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Bremens Städtepartnerschaft An Haifas Seite in Zeiten des Krieges

Deutsch-israelische Städtepartnerschaften und sonstige Beziehungen haben es gerade nicht leicht. Das Bremer Paar Helga Trüpel und Hermann Kuhn kämpft umso mehr dafür – in beiden Ländern.
25.04.2025, 05:00 Uhr
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An Haifas Seite in Zeiten des Krieges
Von Joerg Helge Wagner

Mit der israelischen Hafenstadt Haifa pflegt Bremen seit 47 Jahren eine Partnerschaft, doch die vergangenen 18 Monate waren ein Stresstest: Seit dem Massaker an rund 1200 Israelis durch die Terrortruppe Hamas tobt im Gazastreifen ein verheerender Krieg, Israel wird immer wieder mit Raketen beschossen und in Deutschland finden teils gewalttätige Aktionen im Namen der Palästinenser statt. "An Gruppenreisen in unsere Partnerstadt ist derzeit nicht zu denken", sagt Hermann Kuhn, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Bremen. "Gerade deshalb bestimmt die Partnerschaft komplett unsere Arbeit."

Mit Unterstützung der Bürgerschaft lädt man also auch in diesem Jahr wieder zwei Jugendliche der Leo-Baeck-Schule in Haifa nach Bremen ein. "Das ist eine der führenden Reformschulen in Israel", betont Kuhn. "Dort ist jetzt beispielsweise Arabisch ab der 7. Klasse Pflichtfach." Überhaupt sei Haifa mit seinem jüdisch-arabischen Stadtrat eine Ausnahme: In der drittgrößten Stadt Israels habe es etwa keine Unruhen nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 gegeben.

Neue Mitglieder für die DIG

Eine Bremer Parallele kann man darin sehen, dass die pro-palästinensischen Demonstrationen nach Israels Einmarsch in den Gazastreifen hier weitestgehend friedlich blieben. Kuhn erkennt dies ausdrücklich an und führt es auch darauf zurück, "dass die türkische Gemeinschaft in Bremen nicht auf Krawall aus ist, sondern sich besonnen verhält". In der hiesigen DIG habe es durchaus Bedenken gegeben, noch offen aufzutreten. Doch am Ende habe die "Polarisierung in Deutschland – entweder Kritik an Israel oder Solidarität mit Israel" der DIG nicht geschadet. Im Gegenteil: "Wir sind um ein Drittel auf heute rund 250 Mitglieder angewachsen", berichtet der Vorsitzende. Die Neueintritte umfassten alle Altersgruppen, von Jugendlichen bis "70 plus".

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Die Solidarität gelte Israel und seiner Bevölkerung, aber ausdrücklich nicht der aktuellen Regierung. "Neben der Kriegsführung im Gazastreifen betrifft das vor allem die Versuche von Premier Benjamin Netanjahu, die Justiz als dritte Gewalt zu entmachten", erläutert Kuhn. Vor Kurzem hat er gemeinsam mit seiner Partnerin Helga Trüpel, Vorsitzende der Europaunion Bremen, Israel besucht. "Privat" – sofern ein Paar in diesen Funktionen dort privat unterwegs sein kann. Denn getroffen hat man sich überwiegend mit politisch oder gesellschaftlich einflussreichen Menschen: dem deutschen Botschafter Steffen Seibert etwa oder Ronny Leshnoyaar, Israels Ex-Botschafter bei der EU, den Trüpel noch aus ihrer Zeit im Europaparlament kennt. Yossi Ben-Artzi war ebenso darunter: Historiker, Geograf und früherer Rektor der Universität Haifa, heute engagiert in der Peace-Now-Bewegung.

"Bring them home now" steht auf den Strandbuden

"Überall sieht man Plakate oder Parolen, die auf das Schicksal der israelischen Geiseln in den Händen der Hamas hinweisen", schildert Trüpel. "Bring them home now – so steht es selbst auf den Strandbuden in Haifa." Was die Regierung gar nicht gerne sehe, aber eben auch nicht verhindern könne. Kuhn empfindet es als "unauflösbares Dilemma": Man könne nicht gleichzeitig die militärische Niederlage der Hamas und die schnellstmögliche Freiheit der vermutlich 24 noch lebenden Geiseln anstreben.

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Und wenn die Hamas nun tatsächlich die Macht an die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO abgibt? Im Gegensatz zu Netanjahu, dem offenbar eine US-israelische Verwaltung des Gazastreifens vorschwebt, erkenne Peace Now das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung an, sagt Kuhn. "Aber eine Zwei-Staaten-Lösung sehen die auch nicht für heute oder morgen, die sind eher auf der Suche nach einem Friedenspfad." Wenn man aber wie Netanjahu eine PLO-Regierung komplett ablehne, schließe man auch die arabische Welt komplett aus. "Netanjahu hat keine Mehrheit mehr in israelischen Umfragen", ergänzt Trüpel, "weil er sich weigert, für das Desaster Verantwortung zu übernehmen".

Zur Festigung der Städtepartnerschaft hatten die beiden "Privatreisenden" mit grünem Parteibuch noch einen Brief von Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) an Haifas Oberbürgermeister Yona Yahav im Gepäck. "Anteilnahme" an der schwierigen Lage wolle man ausdrücken, heißt es aus dem Parlament. Und vielleicht schaffe es der Bürgerschaftsvorstand ja doch, wie früher einmal pro Legislaturperiode nach Haifa zu reisen. Noch zwei Jahre wäre dafür Zeit.

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