Jetzt zeigt die Anwohnerschaft rund um den Sielwall den Posern, die nach den Wochenend-Sperrungen des Sielwalles nun durch die umliegenden, kleineren Straßen heizen, die Rote Karte. Mittlerweile gründen sich Bürgerinitiativen, um zu versuchen, die Gesamtsituation im Viertel zu verbessern. Der Juli wurde zum Aktionsmonat ausgerufen. Weitere Aktionen sollen den Sommer über folgen. Dabei setze die Anwohnerschaft immer wieder auf den konstruktiven Dialog, gerade auch mit dem Partyvolk, das an den Wochenenden zu tausenden den Osterdeich belagert. So schilderte es Anwohnerin Anja Wedel ganz am Ende der mehr als dreistündigen Sitzung des Beirates Östliche Vorstadt.
Stefan Schafheitlin von der Bürgerinitiative "Leben im Viertel", fragt sich, ob "diese unhaltbare Situation" der Anwohnerschaft den ganzen Sommer über zugemutet werden soll. Er kann nicht verstehen, weshalb der Straßenverkauf von Alkohol ab 22 Uhr gilt, aber erst um ein Uhr nachts das Alkoholkonsum-Verbot greift. "Dann sind die Leute schon so blau, dass eine Ansprache seitens der Polizei zwecklos ist", so Schafheitlin, der eine Vorziehung dieses Tagesordnungspunktes beantragt hatte. Für viele sei nicht ersichtlich, dass die Sokos "Raser und Poser" in Hamburg und Oldenburg erfolgreich die aufgetunten Angeber-Schlitten aus dem Verkehr zögen, still legen und die Führerscheine der Fahrer einziehen würden und das in Bremen eben nicht möglich sei. Auf Nachfrage bei Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) betont der wiederum, dass das nicht so einfach sei, die Polizei müsse nachweisen, dass es sich dabei um nachweislich manipulierte Fahrzeuge handele. Die Beiräte Mitte und Östliche Vorstadt sollten sich doch bitte verstärkt für eine Deeskalation einsetzen, so Schafheitlin und brachte es auf den Punkt: "Das Adrenalin sucht sich neue Wege".
Zumal die Anwohnerschaft aus der Linienstraße es vor Kurzem als skurril empfand, dass die Polizei ausrückte und Anzeigen ausstellte, als die Anwohnerinnen und Anwohner sich zu einem friedlichen Sit-in auf der Linienstraße trafen, um dort an einer gemeinsamen Tafel zu essen und damit die Durchfahrt für die Autoposer zu blockieren. Dieser kreative Bürgerprotest ist unterdessen am Sielwall am Wochenende fortgesetzt worden, dieses Mal allerdings ohne Anzeigen-Sanktionierung durch die Polizei. Wedel betonte, dass nicht etwa feiernde Viertelkinder Anlass zur Kritik böten, sondern vielmehr ein äußert aggressives, ja gewaltbereites Klientel. Das hat auch Peter Kadach (CDU) bei Gesprächen mit der Anwohnerschaft festgestellt. Dass die Menschen, die in der Nähe des Sielwalles wohnten, inzwischen massiv bedroht werden würden, wenn sie sich ganz höflich beschwerten, das ginge gar nicht. Es wäre an der Zeit, dass die Innenbehörde diese Zustände abstelle, so Kadach.
Dass Poser mit hoher Geschwindigkeit durch Spielstraßen führen, Häuser zudem angeschmiert und Flaschen zerschlagen würden, dass schade dem Image des Viertels, so Anja Wedel. Ja, es habe sich im Viertel massiv etwas zum Unguten verändert, sagt Wedel, in dritter Generation Anwohnerin im Viertel. Viertel-Bewohnerin Hilde Kohake hat indes ein weiteres Problem ausgemacht. Neulich sei sie am Goetheplatz mit Polizeibeamten ins Gespräch gekommen, die über die chronische Unterbesetzung geklagt und gesagt hätten, sie solle ruhig an entsprechender Stelle darauf hinweisen, was sie in der Beiratssitzung nachdrücklich tat. Werner Scharf von "Leben im Viertel" forderte gar, die Soko "Raser und Poser" personell zu verdoppeln. Immerhin sollen die Stellen der Kontaktpolizisten in der Polizeiwache Steintor wieder neu besetzt werden. Die Beiratsmitglieder kündigten an, nach der Sommerpause den neuen Revierleiter Lars Freymark zu der gesamten Thematik einladen zu wollen.
Ortsamtsleiterin Hellena Harttung versicherte, dass sie in ständigem Kontakt mit den Behörden sei, um die Situation, gerade in den Nebenstraßen, zu verbessern. Sie bedankte sich ausdrücklich für die "wichtigen Rückmeldungen", es sei absurd, dass in den Nebenstraßen gepost werden würde. Dabei gilt im Sielwall eigentlich Tempo 30. "Es hält sich nur niemand daran", empört sich Petra Reinhardt aus der Linienstraße. Das Aufstellen von Blitz-Geräten hält sie für mehr als angebracht. Daniel Fries, Geschäftsmann, Familienvater und Anwohner im Peterswerder, wiederholte seine Forderung nach Einrichtung eines Bürgerbüros, um die Verantwortung für das Viertel auf mehrere Schultern zu verteilen. Hier könnten beispielsweise die Anwohnerschaft und die Geschäftsleute Ideen für die Zukunftsfähigkeit des Viertels sammeln, um neue Energien und Impulse zu mobilisieren. Er kenne so manche Familie, die inzwischen kapituliert habe und nun aus dem Viertel wegziehe.