Seit April liegt die Barkasse „Vegebüdel“ regungslos im Vegesacker Museumshaven. Es gibt Probleme mit Lissy. So nennt die Mannschaft den alten Deutz-Diesel. Der ist sogar 14 Jahre älter als das Schiff.
Da steht er: ein grüner Kraftprotz von 100 PS. 330 Umdrehungen pro Minute bringen den Drei-Zylinder-Diesel mit 42 Liter Hubraum bei Marschfahrt auf Touren. Doch im Maschinenraum der „Vegebüdel“ bewegen sich Kolben und Kurbelwelle schon seit Monaten nicht mehr.
Peter Seebeck vermisst das Tuckern des Motors. In der 18-köpfigen „Vegebüdel“-Crew, die das Traditionsschiff ehrenamtlich hegt und pflegt, ist er der Chefmaschinist. Seit der Verein Maritime Tradition Vegesack (MTV) „Nautilus“ die Barkasse 1993 übernahm, ist der gelernte Schiffsingenieur an Bord. Der Maschinenraum ist sein Reich.
Verschlissene Grundlager
Normalerweise ist Seebeck auch im Winter an Bord anzutreffen, um einmal in der Woche den Motor zu schmieren und ihn alle vier Wochen laufen zu lassen. Der unverwechselbare Klang des alten Deutz-Diesels ist für den 73-Jährigen wie Musik in den Ohren. Doch zurzeit gibt der Motor keinen Ton von sich. Die „Lissy“, wie die Mannschaft die Maschine liebevoll nennt, ist außer Gefecht gesetzt. Die Grundlager für die Kurbelwelle sind verschlissen. Im vergangenen Frühjahr machte sich das Problem bemerkbar. Die Maschine lief unrund, das ganze Schiff vibrierte. „Den Zucker in der Kaffeetasse brauchte man mit dem Löffel nicht mehr umzurühren“, beschreibt „Vegebüdel“-Kapitän Eckhard Bögershausen das Zittern, das die Barkasse erschütterte. Die Saison 2016 war für das Schiff gelaufen, bevor sie begonnen hatte. Seit April liegt die „Vegebüdel“, die 1950 als „Die Alte Liebe“ auf der Werft von Scheel & Jöhnk in Hamburg vom Stapel lief, regungslos im Vegesacker Museumshaven.

Die Maschine ist außer Gefecht gesetzt. Die Grundlager sind nach 80 Jahren verschlissen.
Die Grundlager sind so alt wie die Maschine. Die ist Jahrgang 1936 und damit 14 Jahre älter als das Schiff. Aus zwei baugleichen Dieseln von Fischkuttern, die gegen Kriegsende im Hamburger Hafen vor dem Zugriff der Alliierten versenkt und nach dem Krieg gehoben wurden, entstand die „Lissy“. 80 Einsatzjahre zunächst als Arbeitsschiff bis 1987 auf Weser und Hunte für die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Brake, danach für verschiedene private Eigner und schließlich seit 1993 für den MTV „Nautilus“, haben Spuren hinterlassen. „Im Metall sind Risse entstanden, durch den Öldruck auch Stücke herausgebrochen“, beschreibt Chefmaschinist Seebeck das Problem.
Alle Lager müssen neu gegossen werden
Die Bescherung sah die Crew im vergangenen Sommer, als sie das erste Lager auswechseln ließ. Zunächst hatte es so ausgesehen, als könnte der Maschinenschaden schnell behoben werden. „Wir waren davon ausgegangen, dass nur das eine Lager betroffen ist“, berichtet Bögershausen. Die Crewmitglieder Peter Seebeck, Karl-Heinz Hofgesang, Manfred Walter und Stephan Keller bauten das Lager eigenhändig aus. Bei einer Firma im Emsland ließ der Verein Ersatz gießen, denn Original-Ersatzteile gibt es für den Oldtimer nicht mehr. Beim Einbau kam es dann dicke: Die Mitarbeiter der Fachfirma stellten fest, dass das zweite Lager ebenfalls stark beschädigt ist. Seebeck vermutet, dass auch Nummer drei und vier angegriffen sind.

Chefmaschinist Peter Seebeck hegt und pflegt die „Lissy“, wie die ehrenamtliche Crew die Maschine liebevoll nennt. Im Hintergrund „Vegebüdel“-Kapitän Eckhard Bögershausen.
„Alle Lager müssen neu gegossen werden“, erklärt Bögershausen. Eine Aufgabe, die ebenso wie das Ein- und Ausbauen nur eine Fachfirma ausführen könne. Es ist ein aufwendiges und kostspieliges Unternehmen. „Um an die weiteren Lager heranzukommen, muss der mehr als 1,5 Tonnen schwere Motorblock aus dem Schiff gehoben werden.“ Das Dach des Maschinenraums muss abgenommen werden. Mit 40 000 bis 45 000 Euro Kosten kalkuliert der Verein laut Vorstandsmitglied Wolfgang Kiesel. Bei alter Mechanik sei man vor Überraschungen aber nicht gefeit. „Da weiß man oft erst am Ende, was die Reparatur tatsächlich kostet.“
Verein will Barkasse erhalten
Der MTV will die „Vegebüdel“ erhalten. Das habe der Vorstand vergangene Woche in einer Sitzung bekräftigt, sagt Kiesel. Immerhin gehe es um ein besonderes Schiff. „Die ‚Vegebüdel‘ ist ein Unikat.“ Und eines der wenigen Schiffe im Vegesacker Museumshaven, das in der Saison von Mitte April bis Anfang Oktober Rundfahrten auf der Weser zwischen Martinianleger und Bremerhaven, auf der Lesum und der Hunte anbiete. Fest steht aber auch: Für die Rettungsaktion braucht der Verein Hilfe. Mit dem Segellogger BV 2 „Vegesack“, der nach einem Mastbruch in der Werft liegt, hat er derzeit schon ein kostspieliges Reparaturprojekt am Hals. „Zwei Brocken können wir nicht stemmen“, sagt Kiesel. Deshalb funkt die „Vegebüdel“-Crew jetzt SOS. Mithilfe von Sponsoren soll der Maschinen-Oldtimer der Barkasse wieder flott gemacht werden.
Mit einer Spende fing 1993 auch alles an. Hans Töller, so berichten die MTV-Mitglieder, habe damals mit einer großzügigen Summe den Erwerb der Barkasse ermöglicht. Auf der Schichau-Seebeck-Werft in Bremerhaven erfolgte der Umbau zum Fahrgastschiff, Vereinsmitglieder packten mit an. Nun sucht der MTV erneut Sponsoren für die Reparatur des Antriebs. Nicht nur Geld ist willkommen. Gesucht wird auch ein geeigneter Reparaturplatz mit genug Lagerfläche und Rangiermöglichkeiten für einen Kran. Ein Werftgelände wäre für den Verein optimal. So wie 1997, als die Maschine das erste Mal ihren Geist aufgab. Damals lag die Barkasse zehn Wochen in einer Werft in Bremerhaven auf dem Trockenen.
Das Schiff müsse für die Reparatur nicht unbedingt an Land gehievt werden, meint Seebeck. „Ein Liegeplatz am Pier in ruhigem Wasser reicht.“ Das Einpassen der Lager, das Neuausrichten von Maschine, Getriebe und Welle – „das ist Präzisionsarbeit“. Dafür muss die „Vegebüdel“ ruhig liegen. Einen Sponsor für den Kran, der den Motor aus dem Schiff hebt, hat der Verein nach eigenen Angaben schon an der Hand.
Wer den Verein bei der Reparatur der „Lissy“ unterstützen will: Ansprechpartner für Sponsoren ist Eckhard Bögershausen (Telefon 04 21 / 66 13 81 oder Mobil 01 70 / 564 58 01, E-Mail e-boegershausen@mtv-nautilus.de).