Zweimal Lockdown, monatelanger Wechselunterricht, viele Videokonferenzen und keine Abschlussfeier: Jugendliche, die in diesem Jahr ihr Abitur machen, haben einen ganz anderen Übergang von der Schule ins Erwachsenenleben erlebt als ihre Vorgänger in vergangenen Jahren. Drei von ihnen erzählen, wie es sich anfühlt, in der Pandemie seinen Abschluss zu machen.
Marie Graffstedt, 18 Jahre, Gymnasium Hamburger Straße:

Marie Graffstedt macht ihr Abitur am Gymnasium Hamburger Straße.
"Das Abitur war – wie wohl in jedem Jahr – mit unglaublich viel Stress verbunden. Aber in diesem Jahr waren wir außerdem sehr stark isoliert. Das war eine zusätzliche psychische Belastung. Man vereinsamt ein bisschen. Auch wenn man sich digital sieht, ist das nicht dasselbe, wie seine Mitschüler mal in den Arm zu nehmen. Vor allem, wenn man weiß, dass die anderen gerade genauso leiden wie man selbst. Und dass man sich nicht mal eben einen Nachmittag alle zusammen treffen und einen Tee trinken und Kekse essen kann.
Man konnte sich untereinander nicht so gut austauschen und unterstützen. Man hatte auch die Befürchtung, dass man nicht den kompletten Stoff mitbekommen hat durch die Lockdowns und den Online-Unterricht. Es war schwerer, sich immer wieder zu motivieren.
Wir haben in diesem Schuljahr viele Videokonferenzen gemacht, dadurch wurde es etwas leichter. Aber viele von uns haben gesagt, dass sie sich bei Videokonferenzen schlechter konzentrieren können. Online-Unterricht ist einfach unpersönlicher, und wenn dann Internetprobleme dazu kommen, ist es noch schwerer zu folgen.
Die Abi-Prüfungen haben wir mit Maske geschrieben. Man durfte die Maske nur kurz absetzen, wenn man einen Schluck Wasser trinken wollte. Wenn man länger die Maske abnehmen wollte, musste man in den Pausenraum gehen. Ich habe das nicht in Anspruch genommen, weil ich in meinen Prüfungen keine Zeit dafür hatte. Ich persönlich fand es gar nicht schlimm mit Maske, aber es gab andere, die das als große Belastung erlebt haben.
Besonders schade finde ich, dass wir unsere Null-Tage-Feier nicht so machen konnten, wie ich mir das vorgestellt hatte. Vieles, was andere am letzten regulären Schultag machen, ging bei uns nicht: Andere haben die komplette Schule dekoriert und alle Schüler aus den Klassen geholt. Und dann gibt es eine große Feier mit viel Musik in der Mensa oder auf dem Schulhof. Wir haben nur Luftballons und Girlanden verteilt, ohne Feier."
Moritz Kern, 19 Jahre, Schulzentrum Bördestraße:

Moritz Kern macht sein Abitur am Schulzentrum Bördestraße.
"Ich habe am Donnerstag meine letzte Abiturprüfung gemacht und muss ehrlich zugeben, dass es eine große Herausforderung für uns alle war. Durch den ausgefallenen Unterricht über Monate und anfangs noch ganz ohne Videokonferenzen, waren wir viel auf uns allein gestellt. Man hat sich da schon ein wenig allein gelassen gefühlt. Oft war es extrem schwer, sich den Unterrichtsstoff selbst beizubringen. Man hat in dieser Zeit echt gemerkt, von welcher Bedeutung die Lehrkräfte sind, weil immer Fragen aufgekommen sind, sodass man nie flüssig an den Aufgaben arbeiten konnte.
Als dann mit der Zeit die Videokonferenzen eingeführt wurden, war die Atmosphäre trotzdem nicht so familiär wie im Unterricht. Die meisten Schüler haben ihre Mikrofone stumm und ihre Kameras ausgestellt und nur dann angemacht, wenn sie aufgerufen wurden. Wir haben uns also auch nicht wirklich gesehen. Und fast alle sind vor der Kamera einfach schüchterner als im Unterricht. In der Schule gibt jeder seinen Senf dazu, online gab es viel weniger Diskussionen. Aber Debatten und verschiedene Meinungen gehören ja auch zu einem guten Unterricht dazu.
Ein Problem war auch: Wenn wir dann mal wieder Präsenzunterricht hatten, dann haben wir oft einen großen Berg Arbeitszettel bekommen. Da war es schwer, den Überblick zu behalten. Die iPads waren für viele von uns dann schon eine technische Bereicherung, weil man damit besser arbeiten kann. Leider haben wir die Geräte an unserer Schule erst ziemlich spät bekommen.
In diesem Jahr fehlt einfach vieles: Abi-Streich, Abi-Feier, das fällt bei uns alles weg. Eventuell machen wir noch was Kleines nur mit unserer Klasse, aber eine große Feier geht nicht. Es ist schade, dass das nicht stattfinden kann, weil man sich noch von seinen Mitschülern verabschieden und ihnen alles Gute wünschen möchte. Gemeinsam die Abi-Zeit noch mal Revue passieren lassen, mit den Lehrern noch mal anstoßen, das ist ja eigentlich auch eine schöne Geste."
Angelina Robledo, 22 Jahre, Schulzentrum Walle

Angelina Robledo macht ihr Abitur am Schulzentrum Walle.
"Es fühlt sich irgendwie surreal an, in diesem Jahr sein Abitur zu machen, nicht richtig echt. Es fühlt sich nicht an wie Abi. Was verbindet man mit dem Abitur? Dazu gehört ja auch so etwas wie Abi-Fahrt und Abi-Ball und einfach eine coole Gemeinschaft und eine tolle Zeit zu haben, während man das letzte Stück seiner Schullaufbahn geht. Und jetzt ist ja nichts mehr davon da. Stattdessen geht man in die Schule und bekommt am Ende einen Zettel in die Hand gedrückt.
Ich hatte von Anfang an das Gefühl, ich kann nicht mein volles Potenzial entfalten, weil es ja oft nur die Hälfte des Unterrichts gab. Online ist einfach vieles schwierig. Ich glaube, ich hätte in normalen Zeiten besser sein können.
Ich mache den Lehrern keinen Vorwurf, kein Stück. Viele Lehrer haben sich echt Mühe gegeben, aber das ersetzt eben nicht das normale Schuljahr. Und alle waren natürlich überfordert davon, dass jede Woche neue Regeln kamen. In der Folge gab es für uns dann oft viel Stoff auf einmal, den wir zu Hause nacharbeiten sollten. Meistens war das zu viel, sodass man sich nicht auf alles konzentrieren konnte. Ich hatte das Gefühl, mir läuft dieses Jahr davon.
Am meisten fehlt mir auf jeden Fall eine Abschlussfeier. Ich vermisse meine Klasse ganz doll. Zu der Hälfte der Klasse, zu der man nicht gehört, verliert man total den Bezug. Es kommt mir vor, als hätte ich die Leute ewig nicht gesehen. Es ist so schade, man sieht sich höchstens ganz kurz, wenn beide Halbgruppen nacheinander Klausuren schreiben. Wir werden ja möglichst fern voneinander gehalten. Man schafft es dann nur, dem, den man gern hat, kurz hinterher zu winken und zu rufen: "Wie geht's Dir?" Ich vermisse diese Gemeinschaft.
Und es bringt so viel Ungewissheit mit sich, wenn jede Woche etwas Neues kommt. Unsere Lehrer haben versucht, uns möglichst gut auf die Prüfungen vorzubereiten. Am Ende bin ich froh, behaupten zu können, mein Abi trotzdem irgendwie geschafft zu haben."