Bremen gehört zwar zu den Pionieren des Carsharing, dennoch fehlen der Stadt stationsunabhängige Anbieter. Dies könnte sich in Zukunft ändern: Ein Unternehmen arbeitet an einem Konzept für mittelgroße Städte.
Was Carsharing angeht, gehört Bremen zu den Pionieren. Denn Anfang der 90er-Jahre gründete sich hier Stadt-Auto Bremen – die Menschen teilen sich ein Auto, statt ein eigenes zu haben. Im Jahr 2000 entstand daraus zusammen mit Unternehmen aus Aachen und Köln die Firma Cambio. In Bremen sind die Autos momentan an mehr als 60 Stationen verfügbar. Wer Kunde ist, kann sich alles vom Pkw bis zum Transporter mithilfe des Internets für kurze Strecken buchen, oder auch für ganze Tage.
Nun sind wir im Jahr 2017, und das Carsharing befindet sich in der nächsten Generation, allerdings bisher nicht in Bremen. Diese neue Generation ist das sogenannte Free Floating. Das bedeutet: Im Gegensatz zu Anbietern wie Cambio sind besondere Stationen nicht notwendig. Die Autos stehen quer durch die Stadt verteilt auf normalen Parkplätzen. Das können auch öffentliche Parkplätze sein, für die sich der Autofahrer mit seinem eigenen Fahrzeug einen Parkschein ziehen müsste. Der Carsharing-Kunde sucht sich entweder zufällig ein Auto oder gezielt per App auf dem Smartphone. Zum Ende der Fahrt wird das Auto einfach auf einem freien Parkplatz abgestellt. Abgerechnet wird pro Minute zum Pauschalpreis, Sprit eingeschlossen. Dieses Konzept ist also eher auf kurze Fahrten ausgerichtet.

Ein Mini vom Anbieter Drivenow fährt in Düsseldorf am Medienhafen entlang. Momentan expandiert das Unternehmen in europäischen Großstädten, aber irgendwann soll das Konzept auch in Städten wie Bremen laufen.
In Kombination mit Nahverkehr
Einer der großen Anbieter ist Drivenow. Die BMW-Tochter ist in Deutschland vorwiegend mit Minis momentan in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern vertreten sowie in Düsseldorf im Verbund mit Köln. Und Drivenow macht ein wenig Hoffnung, dass auch Bremen irgendwann interessant werden könnte.
Das wird allerdings wohl nicht in den kommenden zwei Jahren sein, wie Unternehmenssprecherin Aurika von Nauman dem WESER-KURIER sagt: „Momentan expandieren wir erst mal international, vor allem in den großen europäischen Städte mit mehr als 700-000 Einwohnern. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht auch Gedanken machen, wie wir unser Geschäftsmodell langfristig auf mittelgroße Städte übertragen können.“
Eine wichtige Voraussetzung sei ein gut ausgebauter Bus- und Bahnverkehr. „Denn nur mit dem Rückgrat des Personennahverkehrs funktioniert unser Konzept mit dem ‚Free Floating‘“, ergänzt von Nauman. Dabei müsse die Stadt gleichzeitig so viele Ausdehnung haben, dass Bedarf für Carsharing-Fahrten besteht. Dass die Bremer zu viel mit dem Fahrrad fahren würden, ist für die Drivenow-Sprecherin kein Argument: „Auch in den Städten, in denen wir vertreten sind, wird viel Rad gefahren.“ Als Konkurrenz zu den stationsabhängigen Anbietern sieht sich das Unternehmen nicht: „Wir erreichen neue Zielgruppen, die sich Carsharing bisher nicht vorstellen konnte.“

Nur in Städten mit gut ausgebautem Bus- und Bahnverkehr machen stationsunabhängige Carsharing-Angebote Sinn, heißt es beim Unternehmen Drivenow.
Diskussion in der Stadtbürgerschaft
Vor einem guten Monat beschäftigte sich Bremens Stadtbürgerschaft mit dem Thema. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner setzt sich seit Längerem dafür ein, aktiv andere Carsharing-Anbieter anzusprechen und in die Stadt zu holen. Dagegen lehnt Bremens Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) die „ Free-Floating-Carsharing-Anbieter“ wie Drivenow ab. Bremen sei schlichtweg zu klein. „Außerdem wollen wir die auch eigentlich nicht, weil sie uns Parkplätze wegnehmen“, sagte Lohse damals.
Diese Argumentation kann die Drivenow-Sprecherin Aurika von Nauman nicht nachvollziehen und verweist beispielsweise auf eine Studie der Stadt Wien: „Dort ersetzt ein Carsharing-Fahrzeug etwa fünf private Pkw.“ Diese Zahl bezieht sich auf stationsabhängige und stationsunabhängige Anbieter zusammen. Momentan würden die europäischen Städte auf das Unternehmen zukommen.
Damit der Kunde die Autos einfach so auf Parkplätzen der Stadt abstellen kann, die eigentlich Geld kosten, gibt es zwei verschiedene Modelle. Die Sprecherin erläutert: „In München oder Düsseldorf zahlen wir der Stadt pro Auto eine monatliche Pauschale. In Hamburg mieten sich die Autos automatisch per Handyparken ein.“ Das gleiche Konzept wie Drivenow hat auch die Mercedes-Tochter Car2go. Doch nur Städte mit einer Million Einwohner aufwärts und mit mindestens 3000 Menschen pro Quadratkilometer seien interessant.
Das „Vielleicht-in-der-Zukunft“ sieht aber der Anbieter Scoo.me. Er zielt jetzt in der ersten Phase auf Millionenstädte ab und betreibt in den Städten München und Köln das Sharing mit Motorrollern – ebenso stationslos. Eine hohe Bevölkerungsdichte sei dafür notwendig sowie ein gutes Bus- und Bahnnetz. Wichtig seien auch junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, die über gute Kaufkraft verfügen. Scoo.me-Mitgründer Christoph Becker sagt: „Vor diesem Hintergrund kann Bremen in einer der Expansion folgenden Marktdurchdringungsphase durchaus interessant werden.“
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