Der Fachkräftemangel in den Kitas wird sich in den kommenden Jahren verschärfen: Laut einem Bericht der Bildungsbehörde werden jährlich 450 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Deshalb soll die Einstellung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in den Kitas ab kommendem Jahr erleichtert werden. Mit einem auf drei Jahre befristeten Programm sollen alle Träger deutlich mehr Fachkräfte ohne eine Erzieherausbildung in ihre Einrichtungen holen können.
Das hat die Bildungsdeputation am Mittwoch beschlossen. So sollen Fachkräfte, die keine Erzieher-Ausbildung, aber passende berufliche Vorerfahrungen haben, direkt in den Kitas eingesetzt und parallel weitergebildet werden. Die berufsbegleitenden Fortbildungen sollen der Behörde zufolge beim Paritätischen Wohlfahrtsverband angesiedelt sein. Finanziert wird das Programm aus den Mitteln des Gute-Kita-Gesetzes. Die erste dieser Fortbildungsklassen soll im Februar starten. Bis 2022 rechnet die Behörde mit acht Klassen, in denen bis zu 192 Quereinsteiger qualifiziert werden sollen. Konkret ist vorgesehen, dass die Weiterbildungen spätestens drei Monate nach dem Einstieg in einer Kita beginnen und neun Monate dauern.
Nicht alle Quereinsteiger müssen eine Nachqualifizierung absolvieren: Kindheitspädagogen und Heilpädagogen sind unter anderem von der Auflage ausgenommen, vorgesehen ist die Schulung für Musikpädagogen, Hebammen oder Pädagogik-Absolventen. Als Bezahlung wird laut Behörde das übliche Erziehergehalt angestrebt. In den ersten sechs Monaten sollen die Zusatzkräfte von ausgebildetem Fachpersonal bei der Arbeit in den Gruppen begleitet werden.
Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) sagte am Mittwoch, dass mit dem Programm Handlungsspielräume in den Kitas geschaffen werden sollen. Wie dringend die Einrichtungen Personal brauchen, betonte auch Carsten Schlepper, Leiter des Landesverbandes der Evangelischen Kitas. Der Träger war ebenso wie Kita Bremen und andere in die Entwicklung des Programms eingebunden. „Wir haben eine große Verantwortung“, sagte er mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Arbeitsbelastung für Erzieher. „Wir haben im Moment niemanden sonst, den wir auf vorhandene Stellen setzen können.“ Deshalb sei das Programm eine Chance, gleichzeitig aber auch nur eine Übergangslösung.
Stefanie Lehmann, stellvertretende Personalratsvorsitzende von Kita Bremen, begrüßte zwar den Vorstoß der Behörde, sieht allerdings „mehrere Stolpersteine“. Inwiefern sechs Monate Begleitung für Quereinsteiger angemessen seien, müsse erst in der Praxis erprobt werden. Denn wann diese mehr Verantwortung übernehmen könnten, hänge auch von ihrer Eignung ab. Zudem sei ein solches Programm demotivierend für bereits ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher: Eine Qualifizierung in wenigen Monaten stehe im Missverhältnis zu vier Jahren Ausbildung, auf die ein Anerkennungsjahr folgen muss.
Sandra Ahrens, kinderpolitische Sprecherin der CDU, gab sich betont zurückhaltend: „Wir tragen das nur als Ausnahmepaket“, erklärte sie. „Uns fehlt ein Gesamtmaßnahmenpaket, um Personal für die Kitas zu gewinnen.“ Zudem sieht sie den Rückgriff auf Mangelberufe wie Hebammen kritisch: „Da müssen wir gucken, dass es keine Schwierigkeiten gibt.“ Thema in der Bildungsdeputation war auch der akute Mangel an Kita-Plätzen, die vor allem in benachteiligten Stadtteilen fehlen: Aktuell sind nach Angaben der Behörde 1066 Kinder in der Stadt ohne Betreuung (wir berichteten).
„Wenn Kinder derzeit keinen Zugang zu Bildung und Teilhabe in der Kita haben, bedauert das keiner so sehr wie ich“, sagte Senatorin Bogedan. Es fehle weder am Willen noch an finanziellen Mitteln, um mehr Kitaplätze zu schaffen – das Problem seien fehlende Räume und Fachkräfte. „Wenn jetzt Kitas gebaut werden, dann vor allem in benachteiligten Stadtteilen, aber damit hat man später begonnen“, sagte Thomas Jablonski, Leiter der Abteilung Kinder in der Behörde.
CDU-Politikerin Ahrens forderte: „Wir brauchen eine Lösung für die unversorgten Fünfjährigen, die nächstes Jahr in die Schule kommen und noch keinen Kindergarten von innen gesehen haben.“ Bogedan kündigte ein kurzfristiges Notprogramm an: Für 56 Fünfjährige ohne Kita-Platz werde die Stadt nun zumindest eine spielerische Sprachförderung in der Gruppe an zwei Wochentagen für jeweils drei Stunden anbieten. Das Angebot, das im laufenden Kita-Jahr starten soll, richtet sich an Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf.
Zudem will sich die Regierungskoalition um weitere kurzfristige Angebote für unversorgte Kinder bemühen. Eine kurzfristige Option könne möglicherweise sein, neue Tagesmütter zu schulen und bei der Stadt oder bei Kita-Trägern anzustellen, schlug Linken-Bildungspolitikerin Sofia Leonidakis vor. Diese könnten Kinder ohne Kita-Platz betreuen. Scharfe Kritik an den fehlenden Kita-Plätzen üben indes Vertreter vom Zentralelternbeirat und vom Gesamtelternbeirat katholischer Kitas. Sie haben einen offenen Brief an den Senat geschickt.
"Nichts reicht – nicht die Plätze, nicht das Personal und nicht die Leistungen", heißt es darin über die Situation in Kitas und Schulen. In Bremen versuche man, mit „klappernden rostigen Eimern" hektisch einen Flächenbrand zu löschen. Derzeit wachse eine "Generation Bildungsnotstand" heran, in der "allein die Geburt in wirtschaftlich stabile Verhältnisse" halbwegs sicherstelle, dass ein Kind lesen und schreiben lerne.
Die FDP hat eine Aktuelle Stunde für die Bürgerschaft in der kommenden Woche beantragt: "Über 1000 Kinder ohne Kita-Platz – wann setzt der Senat den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung um?“ lautet das Thema. Der Senat lasse 1000 Familien mit kleinen Kindern im Stich, kritisieren die Liberalen.