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Nationalspieler aus Bremen Finn Lemke: „Der Stein muss ins Rollen kommen“

Mit seinem Verein MT Melsungen nimmt Handballnationalspieler Finn Lemke am Dextra-FM-Cup in seiner Heimat Bremen teil. Im Interview spricht er über Handball in Bremen, Emotionalität und seltene Torerfolge.
08.08.2019, 21:33 Uhr
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Finn Lemke: „Der Stein muss ins Rollen kommen“
Von Helge Hommers

Herr Lemke, ist der Dextra-FM-Cup ein lockerer Aufgalopp oder geht es auch um etwas?

Finn Lemke: Das ist absolut kein Aufgalopp mehr. Das ist unser letzter Test, bevor nächste Woche im Pokal die ersten Pflichtspiele losgehen. Von daher ist das Turnier für alle teilnehmenden Teams enorm wichtig. Nichtsdestotrotz ist es ein Vorbereitungsspiel, was natürlich bedeutet, dass wir auch ein paar Sachen ausprobieren werden.

Wer ist in Ihren Augen Turnierfavorit?

Wir.

Und warum?

Weil wir einfach sehr gut drauf sind. Ich glaube, dass wir alle beiden Spiele gewinnen werden.

Sie tragen sich ja eher selten in die Torschützenliste ein. Dürfen Sie denn in Ihrer Heimat zumindest mal einen Siebenmeter werfen, damit Ihre Bremer Fans einen Treffer von Ihnen bejubeln können?

(Lacht) Nee, das nun nicht. Aber ich laufe jetzt immer auf jeden Fall schnell nach vorne und hoffe, dass ich so mein Tor machen kann.

Verfolgen Sie eigentlich, was am Handballstandort Bremen passiert?

Im Groben. Mich interessiert natürlich vor allem mein Heimatclub Schwanewede. Ansonsten verfolge ich immer grob, wer in den dritten Ligen spielt, in der Oberliga und wer in der A-Jugend ganz gut drauf ist.

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Glauben Sie, dass es ein Bremer Verein schaffen kann, sich in der Handballspitze zu etablieren?

Ich hoffe es und glaube auch daran, weil wir in Bremen doch ein relativ großes Einzugsgebiet für viele gute Spieler haben. So wie wir auch viele gute junge Leute gehabt haben, die dann leider verzogen sind. Wenn man den Spielern einen attraktiven Verbleib mit Ambitionen garantieren kann, wird es auch möglich sein, einen Bremer Verein weiter oben zu etablieren. Der Stein muss nur ins Rollen kommen. Es gibt ja genügend Vereine, die immer wieder mal in der Dritten Liga angeschnuppert haben, die immer wieder reinkommen. Es wäre schön, wenn sich da mal einer etwas länger halten würde.

Anfang des Jahres standen Sie mit dem Nationalteam bei der Weltmeisterschaft deutschlandweit im öffentlichen Fokus. Ist von der Aufmerksamkeit etwas geblieben?

Wenn man die reinen Zuschauerzahlen sieht, gab es auf jeden Fall einen Aufschwung. Ich glaube aber, dass wir mit der Nationalmannschaft auch langfristig Erfolg haben müssen, damit sich das stabilisiert und noch mehr Menschen Interesse am Handball bekommen.

Werden Sie denn auf der Straße von mehr Leuten angesprochen als früher?

Ja, weil ich so groß bin (lacht). Direkt nach einem großen Turnier sind es schon mehr, die einen ansprechen. Das legt sich bald dann auch wieder – was aber auch gar nicht so schlecht ist.

Viele, die Sie bei der WM auf dem Parkett gesehen haben, haben Sie laut und emotional erlebt. Abseits davon wirken Sie eher schüchtern. Wieso ist das so?

Als Spieler versucht man immer, sich einen Typ zu geben. Jeder, der Mannschaftssport betreibt, kennt das, dass sich ein Team ausgewogen präsentieren muss. Man muss lautere Charaktere haben, man muss leisere Charaktere haben. Man selbst versucht, dem Team immer das zu geben, was es braucht. Mir hilft es, fokussiert zu bleiben, wenn ich eine gewisse Emotionalität auf das Spielfeld lege. Das habe ich mir erarbeitet, von daher behalte ich das auch so bei.

Nächstes Jahr stehen die Europameisterschaft und Olympischen Sommerspiele an. Was sind Ihre Ziele für die beiden Turniere?

Ich hoffe vor allem, dass ich bis dahin verletzungsfrei bleibe. In den letzten Jahren hat es mich schon sehr zurückgeworfen, dass ich hier und da mal eine kleine Verletzung hatte und länger nicht dabei war. Dann will ich im Verein meine Leistung bringen. Und dann hoffe ich natürlich, dass ich überhaupt dabei bin. Ich lass das erst mal alles auf mich zukommen, aus den Jahren vorher habe ich ja ein bisschen gelernt (vor der EM 2018 wurde Lemke überraschend aus dem Kader gestrichen, später aber nachnominiert, Anm. d. Red.).

Wenn Sie nominiert werden sollten, war der Urlaub in diesem Sommer für lange Zeit Ihr letzter.

Ich hoffe sehr, dass es für die nächsten zwei Jahre mein letzter Urlaub war. Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber so ist es wirklich.

Bleibt neben Ligabetrieb und Nationalteam noch Zeit für Ihr Sozialarbeitsstudium?

Das habe ich momentan leider auf Eis gelegt. Zurzeit bin ich einfach voll. Ich habe mich wohntechnisch auch noch fester in Kassel niedergelassen, das nimmt auch noch Zeit in Anspruch. Das Studium habe ich immer im Auge, aber zurzeit erst mal verschoben.

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Sie spielen seit zwei Jahren für die MT Melsungen. Was hat Sie damals nach Nordhessen verschlagen?

Das hat mehrere Gründe: Melsungen war ein aufstrebender Verein, der absolut professionelle Strukturen entwickeln wollte. Somit konnte ich ein Teil von dem ganzen Prozess sein, das hat für mich den Ausschlag gegeben. Das andere ist privat (lacht).

In der vergangenen Saison ist Melsungen Fünfter geworden, hat sich für den EHF-Pokal qualifiziert. Was ist in diesem Jahr für Ihr Team drin?

Das Ziel haben wir an den Punkten festgemacht: Letztes Jahr waren wir bei 42 Punkten, dieses Jahr wollen wir auf jeden Fall 50 Punkte holen. Welche Platzierung das nachher ist, muss man sehen. Der EHF-Pokal läuft eher noch im Hintergrund, wenn wir die Gruppenphase erreichen, fängt die erst im Februar an, da haben wir noch ein bisschen Zeit.

Ihr Verein will sich auf lange Sicht in den Top fünf der Liga etablieren. Glauben Sie, dass das angesichts der starken Konkurrenz tatsächlich möglich ist?

Ich glaube hundertprozentig daran.

Was stimmt Sie so sicher?

Die Spieler, der Trainer, das Umfeld.

Gefühlt spielt die halbe Nationalmannschaft bei Melsungen. Ist das ein Vorteil?

Das ist ein riesiger Vorteil, weil man sich wesentlich schneller integriert. Wir können taktische Sachen wesentlich schneller besprechen, das hilft der gesamten Mannschaft. Weil fast alle im Team bei der Nationalmannschaft spielen, ist die Qualität im Training sehr, sehr hoch.

Sie sind Werderfan und am Sonnabend vor Ort, wenn Werder gegen Atlas Delmenhorst spielt. Sehen wir Sie im Stadion?

Das wäre toll, aber da wir ja das späte Spiel haben und wegen der Nachbereitung, den körperlichen Strapazen ist das leider nicht drin. Zumal wir am nächsten Tag wieder spielen müssen. Schade eigentlich, das wäre schön gewesen, gerade bei so einem Bremen-Derby – wenn man das so nennen kann.

Das Gespräch führte Helge Hommers.

Zur Person

Zur Person

Finn Lemke ist in Bremen geboren und begann seine Handballkarriere bei der HSG Schwanewede/Neuenkirchen. Im Jahr 2011 wechselte er zum TBV Lemgo, bei dem er am Saisonende in der ersten Bundesliga debütierte. Über den SC Magdeburg kam er zur MT Melsungen, für die er inzwischen als Kapitän aufläuft. Lemke ist 2,10 Meter groß, 115 Kilogramm schwer und agiert häufig als Abwehrchef. Der 27-Jährige ist aktueller Nationalspieler. 2016 wurde er Europameister, Olympiadritter und DHB-Pokalsieger.

Info

Zur Sache

Handball-Turnier auf der Bürgerweide

Nach dreijähriger Pause kehrt die deutsche Handballelite an diesem Wochenende nach Bremen zurück: Beim Dextra-FM-Cup laufen mit der MT Melsungen, der TSV Hannover-Burgdorf, dem Bergischen HC und Frisch Auf Göppingen vier Erstligavertreter in Halle 7 auf der Bürgerweide auf. Alle Teams sind mit zahlreichen Nationalspielern gespickt. In den Halbfinals am Sonnabend trifft Melsungen auf Hannover-Burgdorf (14 Uhr) und der Bergische HC auf Frisch Auf Göppingen (16 Uhr). Die Verlierer der beiden Partien bestreiten am Sonntag das Spiel um Platz drei (14 Uhr), die Sieger treffen im Finale aufeinander (16 Uhr). Der Dextra-FM-Cup ist Nachfolger des Erima-Cups, bei dem letztmals im Jahr 2015 vier Bundesligateams kurz vor Saisonbeginn gegeneinander antraten. Tickets sind weiterhin erhältlich: Eine Tageskarte, die Einlass zu beiden Spielen beinhaltet, ist im Vorverkauf für 21 Euro erhältlich, an der Tageskasse für 23 Euro. Gegen Vorlage der Abocard gibt es zwei Euro Ermäßigung.

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