In der Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) der Bremer Außenstelle weitere Asylentscheide vorerst komplett verboten. Er habe entschieden, dass das Ankunftszentrum ab sofort und bis zum Abschluss der Ermittlungen und Überprüfungen keine Asylentscheidungen mehr trifft, ließ Seehofer am Mittwoch über sein Ministerium mitteilen.
„Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums Bremen ist massiv geschädigt worden“, sagte Seehofer. Asylverfahren aus der Hansestadt werden laut Ministerium von anderen Bamf-Außenstellen übernommen.
So reagiert die Bremer Politik:
In Bremen gab es unterschiedliche Reaktionen auf Seehofers Entscheidung: Während Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Schritte begrüßte und hervorhob, dass das Vertrauen in das Bamf schwer erschüttert sei, kritisierte Sofia Leonidakis, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, dass der Bundesinnenminister damit eine ganze Behörde unter Generalverdacht stelle.
In Bremen sollen zwischen 2013 und 2016 Mitarbeiter mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt haben. Gegen die damalige Bremer Bamf-Chefin und weitere Verdächtige ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die zwischenzeitliche Nachfolgerin der unter Verdacht stehenden ehemaligen Bamf-Leiterin, Josefa Schmid, warf der eigenen Behörde laut einem Bericht der „Zeit“ nun vor, sie „willkürlich“ ins bayerische Deggendorf versetzt zu haben. Zu ihrer Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Bremen erhebe Schmid den Vorwurf, die Versetzung habe den „Charakter eines Racheakts“. Das Gericht bestätigte den Eingang der schriftlichen Begründung von Schmid.
Die Geschichte sollte nach Schmids Ansicht nicht an die Öffentlichkeit. In einer eidesstattlichen Versicherung erklärt Josefa Schmid, dass ihr ein hoher Bamf-Mitarbeiter aus Nürnberg gedroht habe: „Wenn noch ein weiterer Bericht über Sie im Zusammenhang mit dem Bremer Asylskandal veröffentlicht wird, werden Sie abgezogen.“ Dies sei mit dem Bundesinnenministerium so vereinbart.
Seehofer wies das Bamf nun zu weiteren Maßnahmen an, die die Qualität der Asylentscheidungen sichern sollen. So würden nach dem Zufallsprinzip zehn Prozent aller Asylentscheidungen überprüft. Dafür werde die Mitarbeiterzahl der Bamf-Qualitätssicherung verstärkt.
Als Grund für Seehofers Entscheidungsverbot für Bremen nannte das Ministerium, ein Bericht der internen Bamf-Revision zeige dort eine bewusste Missachtung von Gesetzesregeln und Dienstvorschriften. Das Vier-Augen-Prinzip sei mangelhaft beachtet worden. Die Behörde prüft neben Bremen bereits zehn andere Außenstellen, die über- oder unterdurchschnittlich oft Schutz gewährt hatten. Weitere, etwa personelle Konsequenzen seien „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht geplant, sagte eine Ministeriumssprecherin.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geht einer Strafanzeige gegen Bamf-Chefin Jutta Cordt und weitere Mitarbeiter nach. Geprüft werde der in der Anzeige aufgeworfene Verdacht einer Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet, sagte eine Sprecherin. Die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Seehofers Parteifreundin Andrea Lindholz, stellte die Zukunft von Jutta Cordt infrage.
Ex-Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Behörde sei durch die hohe Zahl von Asylanträgen „überfordert“ gewesen. „Es gab keine Strukturen, die dieser Belastung hätte gerecht werden können, keine funktionierende IT, keine Prozesskette.“
In Bremen wird am Freitag eine Delegation des Bundesinnenministeriums erwartet, um über den Bamf-Skandal zu sprechen. Innensenator Mäurer hatte zuvor die Informationspolitik des Bamf kritisiert und einen umfassenden Bericht von Seehofer gefordert. Wer genau nach Bremen kommen wird, ist laut Innenressort noch unklar.
Seehofer selbst soll am Dienstag im Innenausschuss des Bundestages Rechenschaft ablegen. Sollte er dort keine Aufklärung leisten können, „muss auch über einen Untersuchungsausschuss geredet werden“, sagte Linken-Fraktionsvize Sevim Dagdelen. Bisher fordern nur FDP und AfD einen solchen Ausschuss. Auch die Linken oder die Grünen müssten dafür votieren, damit solch ein Gremium die nötigen Stimmen erhält.
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