationsfonds", in den ältere Generationen einzahlen, "sodass die jüngere Bevölkerung ein wenig entlastet" werde, um sich etwas aufbauen zu können.

Für Fynn Schersell sind die Themen Klimawandel, Wirtschaft und Armutsbekämpfung wichtig.
Fynn Schersell erklärt sich das generelle Erstarken "rechter Kräfte in jugendlichen Kreisen" durch einfache Botschaften auf Social Media. Auf Plattformen wie Tiktok würden Populisten "traditionelle Werte" mit "einfachen Bildern" vermitteln – das würde bei einigen jungen Menschen durchaus verfangen. "Das ist dann schwer, das wieder raus zu trainieren." Da gebe es das Bild von dem "starken Mann, der das Geld nach Hause bringt für die Familie" – für viele sei das durchaus "sinnstiftend", vermutet Schersell. Wichtige Probleme würden hingegen von Populisten "heruntergeredet" und verdreht. Wirtschaft, Klimawandel und Armutsbekämpfung seien die eigentlich wichtigen Themen, die die Regierung nach der Wahl angehen sollte. "Der Klimawandel ist eigentlich der größte Punkt, denn wir als junge Generation sehen noch, was zukünftig passieren wird. Klimawandel wird oft von denen kleingeredet, die das nicht mehr betrifft."
Für Emma Jagels sind Themen wie Klimawandel, Armutsbekämpfung, Soziales und Wirtschaft wichtig. Ihr mache das Erstarken der AfD einerseits Angst, andererseits sei sie davon überzeugt, dass die CDU keine Koalition mit der AfD eingehen werde. Es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD, habe CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gesagt. In Deutschland seien viele Menschen unzufrieden, stellt Emma Jagels fest. Das habe auch mit der Inflation zu tun. "Alles ist teurer geworden, seit den Kriegen und Krisen. Vielleicht wählen Menschen auch deshalb die AfD, weil sie ihre Unzufriedenheit ausdrücken wollen", vermutet die 19-Jährige.
Kadir Duyune hat sich nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, wen er am 23. Februar bei der Bundestagswahl wählen wird. Über Youtube, Instagram und über die "Tagesschau" wolle er sich noch weiter über politische Inhalte informieren. Kadir Duyune ist mit seiner Unentschlossenheit nicht allein. Laut "Zeit Online" ist ein Drittel der Deutschen kurz vor der Wahl noch unentschieden.