B ienvenidos – zackig legt der groß gewachsene Seemann die Hand an den Mützenschirm und begrüßt die zahlreichen Gäste, die seit 30 Minuten geduldig an der Gangway gewartet und vielleicht auch mit der zierlichen Offizierin geflirtet haben. Gerade eben hat die kolumbianische „Gloria“ zum „Open Ship geöffnet“, der liebsten Beschäftigung der Sail-Besucher. Zehntausende entern die Großsegler, die im Neuem Hafen festgemacht haben.
„Ich will einfach mal sehen,wie man so lebt auf einem Windjammer“, sagt eine bayerische Touristin, die erstmals auf der Sail ist und etwas wackelig die Gangway an Bord erklommen hat. Mit der „Gloria“ hat sie dabei ein Schiff erwischt, das der kolumbianischen Armada angehört, der Marine der Republik. Mitsegeln geht hier nicht, an Bord herrscht militärischer Drill – gepaart mit südamerikanischer Lebensfreude. Schon bei der Einlaufparade begeisterte die 120-Mann-Crew mit einer perfekten Formation in den Wanten: Gekleidet in blau, rot und gelb präsentierten sie ihre Landesfahnen.
Jetzt ist entweder die weiße Ausgehuniform oder ein sportlicher Arbeitsdress für die Seeleute angesagt. „Es muss immer etwas gearbeitet werden“, sagt Juan, der gerade Farbe aufträgt. Auch wenn Hunderte Besucher über das blank geputzte Deck gehen, sich an akkurat verschnürrten Seilen und Knoten erfreuen und jede zugängliche Stelle des Seglers erkunden. Genauso findet es in diesem Moment und den ganzen Tag über auf allen Schiffen statt, die gemeinsam pünktlich ab 11 Uhr geöffnet haben.
Und alle Seeleute geben den Sehleuten freiwillig und gerne Auskunft über ihre Schiffe. „Die ,Gloria’ ist 64,6 Meter lang“, erzählt Fernando Diaz. Ob es schön sei, überall anzulegen und die Länder zu sehen? „Ja, natürlich“, antwortet Diaz. Außerdem schweiße der Aufenthalt trotz der militärischen Struktur zusammen. „Das ist doch eine tolle Sache“, sagt Rainer Schmoll, einer der vielen Besucher an Bord. Die vielen Details an Bord faszinieren ihn. Am Ende gibt’s daher nicht nur den Schiffsstempel – begehrtes Sammelgut der Sail –, sondern auch ein Andenken, das an Bord verkauft wird.
Das ist für viele andere Schiffe sogar eine wichtige Einnahmequelle. Denn nicht alle werden von einer Marine betrieben. Etliche sind als Schiffe für Trainees und Möchte-gern-Kennenlernen-Seeleute ausgelegt, auf denen man das Seefahrerleben nachfühlen kann. „Wir finanzieren uns zum Teil darüber“, sagt Emanuel Persson von der Betreibergesellschaft der „Goetheborg“. Der Nachbau eines alten schwedischen Handelsschiffs war 2010 erstmals auf der Sail und erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Auch hier hat sich an Land eine Schlange gebildet. Die Gäste möchten an Bord ein Bild der alten Lebensweisen auf See bekommen. Und dafür tut die Mannschaft vieles, unter anderem wird in historisch angehauchten Kostümen gearbeitet. „Das ist sehr interessant“, sagt Manuel Schäfer nach der Besichtigung. „Da kann man wirklich Lust darauf bekommen, einmal mitzureisen.“ Ob er es wirklich macht, weiß er aber nicht.
Doch den meisten reicht der Besuch eines Schiffs. „Ansehen ja, mitfahren muss nicht sein“, sagt Richard Schmidt, nachdem er auf der einst in Bremerhaven gebauten „Statsraat Lehmkuhl“ gewesen ist: In Hängematten schlafen und mit anpacken sei eher nichts für ihn.
Das Open Ship bleibt aber in jedem Fall für die Besucher ein Muss auf dem Windjammer-Festival. „Deswegen kommt man doch – erleben, sehen und sich ein wenig wie ein Seemann fühlen, das ist großartig“, so Schäfer. Vielleicht ist es auch die Ehrerweisung, die die Mannschaft ihren Gästen an Bord entgegenbringt. Denn auch beim Verlassen salutiert der kolumbianische Offizier und verabschiedet die Sehleute gebührend.