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Eine ungewöhnliche Biografie Margret Gerdes: Rückzug nach 50 Jahren beim Blumenthaler TV

Seit einem halben Jahrhundert sind Rhythmische Sportgymnastik und der Nordbremer Verein untrennbar miteinander verbunden. Die 69-Jährige tritt jetzt kürzer, denkt aber gar nicht ans Aufhören.
23.06.2025, 15:07 Uhr
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Margret Gerdes: Rückzug nach 50 Jahren beim Blumenthaler TV
Von Jörg Niemeyer

Margret Gerdes lacht, als sie beim Erzählen über ihre Anfänge unweigerlich an Bandsalat denken muss. Ältere Zeitgenossen erinnern sich ungern an ihn: Er war nicht essbar, schon gar nicht war er etwas für Genießer. In den 1970er-Jahren war er vor allem: ärgerlich. Bandsalat entstand, wenn sich die Musikbänder in den Kassettenrekordern unplanmäßig um den Tonkopf des Geräts wickelten, die Musik erst zu leihern begann und wenig später aufhörte zu spielen. Ob Musikkassetten angesichts ihrer technischen Qualität damals überhaupt Hörgenuss bieten konnten, sei mal dahingestellt; vollkommen unpassend kam der Bandsalat aber während eines sportlichen Wettkampfes daher.

"Ich habe die ganze Epoche mitgemacht", sagt Margret Gerdes, in Bremen eine der frühen Trainerinnen in der noch relativ jungen Rhythmischen Sportgymnastik (RSG), die 1984 olympisch wurde. Die 69-Jährige kann sich gut an die Vor-Kassetten-Zeiten erinnern, als Klavierspieler die Turn- oder RSG-Übungen begleiteten. Die Compact Discs (CD's) verdrängten die Kassetten mehr und mehr aus den Musikschränken, der Bandsalat verlor seinen Schrecken.

Allerdings spielten auch die CD's die Musik nicht immer störungsfrei ab, wie Margret Gerdes leidvoll erfahren musste. Sehr zu ihrer Freude, hat die Digitalisierung inzwischen auch in der RSG Einzug gehalten – dank Bluetooth funktioniert die Musikübertragung weitgehend reibungslos und ohne Kabel vom Handy. "Jede Zeit hat etwas für sich", sagt die pensionierte Sport- und Musiklehrerin, "aber jetzt ist es viel einfacher als früher."

Eine Sportart im Wandel

Die "ganze Epoche", von der Margret Gerdes spricht, umfasst fünf komplette Jahrzehnte. In denen hat sich technisch nicht nur die Musik, sondern auch die Rhythmische Sportgymnastik stark verändert. Und zwar beides zum Positiven, wie Gerdes betont. Mehr musikalische Möglichkeiten; mehr Dynamik; originellere Übungselemente; Sportgeräte aus besseren Materialien; Sportanzüge, die, so Gerdes, "wie kleine Kunstwerke" gestaltet sind: Das alles hat die RSG zu einer modernen Sportart werden lassen. Und die gebürtige Rekumerin hat die Entwicklung nicht nur hautnah miterlebt, sondern deren Umsetzung in den Verbänden und Vereinen auch aktiv mitgestaltet.

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Margret Gerdes blickt beim Blumenthaler TV in diesem Jahr auf 50 Jahre im Ehrenamt zurück. RSG beim BTV hätte es ohne sie möglicherweise nie gegeben. Der Verein war in Bremen-Nord der erste, der diese Sportart ins Programm aufnahm. Was vor allem der Initiative eines Lehrers an der Schule Eggestedter Straße geschuldet war: Der dortige Sportfachbereichsleiter Ingo Scheller habe sie während ihrer Lehrerausbildung angesprochen, ob sie beim Blumenthaler TV RSG anbieten möchte. "Ich versuch' es mal", habe sie geantwortet, nachdem sie auch durch die damalige RSG-Landesfachwartin dazu ermutigt worden war.

Anfangs sei sie mit einem Zettel in der Hand losgezogen, um interessierte Mädchen für die RSG zu begeistern, sagt Margret Gerdes. Erst seien es vier oder fünf Kinder im Grundschulalter gewesen, dann seien es aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda rasend schnell immer mehr geworden. "Und auf einmal war die Halle voller Mädchen." Heute umfasse die Abteilung fast 200 Mitglieder.

Ohne Übungsleiter und Eltern geht nichts

Die RSG beim Blumenthaler TV boomt – wohl auch deshalb, weil Margret Gerdes stets darauf geachtet hat, Übungsleiter auszubilden. Sie habe zwar immer alle Fäden in der Hand gehalten, aber zugleich auch Aufgaben abgegeben. Teamgeist war und ist der Ehefrau und Mutter wichtig – das gelte sowohl in der Betreuung der einzelnen Trainingsgruppen, die ohne die Einbeziehung der Eltern nicht funktionieren könne, als auch für die Arbeit im Trainerinnenstab.

Margret Gerdes muss immer schon enorme Organisationsqualitäten gehabt haben. Sie habe oft nachts bis eins, halb zwei gearbeitet. Das habe ihr nie etwas ausgemacht. Sie sei erst dann ins Bett gegangen, wenn sie ihr Pensum so weit erledigt habe, wie sie es sich vorgenommen hatte. "Ja", antwortet sie knapp auf die Frage, ob sie die Disziplin, ohne die es ja auch in der RSG nicht geht, zu Hause und im Verein vorgelebt hat.

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Tochter Nicole Gerdes hat Vieles von ihrer Mutter übernommen. "Nicht die Ruhe und Gelassenheit, die sie ausstrahlt", sagt die 49-Jährige lachend. Aber gewiss die Disziplin, mit der sie es als großes und früh gefördertes RSG-Talent dank ihrer Mutter und Trainerin zu deutschen Meistertiteln sowie EM- und WM-Teilnahmen gebracht hat. Mit großer Dankbarkeit denkt Nicole Gerdes an die Zeit zurück, als sie ihre Eltern, vor allem der Vater, vier Jahre lang bis zu viermal wöchentlich von Blumenthal nach Wattenscheid fuhren. Es war die Zeit Anfang der 1990er-Jahre, als sie als Mitglied des Nationalkaders dort trainierte und ihre größten Erfolge feierte.

Manchmal sei sie vielleicht ein wenig zickig gewesen, räumt Nicole Gerdes ein. Dem Familienleben hat das aber auf keinen Fall geschadet. Heute sehen sich Eltern und Tochter täglich, regelmäßig ist auch Enkel Moritz Gast bei Oma und Opa. Teamgeist eben. Kein Wunder also, dass Nicole Gerdes ihre Mutter im April als Abteilungsleiterin beerbt hat. Ein bisschen zögerlich zwar, aber nach Zusicherung von Unterstützung durch die Mama auch gerne. "Ich passe in ihre großen Fußstapfen gar nicht hinein", sagt die Tochter, "es wird jetzt nur mit ihr zusammen gehen."

Mehr Zeit fürs Reisen

"Ich bin ja nicht weg", sagt Margret Gerdes. Sie werde dem Verein und der Abteilung weiterhin hilfreich zur Seite stehen – nur weniger als bisher. Dass ihr künftig etwas fehlen werde, glaubt die 69-Jährige nicht. Sie will mehr reisen, sich aber auch nach wie vor um die Turntalenteschule mit den fünf- bis zehnjährigen Mädchen und um ihre Kinderturngruppe in der Lehmhorster Straße kümmern. Sie wird also noch länger das bekommen, was sie seit 1975 bekommen hat: Den Blick in glückliche Kinderaugen, nachdem die Kleinen wieder etwas Neues geschafft haben. "Meine Motivation ist die Freude der Kinder über ihren eigenen Erfolg", sagt Margret Gerdes. Denn obwohl in der RSG an Leistung kein Weg vorbeigehe: "Für mich sind Spaß und Freude wichtiger als der Erfolg."

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