Es erinnert an das Kinderspiel Jenga: Knapp 20 Zentimeter ragt dieser Turm empor, fischstäbchendicke gelbe Klötze sind längst und quer aufeinandergestapelt. Doch dieser Turm ist kein Geschicklichkeitsspiel aus Holz, er ist zum Essen da. Die Stäbchen sind Hartkäse der Marke Milram, und sie sollen den Gästen schmecken, die am Dienstag zur Bilanzpressekonferenz des Deutschen Milchkontors (DMK) gekommen sind.
Geht es nach dem größten Molkerei-Unternehmen im Land, soll es bald mehr solcher Käsetürme aus eigenen Ställen geben; sinnbildlich gesprochen. Denn die Genossenschaft mit Sitz in Bremen will mit dem niederländischen Käsehersteller Doc Kaas fusionieren, das hat sie kürzlich bekannt gegeben. „Doc Kaas ist einer der stärksten Produzenten, die es gibt“, schwärmt Josef Schwaiger, Sprecher der Geschäftsführung von DMK. Der Österreicher kennt das Geschäft. Schwaiger ist gelernter Käsemacher – und dieses Handwerk vergisst man nicht, auch wenn der letzte eigene Großlochkäse schon mehr als 20 Jahre her ist.
Beide Firmen ergänzten sich gut, meint Schwaiger. Das Milchkontor ist – neben Milchpulver und Molke-Produkten – auf foliengereiften Käse spezialisiert und Doc Kaas auf naturgereiften Käse. Im Januar 2016 wollen die Firmen verschmelzen, dann sollen die 280 Mitarbeiter von Doc Kaas zur DMK-Gruppe gehören, für die bereits 7400 Menschen arbeiten. Fehlt bloß noch die Erlaubnis der Wettbewerbshüter der Europäischen Union. Doch Schwaiger ist optimistisch: „Die Genehmigung der Kartellbehörden wird in den nächsten Monaten erfolgen.“
Etliche Firmen hat das Deutsche Milchkontor (Marken: Ravensberger, Humana, Oldenburger) zuletzt übernommen: Die Gruppe hat 30 Töchter und 28 Beteiligungen. Die Fusion mit dem kleinen Rivalen Doc Kaas aus dem Nachbarland soll das Geschäft beleben.
Denn das täte gut: Sechs Jahre nach der großen Milchkrise bangen jetzt wieder Bauern um ihre Existenz – und auch die Genossen des DMK sorgen sich. Denn die Geschäfte sind zuletzt schlechter gelaufen. Das zeigen die Zahlen der Bilanz: Von Januar bis April sank der Umsatz des Deutschen Milchkontors um 304 Millionen auf gut 1,6 Milliarden Euro. Schuld daran sei der gesunkene Milchpreis. Im vergangenen Jahr lag der Erzeugerpreis für den Liter Milch im Schnitt noch bei 36,9 Cent. Doch seit Mitte vergangenen Jahres kennt dieser Preis nur noch eine Richtung: bergab. Durchschnittlich seien von Januar bis April nur noch 28,6 (2014: 39,3) Cent pro Liter gezahlt worden, sagt Schwaiger. Und es könnte sogar noch weniger werden: DMK rechnet bis Jahresende mit weiterhin sinkendem Milchgeld. „Es wird nicht besser dieses Jahr“, sagt Schwaiger.
Der Pessimismus hat mehrere Gründe: Weltweit steigt die Milchmenge, das setzt die Preise hierzulande unter Druck. Zugleich hat sich mit China einer der großen Nachfrager beim Kauf zurückgehalten. Die Volksrepublik hatte 2014 hohe Bestände an Milchpulver gehortet und ist nun vorsichtiger beim Nachkaufen. Drittes globales Problem ist die Krise in der Ukraine. Anfang August 2014 hatte Russland einen Einfuhrstopp für Agrarprodukte aus der Europäischen Union verfügt. Seither sind europaweit viele Tausend Tonnen Käse zusätzlich auf dem Markt – Käse, den Russland an der Grenze zurückweist und der nun die Preise sinken lässt.
Zudem gibt es seit 1. April keine vorgegebene Milchquote mehr, das kann für die Bauern langfristig stärker schwankende Preise bedeuten. Wenn jetzt die Milchmenge weltweit weiter steige und gleichzeitig die Nachfrage aus China und Russland stagniere, sei mit einem weiteren Preisverfall zu rechnen und das ziehe auch das Ergebnis des DMK hinunter, kündigt Schwaiger an. „Der Umsatz wird sicherlich zurückgehen, wenn es so weitergeht.“ Schließlich sind die Geschäfte der Molkerei-Gruppe stark international verflochten: Knapp ein Drittel der Erlöse stammt aus der EU, neun Prozent aus Drittländern. Weltweite Krisen schlagen voll auf die Bilanz deutscher Milchbetriebe durch.
Diese Situation ist auch für den Milchverarbeiter DMK neu: Im vergangenen Jahr hatten die 8900 Genossen noch einen Gewinn von 42,3 Millionen Euro gemacht und 5,3 Milliarden Euro umgesetzt. In den ersten vier Monaten dieses Jahres sei der Überschuss allerdings kräftig geschrumpft, sagt Schwaiger: Er sank um 39 Prozent von 41 auf 25 Millionen Euro. Doch das lasse sich wieder aufholen, so Schwaiger. Nach wie vor strebe die Genossenschaft bis zum Jahresende einen Jahresüberschuss von bis zu 50 Millionen Euro an.
Gerade wegen der schwierigen Lage will die Genossenschaft aber weiter investieren: „Dieses Jahr stecken wir wieder 200 Millionen Euro in technische Anlagen“, kündigte Schwaiger an. Teile des Geldes sollen in eine Mozzarella-Produktion in Georgsmarienhütte und ein Milchpulver-Werk in Zeven fließen. (dpa)