Es bedarf keiner speziellen prophetischen Gabe, um vorhersagen zu können: In Bremen wird am 27. August richtig was los sein. Statt Autofahrer werden im Innenstadtbereich viele Radfahrer, Amateure wie Profis aus der Weltelite, auf den für sie gesperrten Straßen unterwegs sein und möglicherweise Tausende Zuschauer die Strecke säumen. Am letzten August-Wochenende kehrt Bremen auf die Bühne des großen Radsports zurück, und dann wird am Sonntag die Deutschland-Tour in der Überseestadt ihr diesjähriges Finale erleben.
Schon einmal, im September 2008, hatte die "alte" Deutschland-Tour Station in Bremen gemacht, damals mit Start und Ziel auf der Bürgerweide. Seit 2018, seit seiner Wiederbelebung, ist das größte nationale Event im Straßenradsport die "neue" Deutschland-Tour. Sie wird veranstaltet von einem Tochterunternehmen der Tour de France, Bilder aus Bremen könnten weltweit in 190 Länder übertragen werden. Nicht nur das, aber auch das versprechen sich Kristina Vogt (Die Linke) und Oliver Rau von der Veranstaltung. Die Wirtschaftssenatorin und der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) haben die Deutschland-Tour zum Schluss-Abstecher an die Weser gelotst.

Sie haben die Schlussetappe der Tour nach Bremen geholt (von rechts): Matthias Pietsch vom Veranstalter, Oliver Rau (WFB) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt im Gespräch mit Tour-Pressesprecher Stefan Flessner.
Stadt-Vertreter hoffen auf Mehrwert
Wie viele Zuschauer die Tour anlocken wird, steht in den Sternen. Kristina Vogt und Oliver Rau hoffen jedoch auf einen millionenschweren Mehrwert, wie sie während einer Pressekonferenz am Dienstag mitteilten. Details über den Verlauf der Schlussetappe nach Bremen und über die gesamte Streckenführung stehen zwar noch gar nicht fest, weil erst Ende April alle Etappenzielorte und der Streckenplan bekannt gegeben werden. Doch Zahlen beispielsweise aus dem Vorjahr waren auch den Entscheidern in Bremen bekannt. Laut Polizei-Schätzung hätten 2022 in Stuttgart 55.000 Zuschauer das Rennen live verfolgt, sagte Matthias Pietsch. Er ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung des Radsports, die die Deutschland-Tour veranstaltet und die am Dienstag in Bremen auch die Ex-Profis Fabian Wegmann (jetzt Sportlicher Leiter der Tour) und Marcel Kittel (Tour-Botschafter) aufbot.
Wie in Stuttgart 2022, hoffen Senatorin Vogt und WFB-Geschäftsführer Rau Ende August ebenfalls auf Tausende Zuschauer. Laut einer Schätzung könnten etwa sieben bis acht Millionen Euro an Einnahmen hereinkommen, sagte Rau. Um Tour-Finalort zu sein, müsse Bremen nur einen Bruchteil dieser Summe an Geld beisteuern. Über die konkrete Höhe der Zuschüsse mochte Rau nichts verraten, betonte aber: "Das ist ein lohnendes Invest." Vogt unterstrich die "enorme regional-wirtschaftliche Bedeutung", die Sportereignisse für Unternehmen des Einzelhandels und der Gastronomie sowie für Hotels haben. Die Deutschland-Tour sei eine Chance, Werbung für Bremen zu machen und die Stadt zu präsentieren.
Neben dem Elite-Rennen der Profis wird es mehrere Rennen für verschiedene Altersklassen geben. So auch ein sogenanntes Jedermann-Rennen, für das sich Interessierte ab sofort auf der Homepage der Deutschland-Tour anmelden können. Männliche wie weibliche Hobbyfahrer werden in den Genuss kommen, auf komplett abgesperrten Routen zu fahren. Geplant sind Rennen über 55 und 110 Kilometer, jeweils die letzten 30 davon auf der Strecke der Elitefahrer.
Erst in etlichen Wochen wird Fabian Wegmann die Streckenplanung abschließen können. "Zwischen dem Saarland und Bremen gibt es viel Spielraum", sagte der Leiter der Tour gelassen. Im saarländischen St. Wendel starten die Profis am 23. August mit einem Prolog und fahren anschließend in vier Etappen in Richtung Bremen. Wo und wie genau, werde derzeit geprüft. Ob Fischerhude auf der Strecke liege, konnte Wegmann folglich nicht sagen. Diese Frage kam auf, nachdem der in Fischerhude aufgewachsene Tour-de-France- und Giro-d'Italia-Etappensieger Lennard Kämna per Videobotschaft in die Pressekonferenz geschaltet worden war.

Der aus Fischerhude stammende Lennard Kämna hat bereits Etappen bei der Tour de France und dem Giro d'Italia gewonnen. Ob er auch bei der Deutschland-Tour starten wird, steht nicht fest. Während der Pressekonferenz am Dienstag in Bremen grüßte der Radprofi per Videobotschaft.
Derzeit schon gesichert ist aber, dass das Fahrerfeld aus dem Süden nach Bremen einfahren wird, über die Karl-Carstens-Brücke links auf den Osterdeich abbiegen und dann das Weserstadion passieren wird. Klar ist auch, dass die Deutschland-Tour 2023 nach drei Runden im Innenstadtbereich in der Überseestadt zu Ende gehen wird. Dort wird auf der langen Zielgeraden in der Konsul-Smidt-Straße mit einer Sprintankunft zu rechnen sein. "Das wird auch gut für die Zuschauer sein", versprach Marcel Kittel. Der Sprintspezialist gewann unter anderem 14 Etappen bei der Tour de France und beendete 2019 seine Karriere.
Auf welche Fahrer sich das Bremer Publikum freuen darf, wird sich wohl erst im August entscheiden. Die Teilnahme hängt von vielen Faktoren ab – zum Beispiel auch von der Tour de France, die am 23. Juli in Paris zu Ende gehen wird.