Hunderte Läuferinnen und Läufer tummeln sich im Stadion des ATS Buntentor auf dem Stadtwerder. Das Herakliden-Team fällt dennoch auf. Die Mitglieder der Gruppe mit dem griechischen Namen kommen aus dem niedersächsischen Uelzen und tragen Trikots, die an die friesische Flagge erinnern: blau-weiß gestreift mit einem roten Element. Die 16 Herakliden erwarten freudig den Start des Crow Mountain Survival (CMS). "Extremhindernisläufe sind geil", sagt Martin Jarosz (40) mit einem breiten Grinsen im Gesicht, "wir erwarten, dass ein paar von uns auf den ersten Plätzen landen."
Zum sechsten Mal veranstaltet bremenRAcing am Sonntag den CMS, einen Extremhindernislauf (OCR), gemeinsam mit dem ATS Buntentor auf dem Stadtwerder und entlang des Habenhauser Deichs. 372 Teilnehmer haben sich dieses Jahr für den Lauf angemeldet. "Rekord", sagt Tim Krüger. Der 36-Jährige leitet die OCR-Sparte des ATS Buntentor und hat den CMS mitorganisiert. 35 bis 40 extreme Hindernisse zählt er auf den Strecken des Survivallaufs. "Hinzukommen die landschaftlichen Passagen: der Strand, der Werdersee oder auch der Krähenberg", sagt Krüger. Der Krähenberg ist – übersetzt ins Englische – der Namensgeber des CMS.
Erstes Hindernis: Feuerwehr
Gegen kurz nach zehn Uhr ist es soweit: Nachdem zuvor zehn Kinder über 1,2 Kilometer an den Start gegangen und die ersten bereits nach weniger als neun Minuten wieder im Ziel gewesen sind, ruft ein Stadionsprecher nach und nach die Teilnehmer über die Distanzen 15, zehn und fünf Kilometer auf. Im Startbereich machen sie gemeinsam ein kurzes Warm-Up, bevor es aus den Lautsprecherboxen schallt: "Ich zähle von zehn runter." Auf Null fällt der Startschuss und die ersten Läufer rennen auf den Parcours.
Nach hundert Metern Strecke grüßt die Feuerwehr die frisch aufgewärmten Körper mit einem kalten Wasserstrahl. Anschließend warten drei Balken in Brusthöhe, die es zu überwinden gilt. Gefolgt von Gitterzäunen auf Kniehöhe, unter denen die Teilnehmer hindurchkriechen müssen. Dabei stöhnen, straucheln und strampeln sie.

Sascha Wöhlk (49) von den OCR Heidesprinter: "Hindernislauf ist eine Lebenseinstellung. Man kann seine Kindheit noch mal ausleben: Alles, wofür man früher auf den Arsch gekriegt hätte."
"Die Organisation des Events läuft mehr oder weniger das ganze Jahr über. Für die Hindernisse haben wir vier bis fünf Tage gebraucht", sagt Krüger. Auch ein Neues sei dabei: ein Gerüst mit Strickleitern. "Das ist unser Anspruch als Ausrichter, jährlich ein oder zwei neue oder umgebaute Hindernisse zu integrieren", sagt der 36-Jährige. Mit "Wir" meint Krüger die Helfer, die beim Aufbau an den Wochenenden zuvor unterstützt hatten.
Der Fluch nach dem Werdersee
Beim CMS selbst sind circa hundert Freiwillige dabei, darunter viele vom ATS Buntentor, um die Organisatoren zu unterstützen. Zudem halten sich Rettungssanitäter der Johanniter an der Strecke bereit. Mitglieder der DLRG wachen am Werdersee, denn die 10- und 15-Kilometer-Läufer schwimmen auf ihrem Weg zum Ziel auch durch die Kleine Weser. "Schwimmen ist der letzte Scheiß", sagt Sandra Karfeld. Zuvor hatte sich die 1982 geborene Heraklidin unter Beifall der Zuschauer mit Mühe und mit Hilfe eines Teamkollegen aus dem Wasser gekämpft.
Laut Thomas Hendrik Adick, dem Gründer von bremenRAcing, prägt CMS das Teambuilding: "Es geht darum, sich bei den Hindernissen zu unterstützen und anzufeuern." Und verbale Ausrutscher wie der von Sandra Karfeld gehörten dazu. "Die Menschen verausgaben sich hier", sagt Adick. Da fluchten sie schon mal. Gerade, wenn neben Spaß, der im Vordergrund stehe, bei manchen Ernst und Ehrgeiz mitschwinge. Wie bei einem Einzelkämpfer wenige Hundert Meter vor dem Ziel an einem Hangelgerüst. "Ich rutsch' hier dauernd ab, weil die Stangen so nass sind", schimpft er. Ein freiwilliger Helfer in einem roten ATS-Shirt gibt ihm eine letzte Chance, das Hindernis zu überqueren, und droht mit einer Strafaufgabe – 30 Meter Rundlauf mit einem Rasenmäher. Der Einzelkämpfer reibt seine Hände einige Sekunden trocken und schafft es schließlich.

Einige Heidesprinter im schwarz-rot karierten Laufdresse feuern die Kinder auf den letzten Metern zum Ziel an.
Elias Fischer
Eine Läufergruppe biegt gleich in die erste Kurve ein.
Elias Fischer
"Die Seitenstecher"-Mitglieder sind aus Hamburg, Buxtehude und Bremerhaven angereist: "Die einen haben Angst vorm Laufen, die anderen vor den Hindernissen."
Elias Fischer
Die Läufer und Läuferinnen ziehen sich gegenseitig aus dem Werdersee.
Elias Fischer
Zwei Herakliden verschnaufen kurz nach der Schwimmaufgabe.
Elias Fischer
Auf dem Stadiongelände stehen mehrere Gerüste, die die Teilnhemer an Ringen hangelnd überwinden.
Elias Fischer
An einem Tau ziehen sich die Teilnehmer eine Steilwand hoch.
Elias FischerBremische Bürgerschaft startet
Die Hindernisse fordern die Läufer auf unterschiedliche Weise. Krüger, der lange intensiver OCR betrieben hat, mag die "Snake" gerne: "Weil Kraft und Geschicklichkeit gefordert sind, wenn man sich um die Balken windet und zum nächsten hangelt." Aber, sagt der OCR-Spartenleiter, die Hindernisse dürften beim CMS nicht zu schwer sein: "Die Leute sollen hier schließlich Spaß haben und lachen." Und im besten Fall nächstes Jahr wiederkommen.
Ob sie 2024 noch einmal startet, weiß Sahhanim Görgü-Philipp noch nicht. In diesem Jahr habe ihr der CMS-Lauf "wirklich Spaß gemacht", sagt die Grünen-Politikerin. Zusammen mit dem CDU-Abgeordneten Marco Lübke und zwei Frauen aus der Verwaltung hat sie im Team "Bremische Bürgerschaft" beim Rennen über fünf Kilometer teilgenommen: "Wir haben das gemeinsam gut bewältigt, und genau darum ist es gegangen", resümiert Görgü-Philipp. Außerdem habe sie auf den Rücken eines CDU-Kollegen steigen und ein Hindernis überwinden können. "Das hat man auch nicht alle Tage", scherzt sie.
Andere Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft laufen währenddessen beim Solidaritätslauf "Auf zur Venus" der Bremer Krebsgesellschaft. "Wir wollen Partner des Venus-Laufs sein", sagt Krüger. Daher werden die beim CMS gelaufenen Kilometer den zurückgelegten Distanzen beim Solidaritätslauf zugerechnet. Die Unterstützer des „Auf zur Venus“ spenden pro Kilometer einen kleinen Geldbetrag.
Herakliden räumen ab
Martin Jarosz hat mit den Einschätzungen seiner Teamkollegen recht behalten. Nach 59 Minuten und 23 Sekunden läuft Heraklid Alexander Bollmeier ins Ziel und wird Erster seiner Altersgruppe über fünf Kilometer. Nur zehn Minuten mehr braucht sein Teamkollege Pál Czabala für die doppelte Distanz. Auch er belegt Platz eins bei den unter 18-Jährigen über die Distanz. Czabala gehört auch zu den ersten, die Jarosz in Empfang nehmen, als er nach 82 Minuten und zehn Kilometern die Ziellinie überquert: "Jetzt fühlt es sich noch geiler an. Sonniges Wetter, Glücksgefühle." Mehr bringt er nicht raus. Strahlend und mit einer Medaille um den Hals dreht er ab. Als Zweiter seiner Altersklasse M40.