- Dieser Text erschien erstmals im Oktober 2018
Auf Anhieb konnte Rolf Rahders nicht sagen, ob das selbst gemachte Foto von Elvis Presley überhaupt noch vorhanden sei. Da müsse er mal nachsehen, erklärte der 78-Jährige. Vielleicht ließe es sich noch auftreiben, vielleicht aber auch nicht. Nur um ein wenig Geduld müsse er bitten, seine Enkel seien gerade zu Besuch, mit denen spiele er Eisenbahn. Tags drauf meldete sich der frühere Schulleiter wieder.
Und konnte tatsächlich einen Erfolg verkünden – der Schnappschuss hatte sich angefunden. „An sich nichts Besonderes“, meint Rahders. Der King des Rock’n’Roll mit seinem legendären Seesack über der Schulter. Dieses Motiv ist um die Welt gegangen. Es zeigt Elvis, wie er am 1. Oktober 1958 in Bremerhaven deutschen Boden betritt.
Der gefeierte Star, der umjubelte Mädchenschwarm war damals schon fast ein halbes Jahr in der US-Army. Vom lockeren Soldatenleben wollte er nichts wissen, obwohl ein Einsatz in der Truppenunterhaltung ohne weiteres möglich gewesen wäre. Im Frühling 1958 hatte er seine Grundausbildung in einem Panzerbataillon aufgenommen. Im Herbst dann der Truppentransport nach Deutschland, wo er in Hessen stationiert war. Freilich nicht als einfacher GI in einer Kaserne – erst weilte Elvis in einem Hotel, dann in einem Privathaus.
Ankunft von Elvis Presley hielt Bremerhaven tagelang in Atem
Rolf Rahders besuchte damals die Humboldtschule in Bremerhaven. Die Musik von Elvis habe er gern gehört, erinnert er sich. „Die fand ich durchaus gut.“ Allerdings sei er kein „Super-Fan“ gewesen. „Mich trieb vor allem die Neugier, ich wollte dieses Ereignis nicht verpassen.“ Schon seit Tagen hielt die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft des Musik-Idols die Stadt in Atem.
Als es dann endlich so weit war, gab es eigentlich kein Durchkommen, die Columbuskaje war weiträumig abgesperrt. Und doch konnte sich der damals 18-Jährige an den Ordnungskräften vorbeimogeln. Der Trick: „Ich habe Arbeitsklamotten angezogen und meine rote Karte gezeigt.“ So eine rote Karte hätten viele seiner Mitschüler gehabt. Von der Arbeitsvermittlung habe man die bekommen als Zugangsausweis für das Hafengelände. „Wir haben nebenbei als Aushilfsarbeiter ein bisschen Geld dazu verdient.“

Die Autogrammjäger warteten sehnsüchtig: Elvis Presley verlässt am 1. Oktober in Bremerhaven den US-Truppentransporter.
In jenen Tagen, als noch jede Hand zum Be- und Entladen der Stückgutfrachter gebraucht wurde, als der Container noch nicht seinen Siegeszug angetreten hatte. Als Elvis seinen Fuß an Land setzte, hatte Rahders keinen Dienst. „Ich habe nicht gearbeitet an diesem Tag.“ Doch die Arbeitskluft wirkte Wunder, dem jungen Mann gelang es, sich ganz in die Nähe des Superstars zu schleichen. „Fast bis zur Gangway bin ich gekommen.“
Als es nicht mehr weiterging, zückte er seinen Fotoapparat – und tatsächlich glückte ihm ein Schnappschuss, der zumindest einfachen Ansprüchen genügte. Und gut genug war, um Begehrlichkeiten zu wecken. In der Schule hat Rahders das leicht grobkörnige Schwarz-Weiß-Foto etliche Male verkauft. Wie oft genau, das kann er heute beim besten Willen nicht mehr sagen.
„An die 100 Abzüge habe ich bestimmt unters Volk gebracht“, schätzt Rahders. Immer wieder sei er zur Drogerie gepilgert, um eine neue Lieferung in Auftrag zu geben. „Die Nachfrage war eben ziemlich groß.“ Eine gewisse Geschäftstüchtigkeit kann man Rahders kaum absprechen. Zumal er nur einen Ausschnitt des Fotos feilbot, daher die Grobkörnigkeit. „Eigentlich waren noch ein paar andere Leute mit auf dem Bild.“
Gleichwohl legt er Wert auf die Feststellung, nicht aus schnöder Profitgier gehandelt zu haben. Das große Geld sei damit nicht zu machen gewesen. Zu „horrenden Preisen“ habe er sein Werk wahrlich nicht abgesetzt, auch nicht absetzen wollen. Irgendwie bewegte ihn sogar ein sozialer Gedanke. „Es war eben das Elvis-Foto für den kleinen Geldbeutel.“
Zeitgeist der Elvis-Zeit hielt auch in Bremerhaven Einzug
Auch wenn Rahders sich nicht einreihen will in die weltweite Gemeinschaft der Elvis-Fans, bei einem Blick auf zeitgenössische Porträtfotos seiner selbst kann er nicht leugnen, dass der Zeitgeist seine Spuren hinterlassen hatte. Ein Bild aus jener bewegten Zeit zeigt ihn nach eigenem Eingeständnis „mit leichter Elvis-Frisur“. Als der King nach Ablauf seiner zweijährigen Militärdienstzeit 1960 wieder in die USA zurückkehrte und in eher seichten Musikkomödien seinen zweiten Karriereschritt als Leinwandidol einläutete, verließ Rolf Rahders als frisch gebackener Abiturient die Schule.
Später hat der 78-Jährige eine Lehrerlaufbahn eingeschlagen. Zehn Jahre lang unterrichtete er Mathematik und Physik am Kippenberg-Gymnasium, danach war er noch ein Jahr am neu errichteten Schulzentrum „Im Holter Feld“ tätig, bevor es ihn 1977 im Todesjahr des King nach Afrika zog.
Sechs Jahre leitete Rahders die deutsche Schule in Kenias Hauptstadt Nairobi. Danach übernahm er die Schulleitung des Oldenburg-Kollegs, einer Art Abendgymnasium für den zweiten Bildungsweg. Und Elvis? Den hört Rahders noch dann und wann. Auch in Afrika habe man dem King gelauscht. „Obwohl damals schon andere Musik angesagt war – die Les Humphries und Abba.“

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