Frau Reitemeier, was ist eigentlich so schwer daran, einem Drogendealer sein Luxusauto wegzunehmen?
Wiebke Reitemeier: Im Prinzip geht das schon. Aber man muss sehen, dass wir in Deutschland denjenigen haben, der das Auto fährt, also den Nutzer. Dann denjenigen, dem es gehört, den Eigentümer. Und schließlich den Halter des Fahrzeugs. Also potenziell drei verschiedene Leute. Außerdem unterscheiden wir noch, ob das Auto selbst durch Straftaten erlangt wurde oder legal, aber mit Mitteln, die irgendwann mal aus Straftaten herrührten. Und für all diese Konstellationen muss das Recht ausreichend ausgestaltet sein. Die Abschöpfung muss funktionieren, egal, in welcher Rolle der Straftäter fungiert. Aber das ist schwierig. Dafür müssen wir die Vorschriften so ändern, dass sie funktionieren. Genau darum geht es bei unserer Tagung.
Das Vermögensabschöpfungsgesetz ist gerade sechs Jahre alt. Und muss jetzt schon nachgebessert werden?
Vermögensabschöpfung gibt es ja schon viel länger in Deutschland, seit 1975. Aber das Gesetz von 2017 war ein grundlegend neuer Aufschlag. Da war von vornherein klar, dass Nachjustierungen erforderlich sein würden, weil es Fälle gibt, die mit den gegenwärtigen Vorschriften nicht richtig zu lösen sind. Man muss auch sehen, dass nicht alles, was der Gesetzgeber sich 2017 überlegt hat, von der Rechtsprechung so akzeptiert wurde. Da gilt es nun, von den Formulierungen so nachzubessern, dass es wieder funktioniert.
Wie wollen Sie das bewerkstelligen?
In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeiten wir hart am Sachverhalt. Also daran orientiert, welche Fälle sich mit den gegenwärtigen Vorschriften nicht richtig lösen lassen. Diese Fallkonstellationen werden bundesweit zusammengetragen, von Experten diskutiert, die dann versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden. Ziel ist es, das Gesetz mit möglichst wenig Aufwand so zu ändern, damit sich Straftaten auch in diesen Fällen nicht lohnen.
Auch die Sicherung von Immobilien hat sich als kompliziert herausgestellt?
Ja, es gibt da viele Schwierigkeiten. Man muss insbesondere prüfen, woher das Geld kommt. Kommt es aus dem Ausland, sind die Ermittlungen allein schon deshalb sehr schwierig. Dann gibt es das Problem, dass eine Immobilie nichts wert ist, solange sie hoch belastet ist. Normalerweise steht eine Bank im Grundbuch und die soll ihr Geld für das Darlehen natürlich zurückbekommen. Aber das deutsche Grundbuchrecht ermöglicht, jeden Darlehensgeber mit einer Grundschuld abzusichern. Wir müssen dann schauen: Gibt es das Darlehen überhaupt? Gab es das jemals? Und wenn das Familienmitglieder sind, die sich ja untereinander nicht belasten müssen, wird es sehr schwer, solche Ermittlungen zu führen. Dann muss unter Umständen gegen jedes Familienmitglied ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Oder die Geldflüsse werden so geschickt verschleiert, dass sie eben doch legal aussehen. Jeder weiß zwar, dass da was nicht mit rechten Dingen zugehen kann, aber man findet nicht die Quelle des Geldes. Deshalb ist es nicht so einfach, bei der Vermögensabschöpfung an Immobilien heranzukommen.
Ist auf Ihrer Tagung auch die Beweisumkehrlast ein Thema? Nicht die Justiz muss dem mutmaßlichen Kriminellen nachweisen, dass sein Geld aus illegalen Geschäften kommt, sondern er muss nachweisen, woher das Geld stammt?
Das ist im Moment nicht in unserem Fokus. Wir werden versuchen, die Vorschriften von 2017 zu erweitern, weil sie im Moment recht eng gefasst sind. Vermögenswerte können schon heute selbst dann eingezogen werden, wenn keine Straftat nachgewiesen werden kann. Vorausgesetzt, jemand steht in Verdacht, sehr schwere Straftaten begangen zu haben. Und den Katalog dafür, also was eine „sehr schwere Straftat“ ist, würden wir gerne maßvoll ausweiten. Aber die echte Beweislastumkehr, wie andere Länder sie kennen, werden wir sicher nicht in Angriff nehmen. Das ist ein verfassungsrechtliches Problem und für so eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu groß. Außerdem ist das auch ein sehr politisches Thema. Bei der Bund-Länder-Arbeitsgruppe steht eine Optimierung des geltenden Rechts im Vordergrund, damit sich Straftaten eben wirklich nicht lohnen!