Gartenzwerge auf der Fensterbank und Nackedeis am Strand: Wie man dem Fachmagazin „W & V“ (Werben und Verkaufen) entnehmen kann, gehören diese Motive zu einer „Klischeekampagne“. Auf die Idee könnten die Betrachter auch glatt von selbst kommen. Was unterstrichen von dem Slogan „Das ist sooo deutsch“ daherkommt, lässt nicht viel von dem aus, womit Deutschland und die Deutschen gemeinhin verbunden werden. Es gibt Plakate mit einem Dackel, mit einer Gruppe von Funkenmariechen, mit Verbotsschildern, mit einer akkurat gestutzten Hecke, einem Handtuch auf einer Sonnenliege und Warentrennern auf einem Kassenband.
Anlass der Kampagne sind, man ahnt es, „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“. Wie die Bundesregierung dazu mitteilt, werde „mit einem zwinkernden Auge aufgegriffen, was oft als ,typisch deutsch‘ gilt (...) Zudem spiegelt die Diversität der Motive die Vielfältigkeit des Landes sowie das Motto des Jubiläumsjahres wider – Deutschland ist eins: vieles.“ Typisch Bundesregierung also. In einer Pressekonferenz vertiefte ein Sprecher des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) jüngst: Es handele sich um „eine Art geistige Lockerungsübung“ übers Deutschsein.
Kampagne auch online unterwegs
Bei Plakaten für die geistige Gymnastik hat es das Ministerium nicht belassen. Zur Kampagne zählen auch „Info-Streams, TV-Spots und Online-Werbung“. Mit einem eigenen You-Tube-Kanal wanzt sich die Regierung auch an jüngere Bundesbürger heran, offenbar mit eher mäßigem Erfolg. Der Kanal hat – Stand diesen Sonnabend – 46 Abonnenten. Mit an die 9800 Aufrufen beliebtester der 15 Clips ist ein 17-sekündiges, kommentarloses Filmchen, das jemanden zeigt, der weiße Sportsocken und Birkenstock-Sandalen trägt. Die Kamera schwenkt die haarigen Beine und den Oberkörper hinauf. Es zeigt sich – mordsmäßige Überraschung –, dass kein Mittvierziger mit Bauch und Herrenhandtasche so in der Bundesrepublik unterwegs ist, sondern ein Hipster mit Rauschebart und Dutt. Dann folgt, mit knapp 6000 Klicks, der Dackel-Film, kein Wunder, Tier-Inhalte sind im Netz nachweislich besonders beliebt, ungeachtet des Herstellers.
Die staatliche Kampagne ist nicht die erste und wird nicht die letzte der Bundesregierung und eines ihrer Ministerien sein. Einige lassen Rückschlüsse auf die Lage der Nation zu. So warb das Bundesjustizministerium Anfang des Jahres großflächig, aber grammatikalisch fragwürdig für „Wir sind Rechtsstaat“. Das BMI legte den Bürgern im Sommer ehrenamtliches Engagement ans Herz („Pack mit an! Für dich. Für uns alle.“). Staatliche Öffentlichkeitsarbeit gilt gesundheitlicher Aufklärung oder „Integration, die allen hilft“. Der „Deutschlandfunk“ berichtete vor gut einem Jahr, wie sich Ministerien und ihre Behörden Influencer bedienen, um in sozialen Medien die Bundeswehr, fair hergestellte Mode oder gesunde Ernährung anzupreisen.
Rund 7,8 Millionen Euro – sooo teuer ist die Dackel-Socken-Kampagne laut Bundesinnenministeriums. Zur Begründung heißt es: Sie wird bis Anfang Dezember in ganz Deutschland und nicht nur in Großstädten verbreitet, wo sie „zum Nachdenken anregen“ soll. Das hat einwandfrei geklappt: Allein unter dem Socken-Spot haben sich bei You Tube 107 Kommentare angehäuft. Der Tonfall der Posts ist spöttisch bis verächtlich: „Das ist sooo doof! Wo ist der Bund der Steuerzahler, wenn man ihn einmal mehr braucht?“
Viele Ergänzungsvorschläge
Unter #dasistsooodeutsch gibt es überdies treffende Ergänzungsvorschläge wie „Draußen nur Kännchen“ oder „Ballspielen im Hof verboten“ Die Strategie des bremischen Verfassungsschutzes gegen Rechtsextremismus, die unter anderem darauf setzt, dass Bürger verdächtige Aktivitäten melden, wird ebenfalls als #dasistsooodeutsch bezeichnet. Zudem kursieren diverse Plakatversionen, die die Bundesregierung nicht abgesegnet hat – beispielsweise mit Bildern von Flaschensammlern und im Müll wühlenden Rentnern. Daneben werden, das dürfte niemanden ernsthaft erstaunen, eine gewisse Anzahl von ausländerfeindlichen Motiven verbreitet.
Was ist schon dagegen zu sagen, dass die Bundesrepublik in der Bundesrepublik für die Bundesrepublik wirbt, für gemeinsame Werte und Grundsätze, für Verständnis, Rücksicht und Toleranz. Das scheint bitter nötig, wenn das Land der Dichter und Denker droht, mehr und mehr zu dem der Spalter und Hetzer zu verkommen. Die Dackel-Socken-Kampagne scheint ihre Betrachter auch tatsächlich zu vereinen – in gemeinsamer Missbilligung. Das ist sooo deutsch.