Bremen. Markus Weise ist das, was man eine Ikone nennt. Eine Trainer-Ikone, um genau zu sein. Markus Weise hat als Cheftrainer des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) gleich dreimal olympisches Gold gewonnen; mit der Damenmannschaft einmal, 2004 in Athen, und mit der Herrenmannschaft sogar zweimal, 2008 in Peking und 2012 in London. Bis heute ist Weises Expertise vielerorts gefragt – der 57-Jährige ist ein viel beschäftigter Mann. Nach einem fast vierjährigen Intermezzo als Leiter der Akademie „Entwicklung und Innovation“ beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) steht Weise inzwischen wieder dem Deutschen Hockey-Bund beratend zur Seite und zeichnet überdies als Chef des neuen Bundesstützpunktes in Hamburg für die Kaderathleten verantwortlich.
In Bremen ist Markus Weise zuletzt auch mehrfach gesichtet worden. Vor wenigen Tagen erst hat der „Goldschmied“ persönlich auf der Anlage des Bremer HC ein Stützpunkttraining der weiblichen und männlichen Jugend-Nationalspieler der Jahrgänge 2003 bis 2005 aus Niedersachsen und Bremen geleitet. Und Weise hatte sich erst kürzlich wieder aus seinem Wohnort im Hamburger Stadtteil Heimfeld auf den Weg zum Heinrich-Baden-Weg gemacht für ein Projekt, dem er selbst einen ganz besonderen Stellenwert beimisst. Für Terminabsprachen mit den involvierten Personen hat Markus Weise eigens eine Whatsapp-Gruppe erstellt. Diese Gruppe heißt: „Schlenzen OS Paris 2024“ – die Abkürzung OS steht hier für Olympische Spiele, also für das größte Sportereignis überhaupt.
Entstanden ist diese Whatsapp-Gruppe am 10. September 2019. Es war der Startschuss für ein Projekt, das in dieser Form bundesweit kein zweites Mal zu finden ist. Markus Weise kümmert sich hierbei nämlich ganz gezielt nur um eine einzige Spielerin – und um eine einzige Fertigkeit eben dieser Spielerin. In unregelmäßigen Abständen treffen sie sich in Bremen, um daran zu arbeiten. Es geht um das sogenannte Schlenzen, eine ganz spezielle Technik, die vor allem bei Strafecken zur Anwendung kommt.
Initiiert wurde dieses Spezialtraining von Martin Schultze, dem langjährigen Cheftrainer des Bremer HC. Schultze und Weise kennen sich aus gemeinsamen Mannheimer Tagen. Inzwischen leben beide mit ihren Familien im Norden der Republik, der eine in Achim, der andere in Hamburg, beide sind aber immer noch in einem stetigen Austausch. „Martin hatte mich kontaktiert und mir von diesem talentierten Mädel erzählt“, sagt Markus Weise. Von einem damals 15-jährigen Mädel, das angefangen habe zu schlenzen. „Gerade im weiblichen Bereich ist das wenig präsent“, sagt Weise. Und deshalb habe er gesagt: „Das gucke ich mir mal an.“
Markus Weise hat also geguckt – und was er zu sehen bekam, das habe ihn stark beeindruckt, sagt der frühere Bundestrainer. „Schon bei der ersten Einheit“, sagt Weise, „hat man sehen können, wie groß ihr Potenzial ist“. Und er sagt auch: „Ich habe vorher noch keine Spielerin gesehen, die technisch in dem Alter schon so weit gewesen ist“. So weit wie Lena Frerichs, jetzt 16 Jahre jung, 16-fache Jugend-Nationalspielerin (13 Tore) und eines, wenn nicht sogar das größte deutsche Nachwuchstalent in ihrem Jahrgang 2004. Eine Spielerin, der eine große Zukunft vorausgesagt wird. Der A-Kader-Potenzial bescheinigt wird. Von Martin Schultze. Und inzwischen auch von Markus Weise.
„Lena hat eine extrem gute Einstellung“, sagt Weise. Und sie bringe ein starkes Gesamtpaket mit, technisch und physisch. Das Schlenzen bei Ecken sei eine ganz spezielle Fertigkeit, sagt Markus Weise. Eine Kombination aus Kraft, Gewandtheit und Beweglichkeit, „da ist alles drin“. Diese Fertigkeit bei Lena Frerichs zu fördern, zu verbessern, das hat sich Markus Weise jetzt auf die Fahne geschrieben. „Die Technik ist wahnsinnig schwer, je früher man das entwickelt, umso besser.“ Aus langjähriger Erfahrung weiß der frühere Auswahltrainer, dass es „nur wenige echte Weltklasseschützinnen gibt – und wenn Lena es so weit bringt, dann ist das ein krasser Wettbewerbsvorteil für sie!“
Ein möglicher Wettbewerbsvorteil also für eine junge Spielerin, die im Januar 17 wird. Die die sportbetonte Schule an der Ronzelenstraße besucht und im Sommer 2022 ihr Abitur machen möchte. Die noch ganz am Anfang einer Karriere steht, von der jetzt noch niemand verlässlich sagen kann, wie groß diese Karriere tatsächlich einmal sein wird. Lena Frerichs geht seit frühester Kindheit ein und aus beim Bremer HC, mit drei Jahren fing sie dort an, Hockey zu spielen. Martin Schultze ist einer ihrer großen Förderer, er begleitet die Gymnasiastin bereits seit vielen Jahren. „Das ist schon toll, was Martin für mich alles organisiert“, sagt Lena Frerichs. „Ich bin sehr glücklich darüber.“
Im Januar rückt Lena Frerichs nun in den Damenbereich auf. Sie freut sich darauf, weil sie vorankommen will. Weil sie sich verbessern möchte. Sie hat ein großes Ziel vor Augen. Olympia 2024? Ja, mit dem Gedanken kann sie sich anfreunden, „das ist mein Traum“, sagt sie, „dafür mache ich das hier alles – es wäre toll, wenn es klappt.“ Lena Frerichs weiß, dass es Personen in ihrem Umfeld gibt, die ihr das zutrauen, die eine baldige A-Kader-Karriere und eine Olympiateilnahme schon im Jahr 2024 für realistisch halten. Dazu zählt auch ein gewisser Markus Weise. „Paris 2024“ heißt sein Projekt, „das ist hoch gegriffen“, sagt er. „Aber das ist keine Luftnummer. Lena ist auf dem richtigen Weg. Und wir glauben daran, dass sie es schaffen kann.“