Reichhaltige kulinarische Buffets sind im „Quai“ kein ungewöhnlicher Anblick. Den Gästen boten sich dort kürzlich aber Delikatessen ganz anderer Art. Die „Event-Location“ am Europahafen, in der normalerweise Firmen zum „Get Together“ laden oder große private Anlässe gefeiert werden, hatte sich zwei Tage lang in einen temporären Ausstellungsraum für außergewöhnliche zeitgenössische Kunst verwandelt.
Und es zeigte sich, dass das großzügige Loft-Ambiente im Schuppen 2, in Szene gesetzt vom Tageslicht, das durch das gläserne Scheddach fällt, wie gemacht ist für die Präsentation solcherart Leckerbissen.
Es waren acht renommierte Kunstorte aus der ganzen Stadt und umzu, die sich vor fünf Jahren zur „Interessengemeinschaft Bremer Galerien“ zusammengetan haben und die seither bei diversen Gelegenheiten gemeinsam aufgetreten sind – zuletzt beim Bremer Kunstfrühling im Mai. Mit ihrem „Art Weekend“ in der Überseestadt zogen sie Sammler und Kenner aus der ganzen Umgebung an. Und davon, lobten die beteiligten Galeristen unisono, gibt es in unserer Stadt viele.
Wie man hörte, warf sogar die Kunsthallen-Leitung wohlwollende Blicke auf das eine oder andere Exponat.
Eine der Attraktionen war zweifelsohne das Triptychon „Der Turmbau zu Babel“, das Mei-Shiu Winde-Liu aus der Galerie Wildes Weiss im Schnoor vorstellte, und das sich nicht nur im Titel explizit auf das Breughelsche Vorbild bezieht: Ein Werk, das altmeisterliche Virtuosität in Technik und Stil mit einem schmerzhaften Bezug zum gegenwärtigen Zustand der Welt verbindet. Und zwar so aktuell, dass Betrachter darin Ereignisse der unmittelbar vergangenen Wochen wiederfinden.
Künstler Hao-Peng Liang, Jahrgang 1977, war vor einem Jahr Bremer Kunststipendiat und zeigte seine Malerei im Dezember 2014 in der Bremer Bürgerschaft. In diesem Sommer ist der international hoch gehandelte Maler aus Bremens chinesischer Partnerstadt Dalian zurückgekehrt, um zwei Sommermonate lang in Bremen an seinem Werk zu arbeiten. „Eine große Ehre“, betonte die Schnoor-Galeristin.
Kunst mit internationalem Renommee zeigte auch die Oberneulander Galerie Mönch: darunter ein Ölgemälde von Rainer Fetting, zu dessen berühmtesten Arbeiten die 3,40 Meter hohe Willy-Brandt-Statue im Berliner SPD-Haus zählt, und der in den vergangenen 40 Jahren seine Werke in namhaftesten Galerien und Museen auf der ganzen Welt gezeigt hat.
Mit fünf Bronzeplastiken war außerdem Bildhauer Bernd Altenstein vertreten, dessen Arbeiten allen Bremern, die mit offenen Augen durch ihre Stadt gehen, wohl bekannt sein dürften: Vom emeritierten Professor der Bremer Hochschule für Künste stammen – neben vielen anderen – die Brunnenplastik „Unser Planet“ auf dem Domshof, die Skulptur „Arbeitende Hände“ auf dem Bürgermeister-Ehlers-Platz in Gröpelingen, sowie drei ins Gespräch vertiefte Bronze-Herrschaften auf dem Waller Wartburgplatz.
Ein Künstlerpaar der ganz jungen Generation präsentierte Barbara Claassen-Schmal, die seit 1997 ihre „Galerie für Gegenwartskunst“ an der Bleicherstraße führt. Nana Hirose und Kazuma Nagatani haben sich nach ihrem Kunststudium in Bremen in Japan etabliert, sind aber gerade für ein Jahresstipendium nach Düsseldorf zurückgekehrt.
Alltagsgegenstände sind die Lieblingsmotive des jungen Künstlerpaars, und bei der Auswahl haben sie sich offenichtlich auch vom Gastland inspirieren lassen: Ihre Serie hochglanzpolierter Bronzen ist eine Hommage an die bescheidene Kartoffel. Das Häuschen in Walle, in dem sie ihre Studienzeit verlebten, wurde liebevoll und detailgetreu als hölzernes Vogel-Zuhause nachgestaltet.
Auch Petra Fiebig hat sich für ihren Zyklus „Küche in Hoyerswerda“ eine eher ungewöhnliche Inspirationsquelle ausgewählt. Ihre „gezeichneten Dinge“ sind Illusionen der Häuslichkeit, in Form von lebensecht dimensionierten Objekten aus Pappkarton und Bleistiftzeichnungen auf Leinwand: Eine vertraute, ruhige Welt, die sich nur als verblassender Schein erweist. Gezeigt wurde sie von Doris Dickert, deren Galerie „kd.kunst“ in einer sanierten Scheune in Wallhöfen, unweit von Worpswede, Kunstfreunden einen Ausflug wert sein sollte.
Elke Kramer aus der gleichnamigen Galerie Vor dem Steintor machte Lust auf die aktuelle Ausstellung zweier ungewöhnlicher Hamburger Künstler – Titel „Strich und Faden“ – die am 12. September mit einem Einführungsvortrag von Arie Hartog, dem Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses, eröffnet wurde. Der Faden ist dabei das Terrain von Reinhold Engberding, Jahrgang 1954. Er häkelt aus schwarzer Baumwolle organische Skulpturen, die an Blütenkelche oder Insektenbauten erinnern, deren lebendigen und gefälligen natürlichen Charme sich die Betrachter allerdings wegdenken müssen. Auch in der Malerei von Peter Nikolaus Heikenwälder ist die Suche nach dem Konkreten vergeblich, das das Auge zu sehen glaubt – es sind faszinierende Wesen und Landschaften der Kunst, die ohne Vorbild auskommen.
Dasselbe lässt sich auch von den kraftstrotzenden, hochglänzenden, farbintensiven Großformaten des Düsseldorfer Malers Jürgen Jansen behaupten, die die Galerie Corona Unger zeigte. Die Arbeiten des Berliners Dieter Mammel führen ihre Betrachter technisch hinters Licht: Sie geben sich auf den ersten Blick wie Foto-Drucke, sind tatsächlich aber Tusche-Malereien, die eine Meisterschaft erfordern, die jeder nachvollziehen kann, der sich in der Schule mit dem Füllfederhalter herumplagte.
Wer nach all diesen eindrucksvollen Häppchen Appetit hat auf viel mehr Kunst: Die künstlerische Interessengemeinschaft ist im Internet unter der Adresse https://bremergalerien.wordpress.com zu finden. Von dort aus führen Links zu den Bremer Galerien, deren Besuch sich jederzeit lohnt.