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Wolfgang Bahlmann 20 Jahre an der Spitze von Kita Bremen

Wolfgang Bahlmann verabschiedet sich nach 20 Jahren aus der Geschäftsleitung des städtischen Eigenbetriebs Kita Bremen. Im Gespräch blickt er auf seine Amtszeit zurück und spricht über akute Probleme.
31.07.2024, 05:00 Uhr
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20 Jahre an der Spitze von Kita Bremen
Von Silke Hellwig

Herr Bahlmann, Sie sind vom 1. August an Ruheständler – nach 20 Jahren an der Spitze des städtischen Eigenbetriebs Kita Bremen, als Stellvertreter, in den vergangenen acht Jahren als Geschäftsführer. Was bedeutet Ihnen der Abschied?

Wolfgang Bahlmann: Ich gehe mit den berühmten Augen, dem lachenden und dem weinenden. Ich freue mich, dass ich diese große Verantwortung los bin und mir den Zeitpunkt meines Abschieds selbst aussuchen konnte. Das ist nicht selbstverständlich. Es freut mich auch, dass ich im Guten gehen kann und einiges geschafft habe.

Dass Sie gehen, wenn es sozusagen am schönsten ist, kann man aber nicht sagen.

Ich übergebe den Betrieb gut aufgestellt, auch wenn wir vor denselben Herausforderungen stehen wie alle Kitas in Bremen und anderswo. Die gute Nachricht ist, dass es mittlerweile deutlich mehr Räume als noch vor wenigen Jahren in Bremen gibt. Die schlechte Nachricht ist: Es fehlt weiterhin an Personal. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Mir fallen dazu drei Dinge ein.

Und zwar?

Wir brauchen mehr Geld, um die Ausbildung besser zu bezahlen. In der praxisintegrierten Ausbildung gibt es ein ganz ordentliches Gehalt, aber das gilt eben noch nicht für alle Ausbildungswege. In Konkurrenz mit anderen Berufen hat es der Erzieherberuf damit sehr schwer.

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Liegt es in der Hand des Bremer Senats, das zu ändern?

Wenn das Land Bremen dafür Geld bereitstellen würde, könnte man zu Ende führen, was mit der praxisintegrierten Ausbildung erfolgreich angefangen worden ist. Ich glaube, damit könnte man eine ganze Reihe junger Menschen in diesen an sich attraktiven Beruf bringen. Aber Bremen hat scheinbar nicht genug Geld.

Zweiter Punkt?

Ich glaube, es ist dringend notwendig, die Arbeitsbelastung deutlich zu reduzieren. Ein erheblicher Belastungsfaktor bei Kita Bremen ist die hohe Anzahl an Förderkindern. Kita Bremen deckt 33 Prozent der Tagesbetreuung in Bremen ab, betreut aber 70 Prozent der Kinder mit Förderbedarf. Um die Belastungen der Erzieherinnen und Erzieher zu reduzieren, müssen die Gruppen mit Kindern mit Förderbedarf verkleinert werden. Nur so können wir den Kindern gerecht werden.

Warum werden sie nicht verkleinert, wenn genug Raum da ist?

Weil die Zahl der Fachkräfte nicht reicht. Allerdings glaube ich, dass das eine mit dem anderen in Zusammenhang steht: Würde die Belastung sinken, würden mehr Fachkräfte im Beruf bleiben. Wir haben ja nicht nur das Problem, junge Leute für uns zu begeistern, wir müssen sie auch halten. Das ist die eigentliche Katastrophe: Wenn uns Erzieherinnen und Erzieher nach der langen Ausbildung verlassen. Die Erfahrungen aus der Corona-Zeit haben gezeigt, dass die Erzieherinnen durch die Arbeit in kleineren Gruppen nicht nur selbst zufriedener waren, sondern auch den Kindern besser gerecht werden konnten und damit tun konnten, was sie zu dem Beruf motiviert hat.

Wo bleiben die Erzieherinnen und Erzieher, die Kita Bremen den Rücken kehren?

Das ist eine gute Frage. Ich kenne die Antwort nicht. Das wurde in einer Studie untersucht, dessen Ergebnis aber leider noch nicht vorliegt. Wir wissen, dass manche in Kitas ins Bremer Umland wechseln, wo nicht alles wie Bullerbü ist, aber doch häufig ganz anders als im sozialen Brennpunkt einer Großstadt. Die Fluktuation zwischen den Trägern von Kitas ist ebenfalls hoch.

Welches ist der dritte Punkt?

Wir müssen ehrlich über die Erwartungen sprechen, die Politik, Gesellschaft und Eltern an die Tagesbetreuung von Kindern haben.

Man hört schon heraus: Die Erwartungen sind zu hoch.

Sie sind, zumindest kurz und mittelfristig, praktisch unerfüllbar. Das gilt beispielsweise für die Zahl der Plätze. Ich glaube nicht, dass man ihre Zahl um Tausende erhöhen kann. Das geht weder finanziell noch personell. Die Erwartungen an den Umfang der Betreuung sind zu hoch. Es soll bestenfalls bis in die Abendstunden oder sogar übers Wochenende Betreuung geben. In der Fachöffentlichkeit und in anderen Städten wird dagegen diskutiert, ob man die Anzahl der Stunden nicht verringert, um Personal freizubekommen, damit zum Beispiel der Rechtsanspruch auf einen Platz verlässlich eingelöst werden kann.

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Waren die Zeiten für die Kita Bremen schon mal besser?

Momentan ist die Lage sehr herausfordernd, keine Frage. Als ich angefangen habe, sah die vermeintlich gute alte Zeit so aus, dass wir jedes Jahr mindestens eine Kita schließen mussten. Das war bitter für die Beschäftigten. Die finanzielle Grundausstattung war deutlich schlechter. Viele Erzieherinnen hatten nur Teilzeitstellen, oft waren sie befristet. Das hat sich grundlegend verbessert.

Was hat sich in den Jahren verändert? Zum Beispiel bei den Eltern?

Die meisten Eltern sind toll, engagiert und hilfsbereit. Aber ich glaube, dass der Druck, dass beide Eltern berufstätig sind, um sich einen gewissen Lebensstandard leisten zu können oder damit Frauen in ihrem Beruf bleiben, deutlich gewachsen ist. Die Kitas werden zudem von vielen Eltern als Dienstleister oder Reparaturbetrieb der Gesellschaft gesehen. Die Erzieherinnen und Erzieher bringen Mädchen und Jungen gerne etwas bei, aber sie können nicht die gesamte Verantwortung übernehmen. Obendrein wird der Umgangston rauer. Wenn irgendwas nicht klappt, drohen Eltern mit Rechtsanwälten oder werden grob und beleidigend gegenüber dem Personal. Das hat vor einigen Jahren in den Schulen angefangen und setzt sich jetzt leider in den Kitas fort.

Haben Sie in den vergangenen 20 Jahren genug Unterstützung aus der Politik bekommen?

Ich kann mich nicht beklagen. Es gibt einzelne Punkte, über die ich mich geärgert habe, aber wo gibt es das nicht? Manches von dem, was wir gemacht haben und wovon wir überzeugt waren, haben wir uns einfach getraut, ohne lange zu fragen.

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Gibt es irgendwas, was Sie sich von der Bremer Politik gewünscht hätten?

Ja, und zwar eine ehrliche Bestandsaufnahme dessen, was in den nächsten Jahren realistisch möglich ist. Wenn man das in pragmatischen Schritten umsetzen würde, wäre schon viel gewonnen.

Es wäre eher ungewöhnlich, wenn politische Verheißungen zurückgenommen würden – wie die höheren Kita-Ausbauziele.

Sicher, Politik funktioniert anders. Man soll sich anspruchsvolle Ziele setzen, aber sie müssen auch realistisch sein, sonst führen sie zu Frust und Demotivation.

Gibt es irgendetwas, was Sie von der Politik fordern?

Mehr Geld ist unbedingt notwendig. Hoch qualifizierte Mitarbeitende kosten Geld, und sie dürften noch besser qualifiziert sein – Psychologen, Sozialpädagogen, Logopäden. Diese Investitionen zahlen sich langfristig aus. In die Räume muss investiert werden. Es geht nicht nur um Neubauten, sondern auch um die Sanierung von bestehenden Räumlichkeiten. Das finanzielle Korsett ist viel zu eng.

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Gibt es etwas, das Sie jetzt – nachdem Sie nicht mehr zu Loyalität verpflichtet sind – loswerden wollen?

Ich habe mir so gut wie nie auf die Zunge gebissen und meine Meinung immer offen vertreten, auch wenn ich damit ein paar Mal angeeckt bin.

Warum sollte man Erzieherin oder Erzieher bei Kita Bremen werden?

Der Beruf ist unglaublich sinnstiftend. Die Arbeit mit Kindern ist toll. Es ist erfüllend zu erleben, wie sie lernen, wachsen und sich entwickeln. In unseren Häusern gibt es total tolle Teams. Es gibt sehr erfahrene und junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei uns arbeiten Männer und Frauen mit unterschiedlicher Herkunft. Auch das Einkommen ist inzwischen recht ordentlich.

Angenommen, es gäbe ein Buch mit dem Titel Kita Bremen – was sollte Ihr Kapitel in etwa beschreiben?

Anfangs war ich Stabilisator und der Fels in der Brandung, in den zurückliegenden Jahren auch Innovator. Ich habe mein Amt mit Empathie und Diplomatie gleichermaßen für Kinder, Familien und Beschäftigte ausgefüllt und glaube, dass ein großer Teil der Beschäftigten doch ein bisschen traurig ist, dass ich gehe.

Das Gespräch führte Silke Hellwig.

Wolfgang Bahlmann

ist bis zum 1. August Geschäftsführer und kaufmännischer Leiter des städtischen Eigenbetriebs Kita Bremen. Der gebürtige Bremer hat in Bremen Wirtschaftswissenschaften studiert und war einige Jahre in der Wirtschaft und in der Bremer Verwaltung tätig. Er tritt als Musiker mit der Band "Larry and the Handjive" und im Duo "Moon Fever" auf.

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