Vegesack. Leni greift die Hand ihrer Ausbilderin. Die Fünfjährige zögert nicht lange. Sie hält sich die Nase zu und springt ins Wasser. Lachend taucht sie wieder auf. Sichtlich stolz versichert sie: „Ich hab gar keine Angst.“ Leni nimmt im Freizeitbad Vegesack an einem Seepferdchen-Kurs der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) teil. Dass Kinder in Lenis Alter schwimmen lernen, ist keine Selbstverständlichkeit. Der DLRG-Bezirksverband Bremen-Nord will dazu beitragen, dass sich das ändert. Im Zuge des Projekts „Seepferdchen für alle“ bietet die DLRG kostenlose Rettungsschwimmausbildungen und Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte an.
„Immer mehr Kinder sehen erst beim obligatorischen Schulschwimmen in der dritten Klasse das erste Mal ein Schwimmbad von innen“, sagt Philipp Postulka, Sprecher des DLRG-Bezirksverbands Bremen-Nord. Und auch nach dem Schulschwimmen könne laut einer Statistik jedes dritte Kind noch nicht schwimmen. „Wir vermuten, dass in Bremen sogar jedes zweite Kind nicht sicher schwimmen kann.“ Nach der Definition der DLRG kann ein Kind dann „sicher schwimmen“, wenn es mindestens das Deutsche Jugendschwimmabzeichen Bronze, auch Freischwimmer-Abzeichen genannt, erworben hat.
Dabei sei es wichtig, betont Postulka, dass Kinder schon möglichst früh lernen, sich sicher im Wasser zu bewegen. Deshalb beteiligt sich der Nordbremer Bezirksverband schon seit mehreren Jahren an dem bundesweiten Projekt „Seepferdchen für alle“. Ziel ist, die Anzahl potenzieller Ausbilder zu vergrößern, um so mehr Kinder an das Wasser zu gewöhnen und zu animieren, schwimmen zu lernen.
Das Projekt richtet sich an Erzieherinnen und Erzieher, Tagesmütter und -väter sowie Grundschullehrerinnen und -lehrer. Sie sollen motiviert werden, mit ihren Schützlingen ins Wasser zu gehen und den ersten Schritt zur Schwimmausbildung zu machen. Das Projekt wird durch das Unternehmen Beiersdorf finanziell gesponsert und ist dadurch für die Teilnehmer vollständig kostenlos. Die Teilnahme wird zudem als Fortbildungsmaßnahme anerkannt.
Training im Sportbad Grohn
Nach der Ausbildung erwerben die Teilnehmer die Berechtigung, das Seepferdchen-Abzeichen abzunehmen. Zunächst nehmen sie an Rettungsschwimmkursen der DLRG teil und machen das Rettungsschwimmabzeichen Silber. Trainiert wird immer dienstags im Sportbad Grohn. Der Kurs läuft etwa zweieinhalb Monate an zehn Abenden. „Der Einstieg in die Rettungsschwimmkurse ist jederzeit möglich“, sagt Philipp Postulka.
Auf die erfolgreiche Prüfung folgen dann zwei jeweils zweitägige Lehrgänge, die in Bad Nenndorf stattfinden: der Vorbereitungslehrgang zum „Ausbildungsassistent Schwimmen“ und schließlich die Qualifikation zum Ausbildungsassistenten. Dieser befähigt zur Abnahme der Seepferdchen-Prüfung und ist vom Deutschen Olympischen Sportbund als Vorstufenqualifikation auf dem Weg zum Trainer anerkannt.
„Die Reise- und Unterkunftskosten werden übernommen“, betont Postulka. Unter anderem lernen die Teilnehmer Tipps und Tricks, wie Kinder spielerisch über richtiges Verhalten am Wasser aufgeklärt, an das Element gewöhnt und an das Schwimmen herangeführt werden können. So wie Leni und elf andere Mädchen und Jungen, die sich an diesem Abend im Nichtschwimmerbecken des Freizeitbads tummeln. Unter der Leitung von Marina Steiert und weiteren Trainern üben sie zum Teil mithilfe von Schaumstoff-Nudeln und Schwimmbrettern, zum Teil aber auch schon ohne Hilfsmittel, die richtigen Arm- und Beinbewegungen.
Marina Steiert hat vor einigen Jahren ebenfalls an dem Projekt „Seepferdchen für alle“ teilgenommen, ist so im Jahr 2009 zur DLRG gekommen – und geblieben. Inzwischen leitet die Erzieherin aus Neuenkirchen die gesamte Abteilung Schwimmausbildung beim Nordbremer DLRG-Bezirksverband. Im Jahr 2016 ist die 36-Jährige für ihr Engagement mit dem „Sonderpreis für Seepferdchen-Unterstützer“ ausgezeichnet worden. Damit ehrt das Unternehmen Beiersdorf Ehrenamtliche, die sich in herausragender Weise für das Anfängerschwimmen verdient machen.
Dienstags leitet Marina Steiert im Sportbad Grohn Schwimmkurse für Bronze-, Silber- und Goldabzeichen sowie für Rettungsschwimmer. Donnerstags bringt sie Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Freizeitbad Vegesack das Schwimmen bei. Die Seepferdchen-Gruppen liegen ihr allerdings besonders am Herzen. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell die Kinder sich ans Wasser gewöhnen. Leni mochte es vor Kurzem noch gar nicht, wenn ihr Kopf beim Duschen nass wird. Mittlerweile springt sie ins Wasser und taucht ohne Probleme ganz unter.“
Während die Ausbilderin mit den meisten Seepferdchen-Anwärtern im Nichtschwimmerbecken übt, geht es für ein Mädchen aus der Gruppe an diesem Abend auch ins tiefe Schwimmerbecken. „Wenn sie die 25-Meter-Bahn heute schafft, dann hat sie die Seepferdchen-Prüfung bestanden“, erklärt Marina Steiert. Die sechsjährige Leah gibt alles. Angefeuert von ihrem Trainer, der neben ihr herschwimmt, versucht sie, die Strecke zu bewältigen. Ganz klappt es an diesem Abend dann zwar doch nicht. Sie muss sich zwischendurch am Beckenrand festhalten. Ihre Schwimmausbilder trösten sie jedoch: „Nächste Woche schaffst du es bestimmt.“ Dann bekommt auch Leah ihr Seepferdchen-Abzeichen.