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Abgelehnte Bescheide Gerichte in Bremen durch Asylklagen stark belastet – die Gründe

Die Zahl der Menschen, die in Bremen und Niedersachsen gegen abgelehnte Asylanträge klagen, ist in diesem Jahr deutlich gestiegen. Dafür sind allerdings nicht nur politische Entwicklungen ausschlaggebend.
11.09.2025, 05:00 Uhr
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Gerichte in Bremen durch Asylklagen stark belastet – die Gründe
Von Felix Wendler

In Bremen klagen mehr Menschen gegen abgelehnte Asylbescheide. Bis Ende August seien in diesem Jahr am Verwaltungsgericht 1155 Haupt- und Eilverfahren neu eingegangen, erklärt Gerichtssprecherin Verena Korrell auf Anfrage des WESER-KURIER. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es demnach 781 Verfahren. Das Oberverwaltungsgericht, die nächsthöhere Instanz, hat in diesem Themengebiet ebenfalls mehr zu tun. Nach Angaben der Justizbehörde sind 49 Hauptverfahren im ersten Halbjahr 2025 eingegangen – 2024 hatte die Zahl Ende Juni bei 30 gelegen.

Der Anstieg ist laut einer Auswertung der „Deutschen Richterzeitung“ (DRZ) auch in vielen weiteren Bundesländern zu beobachten, unter anderem Niedersachsen sei stark betroffen. Demgegenüber steht eine rückläufige Anzahl von Asylanträgen in Deutschland: Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) waren es im ersten Halbjahr 2025 rund 50 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Mehr Klagen gibt es offenbar, weil das Bamf die Asylanträge schneller abarbeitet als in den Vorjahren – so erklären es der Deutsche Richterbund und die Bremer Justizbehörde übereinstimmend.

Mehr Verfahren abgearbeitet

Korrell erinnert daran, dass Gerichte am Ende eines Asylprozesses tätig werden. Die Zahl der Klagen bildet Entwicklungen im Asylbereich – also zum Beispiel politische Entscheidungen und behördliche Prozesse – erst mit Verzögerung ab. Erkennbar ist, dass mit steigenden Eingangszahlen auch der Bestand an offenen Asylklagen wächst. Ende Juni waren nach Angaben der Bremer Justizbehörde beim Verwaltungsgericht 1134 Asylverfahren anhängig, ein Jahr zuvor 834. Behördensprecherin Stephanie Dehne betont aber auch, dass die beiden Gerichte in der ersten Jahreshälfte 2025 mehr Verfahren (707) abgearbeitet haben als im ersten Halbjahr 2024 (607). Entsprechend ist der Bestand offener Fälle nicht im gleichen Maße gewachsen wie die Neueingänge.

Zur Vorsicht im Umgang mit den Fallzahlen, insbesondere mit der Verfahrensdauer, mahnt Korrell. Zwar konnten Asylverfahren nach Behördenangaben in den vergangenen Jahren zunehmend schneller erledigt werden – die durchschnittliche Dauer von Hauptverfahren sei von 20,9 Monaten im Jahr 2022 auf 12,8 Monate im Jahr 2024 gesunken.

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Laut Korrell ist die Aussagekraft aber umstritten, weil es in beide Richtungen Verzerrungen geben könne. Arbeiteten die Gerichte sehr alte Akten ab – was ja prinzipiell positiv zu bewerten sei –, wirke sich das negativ auf die durchschnittliche Laufzeit der Asylverfahren aus. Andersherum falle unter Erledigung zum Beispiel auch eine zurückgezogene Klage, was die Laufzeit positiv beeinflusse. 2023 hatte die Ministerpräsidentenkonferenz das Ziel ausgegeben, Asylklagen innerhalb von sechs Monaten zu entscheiden. Dieses Ziel erfüllt Rheinland-Pfalz aktuell als einziges Bundesland.

Klar ist, dass die Gerichte durch Zunahme von Klagen – nicht nur im Asylbereich – stark ausgelastet sind. Laut Korrell laufen am Bremer Verwaltungsgericht derzeit zwei Ausschreibungen für Richterstellen, um die sieben Kammern zu stärken. „Wenn wir die kriegen, wären wir 22“, so Korrell. Mit Asylverfahren befassen sich ihr zufolge alle Kammern. Sie seien jeweils für bestimmte Herkunftsländer zuständig, so könne man auf Vorerfahrungen und Expertise zurückgreifen.

Klagequote bei 88 Prozent

Aus welchen Ländern die mehr als 1000 Kläger stammen, die in diesem Jahr in Bremen juristisch gegen ihre abgelehnten Asylanträge vorgehen, lässt sich nicht konkret sagen. Weder die Justizbehörde noch das Verwaltungsgericht führen dazu nach eigenen Angaben Statistiken, sondern müssten die Daten mit viel Aufwand händisch erheben.

Näherungsweise können allerdings deutschlandweite Bamf-Daten Aufschluss geben. Diese zeigen für 2024, dass die mit Abstand meisten Asylbewerber aus Syrien (93.808), der Türkei (45.206) und Afghanistan (42.999) stammen. Während die Schutzquoten für afghanische und syrische Antragsteller bei 75 beziehungsweise 83 Prozent liegen, wird nur etwa jeder zehnte Antrag von türkischen Staatsangehörigen positiv beschieden. Dem Bamf zufolge lag die Klagequote gegen abgelehnte Asylanträge im vergangenen Jahr bei rund 88 Prozent. Sind die Verteilungen in Bremen ähnlich, ist davon auszugehen, dass die meisten Kläger aus der Türkei, Syrien und Afghanistan kommen. Verhältnismäßig hohe Antragszahlen und vergleichsweise hohe Ablehnungsquoten gibt es zudem bei Staatsangehörigen aus dem Irak, dem Iran und Russland.

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