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Frank Minder Der brave Rentner mit dem starken Willen

40 Jahre lang war Frank Minder Bremens Mister Sixdays. Zehn Jahre nach seinem nicht ganz freiwilligen Abgang führt er ein recht normales Rentnerleben – und stellt eine klare Prognose zur Sixdays-Zukunft...
28.12.2021, 15:43 Uhr
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Der brave Rentner mit dem starken Willen
Von Olaf Dorow

Vor fünf Jahren hatte er einen Herzinfarkt. Aber irgendwie würde das nicht passen zu diesem Frank Minder, wenn er da jetzt einen auf wehleidig machen würden. "Ach, was", sagt er und macht dazu eine Wegwerf-Geste, "das war ein Herzinfarkt für Arme". Nichts dolles, kaum der Rede wert. Ja gut, ihm war ziemlich schummerig, und am nächsten Morgen war das immer noch so, und dann haben sie ihn in die Klinik gebracht und zwei Stents gesetzt, aber nun ja. Man wird nicht jünger. 

Frank Minder ist jetzt 75 und seit zehn Jahren nicht mehr der Frank Minder, der im Januar in Bremen so wenig wegzudenken war wie im Dezember der Weihnachtsmann. Er beschenkte, um im Bild zu bleiben, wenige Wochen nach Weihnachten Bremen mit Glitzer und Glanz. Bud Spencer, Naomi Campbell, Florence Griffith-Joyner oder die Klitschkos kamen, um das Sechstagerennen anzuschießen. Sein Sechstagerennen. Vier Jahrzehnte lang waren die Sixdays sein Baby, so darf man das nennen, so sagt er es selbst heute. Heute sitzt er als "braver Rentner" im schicken Wohnzimmer seines schicken Hauses in Oberneuland. Er ist nicht mehr der Mister Wirbelwind im Rampenlicht, aber er ist auch ohne Rampenlicht, sagen wir mal: Frank-Minder-like. Wach, eloquent, pointenreich. Um eine schnelle Meinung oder Anekdote nie verlegen.

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Dieser Wechsel vom Vollgas-Leben zum Rentner-Leben sei ihm gar nicht so schwergefallen, sagt er. Er habe sich lange darauf eingestellt, was da kommt. Es kam ein Alltag mit Spaziergängen, ein bisschen E-Bike-Fahren, ein bisschen Fußball gucken, über Werder und die Politik meckern oder auch nur klönen mit den Nachbarn oder alten Bekannten. Und ganz viel Lesen. "Querbeet, von Goethe bis Fitzek" lese er, ein ganzes Zimmer stehe voll mit Büchern im Obergeschoss, mit bestimmt tausend Büchern oder mehr. So aufgeräumt und in Schuss wie dieses Haus in Oberneuland wirkt, in dem er mit seiner Ingeborg seit fast 20 Jahren schon wohnt, so sehr scheint Frank Minder mit sich im Reinen zu sein. Er greint nicht über das Aus von vor zehn Jahren, als er eigentlich noch gern weiter der Mister Sixdays von Bremen sein wollte, aber Bremen ihn nicht mehr als Mister Sixdays haben wollte.

Was ihn natürlich nicht davon abhält, von den alten Zeiten zu schwärmen und sie mit den neuen zu vergleichen. Kleine Spitzen oder ironische Anmerkungen gegenüber den neuen Veranstaltern sind da inklusive, das kann wohl auch nicht anders sein. Und auch eine klare Prognose über die Zukunft der Bremer Sixdays, immerhin lange eine Art Institution in dieser Stadt, gibt es. "Ich glaube nicht, dass es noch einmal ein Sechstagerennen in Bremen geben wird", sagt Minder. Wegen der Pandemie musste die Veranstaltung jetzt schon im zweiten Winter in Folge abgesagt werden. Minder gehört zu jenen, die überzeugt sind: Ein Comeback nach der Pandemie wird ebenfalls wegfallen.

Frank Minder will das nicht als Triumph verstanden wissen, nach dem Motto: Ich hatte alles richtig gemacht, meine Nachfolger machen alles falsch. Er hat ja selbst an vorderster Front Aufstieg und Niedergang der Branche miterlebt. Er konnte mit Gutscheinen um sich werfen, als die Leute sich fast türmten in den Hallen auf der Bürgerweide. Als Tour-de-France-Sieger um die Bahn sausten, als die Sponsoren und die Prominenz nicht fehlen wollten bei der großen Sause. Als Bremer Erfolgsgeheimnis galt diese bunte Mischung von Pace auf der sowie Party neben der Bahn, und diese Mixtur wiederum gilt als frühe Erfindung von Frank Minder.

Bremen konnte sich so zwar länger halten als viele andere Rennen in Deutschland, aber der Abschwung machte auch, nun ja: vor Minders Baby nicht Halt. Es wurden immer weniger Prominente und Sponsoren, die unbedingt mit ihm aufs Foto wollten. So, wie die verbreiteten Zuschauerzahlen immer unglaubwürdiger wurden. Mit einem gewissen Glück-gehabt-Gefühl kann Frank Minder heute nach hinten schauen. Er hat eine tolle Zeit erlebt und maßgeblich mitgestaltet, die Zeit und all die wilden Geschichten in ihnen kann ihm keiner mehr nehmen. Und dass er sich heutzutage nicht mehr auf dem Veranstaltermarkt behaupten muss, "da kann ich im Nachhinein doch drei Kreuze machen", sagt er. Als Veranstalter versuchte er sich nach der wilden Sechstage-Ära noch mit einem Radrennen auf dem Flughafen-Gelände und mit einem Tanz-Festival, das er mit Roberto Albanese, dem Erfolgscoach des Grün-Gold-Clubs, auf die Beine stellen wollte. Mit der Airport-Nummer wurde es nichts, aus dem Tanz-Event wurde etwas, wenn auch nicht dauerhaft.

Dauerhaft wurde aber etwas ganz anderes. Das beweist vielleicht sogar am meisten, dass sozusagen immer noch Frank Minder drin ist, wo Frank Minder drauf steht, auch wenn sich das ein bisschen paradox anhören mag. Er hat aufgehört zu rauchen, und zwar Knall auf Fall, wie es so schön heißt. Dazu muss man wissen, dass Frank Minder bis zu seinem 70. Lebensjahr täglich rund 50 Zigaretten angezündet und durchgezogen hat. Der Herr Minder, der Glimmstengel, eine zackige rauchige Stimme, das war quasi eine sehr verschworene Einheit. In den ersten drei, vier Tagen nach seinem Herzinfarkt ging das aber nicht mit dem Rauchen, praktisch zum ersten Mal in seinem Leben. "Und danach schmeckten die Zigaretten schrecklich", sagt er. Also Schluss mit dem Gepaffe, was soll's. Der Super-Raucher wurde Super-Nichtraucher, er steckte sozusagen sogar seine Ingeborg an mit dem kategorischen Zigaretten-Verzicht. Auch sie gab die Qualmerei wenig später auf. Bis heute sei das so geblieben, erzählt Frank Minder. "Ich hatte", sagt er, "schon immer einen starken Willen." Man kann sich kaum dagegen wehren zu denken: Da hat er verdammt noch mal recht.

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