Sechs Wochen Krankenhaus, davon vier Wochen auf der Intensivstation und zwei auf der Corona-Station: 53.800 Euro. Auf diese Summe belaufen sich die Kosten der stationären Corona-Behandlung eines Bremer Privatpatienten, der vor gut zwei Jahren schwer an Covid-19 erkrankt war und zeitweise künstlich beatmet werden musste. Auf Bitten des WESER-KURIER ist der Mann seine diversen Rechnungen durchgegangen.
Wie teuer ist eine Corona-Behandlung im Krankenhaus? Auf diese Frage gibt es viele Antworten, weil es viele verschiedene Krankheitsverläufe gibt. Das wissenschaftliche Institut der AOK, bei der 26 Millionen Menschen krankenversichert sind, hat versucht, Durchschnittswerte für eine stationäre Behandlung zu ermitteln. Dafür hat die AOK 182.000 Fälle aus der Zeit von März 2020 bis Ende Mai 2021 analysiert, in denen ein Patient mit oder wegen Covid-19 im Krankenhaus gelegen hat.
Ergebnis: Die stationäre Behandlung kostet im Schnitt 10.200 Euro. „Die Abweichungen können im Einzelfall aber beträchtlich sein“, teilt die AOK mit, je nach Dauer des Aufenthaltes, dem Alter und der Konstitution des Patienten sowie dem Verlauf und der Schwere der Erkrankung. Die durchschnittlichen Kosten für Patienten, die mit einer Ecmo-Maschine, also einer sogenannten künstlichen Lunge, beatmet werden mussten, betragen demnach 92.000 Euro. Fälle mit künstlicher Beatmung liegen im Schnitt bei 34.200 Euro, Fälle ohne Beatmung bei 5800 Euro.
Die Barmer, bei der rund neun Millionen Menschen versichert sind, nennt auf Anfrage ähnliche Zahlen: 8200 Euro sind es bei Fällen ohne Beatmung; 32.000 Euro bei Fällen mit Beatmung und bis zu 100.000 Euro beim Einsatz der Ecmo-Maschine. Die durchschnittliche Verweildauer von Patienten, die mit oder wegen Covid-19 ins Krankenhaus gekommen sind, liegt laut Kasse bei zwölf Tagen. Bei künstlich beatmeten Patienten könne der Aufenthalt mehr als 100 Tage oder noch länger dauern, heißt es weiter.
„Die Versorgung von Patienten mit einer Corona-Infektion ist sehr aufwendig, auch bei weniger schweren Verläufen“, sagt Karen Matiszick, Sprecherin der Gesundheit Nord (Geno). Alle positiv getesteten Patienten müssen in einer speziellen Isolierstation oder in einem isolierten Zimmer untergebracht werden. Alle Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Therapeuten und Reinigungskräfte müssen bei jedem Betreten eines Zimmers neue Schutzkleidung anziehen – FFP2-Maske, Schutzbrille oder Visier, Haube, Handschuhe und Schutzkittel.
Bei beatmeten Patienten und erst recht bei denen, die eine Ecmo-Therapie benötigen, ist in der Regel eine Eins-zu-eins-Betreuung erforderlich. Diese Patienten müssen regelmäßig in Bauchlage gedreht werden, damit die Lunge entlastet wird. „Dieser Vorgang ist zeit- und kraftaufwendig“, sagt Matiszick, „alle Zugänge und Monitore müssen überwacht und mitgedreht werden. Dafür muss ein ganzes Team mithelfen, und es kann bis zu zwei Stunden dauern.“
Nach dem Klinikaufenthalt können weitere Behandlungen notwendig werden. Im eingangs geschilderten Fall des Bremer Patienten war das so. Auf den Krankenhausaufenthalt folgte eine Reha, Kostenpunkt: 5500 Euro. Anschließende Physio- und Ergotherapie für die Nachbehandlung: 6500 Euro. Danach weitere Arztbesuche mit Lungenfunktionstests und Computertomografie, Kostenpunkt: 2500 Euro.
In den Häusern der Geno liegt der Anteil der ungeimpften Covid-Intensivpatienten laut Sprecherin zurzeit bei 90 Prozent, auf den Isolierstationen bei 75 Prozent. Das Divi-Intensivregister, das Fallzahlen aus 1300 Akutkrankenhäusern in Deutschland erfasst, weist rund 72 Prozent an Covid-Patienten aus, die gar nicht oder nicht vollständig geimpft sind.
Vor diesem Hintergrund und der personal- wie kostenintensiven Behandlung hat die Kassenärztliche Vereinigung Berlin kürzlich einen Vorstoß gewagt und gefordert, Ungeimpfte an den Kosten für eine Corona-Behandlung zu beteiligen.
Das lehnt die AOK ab. „Wir haben in Deutschland das Solidarprinzip“, sagt ein Sprecher, „das ist der tragende Pfeiler des Gesundheitssystems. Deshalb spielt es keine Rolle, welchen Lebensstil jemand führt, welche Vorerkrankungen jemand hat und ob der- oder diejenige geimpft oder ungeimpft ist.“
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bremen will nicht am Solidarprinzip rütteln. Sie setzt stattdessen auf eine allgemeine Impfpflicht, wenn keine medizinischen Gründe gegen eine Impfung sprechen. „Eine solche Impfpflicht“, sagt Peter Kurt Josenhans, Vorstand der KV Bremen, „wäre voraussichtlich leichter und schneller umzusetzen als eine Kostenbeteiligung.“