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Hans-Peter Jakst führt heute Fahrradladen Einer der letzten Bremer bei der Tour de France

Hans-Peter Jakst analysiert im WESER-KURIER die Tour de France-Leistungen von Lennard Kämna. Im Jahr 1980 hat der Bremer selbst an der Frankreich-Rundfahrt teilgenommen. Heute führt er einen Fahrradladen.
11.07.2019, 22:00 Uhr
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Einer der letzten Bremer bei der Tour de France
Von Helge Hommers

Zwölf Jahre war Hans-Peter Jakst alt, als er sich für seine erste große Tour auf den Sattel schwang. Damit sein Fahrrad mehr nach Rennrad aussah, klappte er den Gesundheitslenker um und raste los. Allein von der Bremer Neustadt nach Osnabrück, wo seine Oma lebte. Hinter der Stadtgrenze warf er eine Postkarte in den ersten Briefkasten, den er sah. „Meine Oma hatte kein Telefon und meine Mutter musste ja wissen, dass ich angekommen war“, erzählt Jakst, der später unter anderem bei der Tour de France mitfuhr.

Die Leidenschaft fürs Fahrrad ist ihm auch nach dem Ende seiner Profilaufbahn erhalten geblieben: Seit 35 Jahren ist er Geschäftsführer des „Zweirad-Center H.-P. Jakst“, in dem er und seine sieben Mitarbeiter auf zwei Etagen Räder verkaufen und hinten in der Werkstatt reparieren. Die Mehrheit der Kunden seien Alltagsradfahrer, manche aber auch Rennradfahrer, die etwa aus Hamburg oder Hannover nach Tenever kommen. Einige von ihnen betreten das Geschäft auch oder gerade wegen seines Besitzers: „Der ein oder andere erzählt dann, dass er mich früher bei einem Sechstagerennen gesehen und angefeuert hat.“

Dreigangrad statt Rennrad

Er selbst ging bei seinem ersten Rennen in Bremen mit einem Dreigangrad an den Start. „Ich hab von Anfang an Vollgas gegeben und alle anderen abgehängt“, erzählt der 64-Jährige. Bald fuhr ein Auto neben ihm, in dem der damalige erste Vorsitzende der Radrenngemeinschaft Bremen (RRG), Wolfgang Hubrich, saß. Er rief dem Neuling zu, dass er langsamer fahren solle, sonst käme er nicht ins Ziel. Jakst wusste nicht, was der Fremde von ihm wollte, trat weiter in die Pedale und beendete kurz darauf das Rennen. Zwar nicht als Erster, dafür aber nur knapp hinter seinen Konkurrenten, die – im Gegensatz zu dem Debütanten– trainiert und mit Rennrädern ausgestattet waren. Später sprach Hubrich Jakst an, es war der Startschuss für dessen Vereinslaufbahn bei der RRG, der er heute noch angehört.

Sein Talent fiel auch außerhalb Bremens auf. Mit der Juniorennationalmannschaft war er im Jugendlager der Olympischen Sommerspiele 1972 in München dabei. Vier Jahre später nahm er an den Spielen im kanadischen Montreal teil und belegte im Mannschaftszeitfahren den vierten Platz – 15 Sekunden trennte das deutsche Team von der Bronzemedaille. „Auf 100 Kilometern ist das nicht so viel“, sagt Jakst. Im Jahr darauf ließ er sich von dem Rennstall Selle Royal anwerben – Jakst war nun Profi. 1979 gewann er die deutsche Straßenradmeisterschaft, weshalb er damit rechnete, für die Tour de France nominiert zu werden.

Tour de France Teilnahme "das Größte, das absolute Highlight"

Dazu kam es erst ein Jahr später. Seine Aufgabe war es, für seinen Teamkollegen Joaquim Agostinho zu fahren – sprich: ihn schnell und heil ins Ziel zu bringen. Das sei vor allem schwer gewesen, wenn es aufs Kopfsteinpflaster ging, erzählt Jakst: „Da ist Agostinho, der kleiner und leichter war als ich, höher nach oben gesprungen als er nach vorne gefahren ist.“ An der Tour teilzunehmen und zu wissen, dass er zu den 200 besten Fahrern der Welt gehört, sei für Jakst „das Größte, das absolute Highlight“ gewesen. Das bekannteste Radrennen der Welt beendete er auf Rang 62; sein grün-weiß-gestreiftes Tourtrikot liegt zu Hause in einem Karton. „Zum Einrahmen bin ich noch nicht gekommen.“

Die diesjährige Frankreich-Rundfahrt schaut er sich im Laden an – sofern er mal eine freie Minute hat. Dann lässt Jakst sich auf der Sitzbank oder auf einem der Campingstühle nieder, die in der Abteilung für Rennradfahrerzubehör stehen, und starrt auf den Flachbildschirm, der über der Umkleidekabine thront. „Manchmal juckt es mich in den Beinen“, sagt er. Auch wenn sich seit seiner Teilnahme vieles geändert hat: „Jeder Fahrer hat heute vier, fünf Rennmaschinen. Bei uns wurde höchstens mal der Rahmen getauscht“. Jedes Team reise inzwischen mit mehreren Bussen an, in denen sich die Fahrer aufhalten und warm machen. Jakst und seine Teamkollegen seien auf zwei Pkw verteilt zum Start gefahren worden, „die Ersatzräder aufm Dach“.

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An Rennen nimmt der 64-Jährige nicht mehr teil. Dafür müsse er sich in Form bringen. „Man hat ja auch einen Ruf zu verlieren.“ Aktuell besteht sein Training vor allem aus Touren mit seiner Frau und seinem Weg zur Arbeit: Morgens mit dem Rennrad 14 Kilometer hin, abends 14 Kilometer zurück. Zudem trifft er sich mittwochs mit Fahrern, die er von der RRG kennt, zur Feierabendrunde. „Es sei denn, es regnet. Wir sind nämlich Schönwetterfahrer“, erzählt Jakst. Oft führe ihr Weg sie über Fischerhude, wo sie meist eine Pause einlegten. Denn dort schmecke das Eis so gut. Über die RRG lernte er auch Lennard Kämna kennen, der von 2007 bis 2010 für den Verein fuhr und aktuell für Team Sunweb sein Tour-Debüt feiert. Dass der 22-Jährige es so weit gebracht hat, habe sich früh angedeutet: „Der konnte schon immer sehr gut aufs Pedal treten.“ Vielleicht, sagt Jakst, führen Kämnas Leistungen ihn bei einer der nächsten Touren sogar ins Weiße Trikot, das der beste ­Nachwuchsfahrer erhält: „Das Potenzial dazu hat er.“

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