In einem offenen Brief an die Leitung der Universität Bremen kritisieren ehemalige Mitglieder der Uni das Vorgehen bei der Räumung des Pro-Palästina-Protests am 8. Mai scharf. Hintergrund: Etwa 30 Studenten hatten in der Glashalle des Unigeländes ein Protestcamp errichtet, welches von der Polizei friedlich aufgelöst wurde. Zuvor sprach die Uni Bremen von einem "nicht kalkulierbaren Risiko, dass sich aus dem friedlichen Protest eine massiv sicherheitsgefährdende Situation entwickelt." Knapp 100 Sympathisanten der Camp-Aktion, die sich im Bereich der Straßenbahnhaltestelle vor der Glashalle aufhielten, quittierten die Räumung mit Protestrufen.
Knapp eine Woche nach der Protestaktion wendeten sich nun ehemalige Professore und Absolventen der Uni Bremen an die Leitung. Im offenen Brief fordern die 53 Unterzeichner, die "Motive (der Protestler, Anm. d. Red.) Ernst zu nehmen und ihnen nicht mittels Androhung von Polizeigewalt, Platzverboten und Anzeigen entgegenzutreten." Es sei wichtig, dass den protestierenden Studenten Raum gegeben werde, "ihre Meinung öffentlich zu artikulieren."
Unterzeichner: "Maßnahmen waren repressiv"
Dabei berufen sich die Unterzeichner, unter denen auch ehemalige hohe Angestellte der Uni wie Detlev Griesche, Mitglied des Gründungssenats der Universität Bremen, gehören, auf die Traditionen, die sich die Uni Bremen selbst verschrieben hätte. Dazu gehöre ein soziales Miteinander, welches nicht von Hierarchien geprägt sein soll, die Kooperation und Solidarisierung mit sozialen Bewegungen sowie die antikolonialistische Haltung der Uni Bremen.
"Der Polizeieinsatz – der erste in der Geschichte der Bremer Universität – markiert einen Bruch in der Tradition und Kultur der Universität", kritisieren die Unterzeichner im offenen Brief. Die Maßnahmen, die die Uni Bremen durch die polizeiliche Räumung angeordnet hatte, seien laut dem Brief "repressive Maßnahmen, die Unsicherheit und Gegenreaktionen verursachen." Die Universität würde ihre eigenen Grundsätze "Toleranz, Inklusivität, Diversität" unterdrücken.
"Die Uni Bremen äußerte sich am Dienstag, 21. Mai, zum offenen Brief. Die Unileitung stehe im direkten Austausch mit den Unterzeichnern, "und sieht sich in weiten Teilen nicht im Widerspruch zu dem Brief der ehemaligen Studierenden und Lehrenden der Universität." Dabei will die Uni Bremen klarstellen, dass die Entscheidung zur Auflösung des Protestcamps nicht "leichtfertig getroffen" wurde.
"In der Abwägung waren die beobachtbare Ausweitung des Camps, die öffentlichen Aufrufe in den sozialen Medien, sich dem Protestcamp anzuschließen und die Sicherheitslage in einem zentralen Durchgangsgebäude für die Universitätsleitung in ihrer Schutzverantwortung für alle Uniangehörigen maßgeblich", so die Universität in einem Statement.
Ähnlicher Brief auch an Freier Universität in Berlin
An die Freie Universität Berlin wandten sich wegen ähnlicher Pro-Palästina-Proteste etwa 300 Lehrkräfte an die Unileitung und kritisierten das Vorgehen. Am 7. Mai hatten etwa 100 Protestler auf dem Theaterhof unerlaubt ein Protestcamp errichtet, welches ebenfalls mit polizeilichen Maßnahmen geräumt wurde. Dabei sollen auch antisemitische Äußerungen vonseiten der Protestler gefallen sein.
"Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt", hieß es in dem Dozenten-Schreiben. Gegenüber der "Bild"-Zeitung zeigte sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) empört über den Brief. "Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos", sagte die FDP-Politikerin. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden "Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost". Auch in den USA hatten Polizisten Proteste von Pro-Palästina-Aktivisten aufgelöst.