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Serie "Beer an der Basis" "Der Fußball ist eine eigene Religion und ein eigenes Land"

Vier Wochen engagiert sich Sport-Chefreporter Jean-Julien Beer in der Jugendabteilung des SC Vahr-Blockdiek. Was dieser Tage besonders positiv auffällt: Der Sport verbindet hier die verschiedensten Kulturen.
09.03.2022, 17:40 Uhr
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Von Jean-Julien Beer

Wenn man so will, ist es eine kleine Weltauswahl, die zweimal pro Woche in den Abendstunden beim SC Vahr-Blockdiek trainiert. Man muss sich nur die Trikots ansehen, mit denen einige der Jungs in der B-Jugend zum Training kommen. Die türkischen Spitzenvereine sind hier ebenso vertreten wie englische, spanische oder französische Topklubs, auch ein Trainings-Shirt von Werder Bremen und ein Deutschland-Trikot ist am Start. Einer mag die Bayern. Die Mischung passt zu ihrem bunten und lebendigen Stadtteil, und in diesen politisch schwierigen Zeiten sollte man es vielleicht betonen: Das Miteinander klappt bei diesen Jungs vorbildlich gut.

Viele der Jugendlichen im Team beantworten die Frage nach ihrer Herkunft mit großer Selbstverständlichkeit mit Blockdiek, Vahr oder Bremen. Auch die, die nicht hier geboren wurden oder erst seit wenigen Jahren hier leben. Ihre Familien sind zum Teil aus allen Ecken der Welt hierher gezogen, ihr kultureller Hintergrund liegt zum Beispiel in Marokko, den USA, in Russland, der Türkei oder in Syrien. Manche beteuern auch, sie kämen aus Süd- oder Mittelamerika. Sie flunkern, weil sich das für sie irgendwie cooler anfühlt. Und so kommt man schnell ins Gespräch, über die eigenen Wurzeln, über Klischees, über den Fußball hier und dort. Es wird gefrotzelt und gelacht. Und dann gemeinsam Sport gemacht.

„Die verschiedenen Nationalitäten fallen auf dem Platz gar nicht auf“, meint Trainer Stefan Barck und lässt einen wunderbaren Satz folgen: „Ich sage immer: Der Fußball ist eine eigene Religion und ein eigenes Land – wenn der Ball rollt, kümmert sich keiner mehr um die Herkunft.“

Genau das ist sie, diese verbindende Kraft des Sports und des Fußballs, die so oft beschworen wird. Sie zeigt sich nicht nur bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen, sondern vor allem hier an der Basis, wenn 15 Jungs abends kicken, die sonst wohl nie zusammengefunden hätten. Und die sich nun über den Sport kennen und schätzen lernen.

Ihr zweiter Trainer Gert Schoenborn erklärt: „Es ist auch deshalb einfach, weil die Jungs, die zu uns kommen, einfach Bock haben auf Fußball. Von uns Trainern bekommen sie nur die Ansage: Wenn wir hier auf dem Platz sind, dann sind wir ein Team. Egal wer, egal von wo. Wir wollen, dass bei uns alle vernünftig miteinander umgehen. Das klappt bei uns sehr gut.“

In diesem Alter, die Spieler auf dem Platz sind zwischen 15 und 17 Jahre alt, geht es in der Fußballsprache schon um viele Fachbegriffe und auch mal um klare Ansagen, aber das funktioniert auch mit Neuankömmlingen rasend schnell. Im Zweifel hilft man sich. „Im Moment haben wir den Vorteil, dass alle Jungs sehr gut Deutsch sprechen oder zumindest Deutsch verstehen“, sagt Schoenborn, „deshalb brauchen wir nicht auf Englisch zu reden oder die Hilfe eines Dolmetschers. Wir versuchen, mit allen Jungs ganz normal zu reden. Und das klappt sehr gut.“

Stefan Barck freut es, dass sie am Spieltag in ihren roten Trikots alle einfach nur als SC Vahr-Blockdiek antreten. Im Alltag denke man kaum noch über die verschiedenen Kulturen nach. Nur einmal, da musste er improvisieren: „Da musste ich ein paar Jungs eine eigene Kabine organisieren, weil sie dort beten wollten.“ Das Problem war schnell gelöst. Und dann rollte wieder der Ball. In solchen Momenten wünscht man sich, der Umgang miteinander wäre überall so lösungsorientiert wie hier an der Fußballbasis.

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